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Dokumentarfilm

Piazzollas

Tango



Bewertung:    



Der kleine Filmverleih Filmdisposition Wessel in Potsdam hat den Mut, gleich sechs Dokumentarfilme, die die Nische der Musikliebhaber bedient, auf einen Schlag für die bundesdeutschen Kinos anzubieten. So ergibt sich der denkwürdige Umstand, dass offiziell 26 (!) abendfüllende Filme in der 45./46. Kalenderwoche zum Programmieren angeboten werden. Vermutlich ein Rekord seit Beginn der Fernsehära als Massenmedium, wenn nicht gar in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik. Niemand – selbst ein Kritiker, der nur Stubenhocker ist – hat Gelegenheit, all diese Filme zu sehen. Denn die Bugwelle der vergangenen Wochen plätschert ja weiter, und in dieser Woche drängen gleich 15 weitere Produktionen an den Start. Dank der Digitalisierung ist der Verleih von Filmen sehr viel einfacher und flexibler geworden. Frage aber, wie die Branche und die Zuschauer die Fülle bewältigen sollen?

*

Doch lassen wir das Gemecker auf hohem Niveau: Dass sich ein Verleih traut, sehr anspruchsvolle und ungewöhnliche Musikdokumentationen überhaupt in die Kinos zu bringen, verdient ja grundsätzlich erst einmal Lob. Ob die Leinwand für alle diese Dokumentarfilme das richtige Medium ist, muss ich offenlassen. Der Film über den Musiker und Komponisten Astor Piazzolla (1921-1992) kann sich jedenfalls auch im Großformat sehen lassen. Das ist nicht unbedingt nur als Kompliment gemeint, denn er bietet eine überbordende Fülle an Informationen, die in rascher Folge hintereinander präsentiert werden, sodass es die Konzentrationsleistung des Betrachters/ Zuhörers unterstützt, dass nicht auch noch die Bilder zusammengestaucht sind.

Es handelt sich aber nicht um eine typisch zeitgenössische US-amerikanische Kino-Doku, in denen ja oft atemlos durch jedes Thema hindurchgaloppiert wird, sondern um eine argentinisch-französische Koproduktion (Regie und Koproduktion Daniel Rosenfeld). Noch hilfreicher wäre es indes gewesen, sich aus Piazzollas reichem Lebenslauf einige besonders markante Aspekte – und Musikstücke – herauszufiltern, an denen seine Genialität illustriert worden wäre. So franst der Film doch allzu sehr aus.

Wer über die Geschichte Argentiniens und des Tangos im 20. Jahrhundert bisher nicht viel weiß, erhält dies quasi als Nebenprodukt. Denn in erster Linie geht es natürlich um das Wirken Piazzollas, der durch seine revolutionäre Neuinterpretation der Tangomusik, die er mit Elementen des Jazz, Blues und sogar Rock und Pop anreicherte, keineswegs von Anfang an als musikalisches Genie galt. Durch seine fast schon aggressive Modernisierung des Tangos, dem ähnlich wie beim europäischen Walzer lange Zeit nur eingängig-melodische Rhythmen zugrunde lagen, wurde Piazzolla in seinem Heimatland Argentinien sogar regelrecht gehasst. Denn er brachte ausgerechnet das Nationalheiligtum Tango an die Grenze des Untanzbaren – und darüber hinaus.

Kaum eine Persönlichkeit hat durch die herausragende Beherrschung eines bestimmten Instrumentes – in diesem Fall das Bandoneon – einen Musikstil so revolutioniert wie Piazzolla. Wie eigensinnig Piazzolla auch sonst sein konnte, verdeutlicht im Film unter anderem Piazzolla junior, der im Gegensatz zu vielen anderen auch vor der Kamera spricht und berichtet, wie der Vater nach einer kritischen Bemerkung zehn Jahre lang nicht mit seinem Sohn gesprochen hat. Ansonsten besteht der Film aus historischen Bild- und Tonaufnahmen und TV-Archivbildern, die weitgehend chronologisch dargeboten werden. Leider fehlen Interviews mit Experten wie Musik- und Kulturhistorikern, die zur Bändigung der Materialfülle beigetragen hätten. Besondere Highlights sind natürlich die Mitschnitte von Konzerten, bei denen der dann bereits berühmt gewordene Piazzolla von großen Orchestern begleitet wird. Gerne hätte man mehr zu seiner politischen Haltung erfahren. Immerhin konnte er es als Star sich leisten während der argentinischen Militärdiktatur der 1970er Jahre von Heimat zu Exil und zurück zu wechseln.



Astor Piazzolla - The Year of the Shark | (C) Filmdisposition Wessel

Max-Peter Heyne - 11. November 2019
ID 11808
Neben dem besprochenen Film Astor Piazzolla - The Year of the Shark bietet der Verleih auch Filme zum legendären Blue Note-Plattenstudio und dem ägyptischen Jazz-Musiker Amr Salah an. Details zu allen sechs Musik-Dokumentarfilmen des Verleihs sind auf dessen Homepage (s. URL) zu finden. Das komplette Filmpaket ist derzeit z.B. für den sukzessiven Einsatz im Cinema Ostertor in Bremen geplant, aber diese und eventuelle andere Termine müssen dem Internet oder der Tagespresse entnommen werden.

Weitere Infos siehe auch: https://www.filmdisposition-kino.de


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