Vater,
(k)eine Mutter
und zwei
Brüder
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Bewertung:
Es gilt zuvor ein Missverständnis auszuräumen - nämlich, dass der in dem schönen Film von Rainer Bärensprung & Robin Epkenhans sehr liebevoll und über alle Maßen zärtlich porträtierte Werner Herzog nicht etwa (wie irrtümlicherweise von mir angenommen) jener Werner Herzog ist, den die studierten oder weniger studierten Film- oder Theaterleute als den Filme- und Theatermacher gleichen Namens kennen, sondern ein ganz anderer, der zufällig genauso, also Werner Herzog, heißt und dessen Kurzvita von den Dokumentarfilmern wie folgt beschrieben wird:
"Als Werner Herzog 16 Jahre alt war, wurde sein Vater vor seinen Augen 1959 in Bielefeld bei einem Streit erschlagen. Die Mutter war mit der Erziehung ihres Sohnes 'überfordert' und schob ihn in die Fürsorgeeinrichtung Eckartsheim und später in die Betheler Einrichtung nach Freistatt ab. Freistatt galt damals als eine der härtesten und grausamsten Jugendfürsorgeanstalten der noch jungen Bundesrepublik. Nach seinem Heimaufenthalt trainierte er unablässig Judo und begann eine Karriere als streitschlichtender Aufpasser im berühmt-berüchtigten Bielefelder Star-Club. Er gründete eine Familie und merkte, dass sein Lebensstil und das Familienleben nicht miteinander vereinbar sind. Heute lebt der 78-jährige Bielefelder zusammen mit seinem Hund Lucky zurückgezogen auf dem Land. Der 90minütige Dokumentarfilm Werner we love you erzählt die Lebensgeschichte dieses Mannes, der trotz widrigster Umstände auf seine ganz eigenwillige Art überlebt hat und dabei weder ans Aufgeben denkt, noch seinen Sinn für Humor verloren hat."
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Die vor allem körperliche Faszination des Mannes geht in erster Linie - was bei derartigen Nahaufnahmen zwangsläufig passiert - von dessem altersgezeichneten Gesicht und der dazugehörigen unbrüchigen, sonoren Stimme aus. Und wenn ich ihn so höre, wie er all die Episoden und Stationen seines Leben nach und nach erzählt, wie er auf Fragen seines jeweiligen Interviewers reagiert, wie er sich klar und deutlich aufzuschlüsseln meint, wie er die Ängste und Verluste, die gewesen waren (und in Zukunft wohl auch weiter kommen würden), frei artikuliert, stimmt mich das ernst und macht mir für mein eignes Leben Mut und gibt mir Zuversicht und Kraft.
Es klingt dann andrerseits schon ziemlich traurig, wie er über die unsäglich fürchterliche Liebelosigkeit der eignen Mutter spricht, mit welcher Bitternis und Konsequenz er sie vor ihrem Krebstod meidet, schneidet, quasi längst schon für sich völlig ausgeschlossen hat; sie hätte ihn nicht einmal in die Arme nehmen wollen und obgleich er, als er Kind war, das gewollt hätte - aber so abartig manifestierte "Grundbeziehungen" soll es ja geben, und die so Gezeichneten oder Geschlagenen machen dann (keine Ahnung, wie) ihre Privathöllen mit all dem Psychokram, bis dass der Tod sie scheiden würde, durch.
Gottlob kommen auch Werners Freundinnen und Freunde nach und nach zu Wort. Frühere Kumpels aus der Club- und Kneipenszene, in der Werner meist als Türsteher beschäftigt war, erinnern sich mit Lust und Freude an Begegnungen mit ihm, an viel gemeinsames Erlebtes.
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Der Film kommt zweiteilig daher:
Zuerst wird die berüchtigte Verwahranstalt, in der der junge Werner, weil die eigne Mutter ihn nicht mehr zuhause haben wollte, bis zu seinem 21. Geburtstag lebte, schuftete und litt, beschrieben und erklärt; und in der DDR, wo ich her bin, nannte man solche haftartigen Einzäunungen"Jugendwerkhöfe", ja und de facto waren es Gefängnisse, halt für so Schwererziehbare und/ oder jugendliche Kriminelle. Grauenhafte Zustände muss es dort, hie wie dort, gegeben haben. Werner lernte dort zwar Torfstechen, doch all die physischen und psychischen Gewaltexzesse in der so genannten "Moorburg", wo er bis zur seiner Volljährigkeit weilte, hinterließen Spuren, ohne jede Frage.
In dem zweiten Teil geht es um Werners Frauen, und wir werden aufgeklärt darüber, welche seine Nummer 1 (Renate), welche seine Nummer 2 (Brigitte) war, ja und wir sehen Philipp, seinen Sohn, und wie er sichtlich nah an seinem Vater hängt.
Werners Zuhause wären allerdings dann lediglich sein Hund und seine Katze.
Und den ganzen Film über gibt es nicht einmal Sonnenschein - dagegen (oder mehr: dafür) sehen wir feuchte Herbstlandschaften, und wir hören aus der weiten Ferne, wie die Kraniche schreien und in nächster Nähe ein paar Singvögel herumzwitschern. Doch, doch, die Stimmung stimmt.
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Werner Herzog - in dem Dokumentarfilm Werner We Love You | (C) RP Filmwerk
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Andre Sokolowski - 3. Februar 2022 ID 13437
https://www.rbfilmwerk.de/portfolio/wernerweloveyou/
https://www.andre-sokolowski.de
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