Das Scheitern
eines Papstes
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Bewertung:
Der Tatbestand des Dokumentarfilms Verteidiger des Glaubens von Regisseur Christoph Röhl ist schnell umrissen – und nimmt im Film etwa das erste Viertel ein: Mit dem bayerischen Kardinal Ratzinger wählten die Bischöfe des Konklaves am 19. April 2005 mit Benedikt XIV. keinen Papst, der für Aufbruch und Erneuerung stand, sondern einen, der sich als wichtigsten Beschützer und Bewahrer der letztgültigen Wahrheit der traditionellen katholischen Kirchenlehre verstand. In seinen 24 Jahren als Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan verfolgte Ratzinger einen strikt auf Hierarchie und Gefolgschaft ausgerichteten innerkirchlichen Kurs. Dies wurde ihm zum Verhängnis, als er als Papst Benedikt XVI. keine glaubhafte Rolle fand, um die Folgen der massenhaften von Priestern begangenen Kindesmissbräuche konsequent aufzuarbeiten. Der Film bietet einen profunden Rückblick auf diese bewegte Zeit und besticht mit einer hervorragenden Auswahl an prägnanten Archivbildern und Interviews sowie dem von Ulrich Tukur wunderbar pointiert vorgetragenem Kommentar.
Vor der Kamera zu Wort kommen unter anderem Georg Gänswein, langjähriger Privatsekretär Ratzingers/Benedikts, vor allem aber Kritiker des deutschen Papstes im In- und Ausland. Zu Letzteren zählen Thomas P. Doyle, dominikanischer Kirchenrechtler, der sich für die Aufklärung der Missbrauchsfälle einsetzt, und Tony Flannery, irischer Priester, der ein Opfer der rigiden, konservativen Personalpolitik des Präfekten Ratzingers wurde. Er berichtet, dass seine Anwälte, die gegen Flannerys Absetzung vorgehen wollten, entgeistert feststellen mussten, dass der Vatikan abseits jedes Zivilrechts ungehindert nach innnerkirchlichen Gesetzen aus dem 16. Jahrhundert handeln kann. Wohltuend sachlich und ohne Polemik zeichnet Regisseur Röhl nach, dass der ehemalige Bischof Ratzinger nichts mehr fürchtete, als das antiautoritäre, anarchische Gedankengut der 68er-Bewegung und den von ihm immer wieder verurteilten „Relativismus“, sprich: das Anzweifeln der katholischen Dogmen.
Der sachbezogene, faire Tonfall des Films verdankt Röhl zu einem Gutteil den Interviews mit den deutschen Theologen Wolfgang Weinert und Herrman Häring, die das Wirken Ratzingers/Benedikts jeweils kritisch-nüchtern auf den Punkt bringen: Er denkt in überirdischen Kategorien und unzweifelbaren Prinzipien, was seine geringe Menschenkenntnis und Weltabgewandtheit erklärt. Schon als Erzbischof von München und Freising ist Ratzingers Motto das der „cooperatores veritates“, eines Mitarbeiters der (absoluten) Wahrheit, der Verfechtung der Klarheit der Liturgie und der Dogmen. Als Präfekt drängt Ratzinger progressive Bischöfe wie die der lateinamerikanischen Befreiungstheologie zurück und installiert ein obrigkeitshöriges „System der Angst“ (Häring), bei dem die niederen Priester und Kardinäle stets vom Wohl und Wehe der Bischöfe abhängig sind. Immerhin war dies lange Zeit ein wichtiger Baustein für eine der letzten absolutistischen Monarchien der Welt, die noch dazu dem irdischen Einerlei sui generis enthoben ist.
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Christoph Röhl hat als ehemaliger Tutor an der durch zahlreiche Missbrauchsskandale mittlerweile berüchtigten Odenwaldschule ein persönliches Interesse an der Durchleuchtung intransparenter innerkrichlicher Vorgänge. Er blättert in der Mitte seines stets sorgfältig recherchierten und illustrierten Films noch einmal die weniger bekannte Fakten auf, vor allem die lange Unterstützung des Vatikans für die konservativen, sektenähnlichen Gruppierungen innerhalb des Katholizismus, die die Regeln der demokratischen Zivilgesellschaft und kirchliche Reformen klar ablehnen. Die absolute Papsttreue von Gruppen wie „Das Werk“ (in Österreich) und „Die Legionäre Christi“ (in Frankreich) ging einher mit obskuren Ritualen, einem Hang zur Abschottung und einer Doppelmoral des Führungspersonals.
Bedrängt von den sich immer heftiger auftürmenden Skandalnachrichten bricht die etablierte Kultur des Wegschauens und Verdrängens in sich zusammen, als ausgerechnet im erzkatholischen Irland offenkundig wird, dass der Vatikan die staatlichen Ermittlungen um 2009 zu verhindern versuchte. Dazu kommen die vielen schlechten Nachrichten für die Kurie aus allen Ecken der Welt und der Vati-Leaks-Skandal, in den ein vermeintlich treuer Diener des Papstes verwickelt ist. Der deutsche Papst resigniert, überlässt das weitere Aufräumen der Skandale seinem Nachfolger und entschwebt Rom im Helikopter wie einst Präsident Nixon aus Washington. Ein sinnfälliges Bild für einen an Prinzipien orientierten, intellektuell abgehobenen Gelehrten, der die Kritik seiner Feinde und den Frevel seiner Glaubensbrüder am liebsten nicht wahrnehmen wollte.
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(C) realfiction films
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Max-Peter Heyne - 1. November 2019 ID 11772
Weitere Infos siehe auch: http://www.realfictionfilme.de/filme/verteidiger-des-glaubens/index.php?id=146
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