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Dokumentarfilm

Traurige

Tropen



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Der Wahlerfolg des rassistischen Rechtspopulisten und Ex-Militärs Jair Bolsonaro als zukünftiger Präsident Brasiliens könnte das endgültige Scheitern der Rettung des Weltklimas bedeuten. Denn sollte Bolsonaro tatsächlich das internationale Pariser Klimaabkommen aufkündigen, wird dies nicht allein für Brasiliens Regenwald eine Katastrophe bedeuten – uns allen würde schon sehr bald die Luft knapp. Wie dramatisch die Abholzungen von Regenwäldern in den Amazonasregionen schon heute aussehen – täglich gehen vier Fußballfelder unwiederbringlich verloren – illustriert der neue deutsche Dokumentarfilm An den Rändern der Welt sehr eindringlich anhand von Luftaufnahmen endlos monokultivierter Soja- und Maisfelder und Bildern, die buchstäblich verbrannte Erde zeigen.

Zuallererst betrifft diese von Profitsucht und Korruption gespeiste Naturzerstörung die in den Wäldern lebenden indigenen Völker, die ohnehin an die Ränder gedrängt werden und deren Jahrhunderte alten Kulturen kurz davor sind, mit den Wäldern zu verschwinden. Die Mittel, mit denen die Indios zusammen mit Umweltaktivisten versuchen, die Rodungen zu verhindern, sind eine aussichtslose Sisyphos-Arbeit. Großflächige Wälder lassen sich von Spähtrupps nicht nachhaltig gegen riesige Maschinen und willentlich verursachte Brände schützen. Wer kann es den Stammesältesten verdenken, wenn sie Besuchern hohe Mautgebühren an den Zufahrten zu ihren Reservaten abknöpfen, damit ihre Stämme an der unvermeidlichen Zerstörung wenigstens selbst ein wenig partizipieren?

Die jüngeren unter den Ureinwohnern der Enawenê Nawê fahren gerne Motorrad und wollen "weiße" Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, um eine neue Perspektive zu gewinnen. Denn ihre einstige Lebensweise, die sich fern von anderen Zivilisationen innerhalb der Regenwälder und angrenzender Savannen entwickelte, ist schon längst nicht mehr reine Tradition. Ebenso wie andere Naturvölker auf dieser Erde werden sie mehr oder weniger zu einer Assimilation in die Gesellschaft der Mehrheit gezwungen.

Wie dies geschieht und zu welchem Preis ist das eigentliche Thema dieses großartig fotografierten Dokumentarfilms, der außer in der letzten Sequenz im brasilianischen Dschungel nicht auf die aus Fernsehreportagen sattsam bekannten, deprimierenden Bilder setzt, sondern überwiegend auf die Schönheiten der Landschaften und die Authentizität indigener Selbstdarstellung – auch wenn diese durch den Druck der Assimilation und den Einbruch des Massentourismus sich bereits in einer leichten Schieflage befindet. Dass der Film so respektvoll gegenüber der Natur und den indigenen Kulturen wirkt, hängt mit seinem Ideengeber zusammen:

Die Kameramänner Simon Straetker, Janis Klinkenberg, Fabian Bazlen, Lars Richter, Lukas Hoffmann und Tobias Friedrich haben den Fotografen und Greenpeace-Aktivisten Markus Mauthe, der am Bodensee aufgewachsen ist, auf mehreren, monatelangen Reisen zu den Naturvölkern des Südsudans, bei den Korallenriffen Indonesiens und im Amazonasgebiet begleitet, wo Mauthe unermüdlich die vielleicht letzten Phasen des ursprünglichen Lebens dieser Kulturen fotografisch festhält. Mauthe ist durch seine Bildbände und Reisevorträge, mit denen er insgesamt über 250.000 Zuschauer erreichte, in Deutschland recht bekannt. Die Idee, seine Aktivitäten auch in Form eines Filmes zu vermitteln, griff Thomas Tielsch, Chef der Hamburger Produktionsfirma Filmtank, auf. Tielsch fungiert als Regisseur, obwohl er auf keiner der teils sehr strapaziösen Reisen dabei war, wie er bei einer Vorpremiere zugab: Er bändigte lediglich das hunderte Stunden umfassende Material und verlieh ihm einen erzählerischen Rahmen.

Der Zuschauer erfährt viele interessante Details über die Lebensweisen der indigenen Völker, die allesamt noch im Einklang mit der sie umgebenden Natur leben, die für sie auch spiritueller Bezugspunkt ist und entsprechend nicht ausgebeutet, sondern in Ehrfurcht als Nahrungsquelle und Schutzraum genutzt wird. Besonders geschrumpft ist das Volk der Bajau, die über viele Generationen hinweg als Seenomaden im Übergangsgebiet zwischen Strand und Ozean zugebracht haben – in drangvoller Enge als Gruppen auf Booten. Einige von ihnen wurde an Land schwindelig – so wie unsereins bei Wellengang die Seekrankheit befällt. Die Bajaus lebten vom Fischfang und Handel auf dem Wasser, bis der indonesische Staat die vermeintlich ungläubigen, nutz- und staatenlosen Bürger dazu nötigte, auf Pfahlbauten an Land ansässig zu werden. Dort kämpfen sie heute nicht nur mit der Perspektivlosigkeit ihrer Mitglieder, sondern den Folgen der Verschmutzung der Korallenriffe und der legalen und illegalen Überfischung des Meeres, von dem sie einst in Harmonie mit der Natur lebten.

An den Rändern der Welt romantisiert die Welt der Indigenen nicht – dazu wird zu viel gereist –, wandelt aber unverkennbar auf den Spuren des „wilden Denkens“ eines Claude Lévi-Strauss, der als Ethnologe vor hundert Jahren am Amazonas gelernt hatte, das ein „primitives Denken“ bei den Indigenen keine zureichende anthropologische Kategorie ist, sondern lediglich unseren primitiven Vorstellungen über sie entspringt.

Max-Peter Heyne - 1. November 2018 (2)
ID 11004
Weitere Infos siehe auch: http://raender-der-welt-film.de/


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