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Dokumentarfilm

Wim Wenders

zum 80.



© Kumaran Herold

Bewertung:    



„Dafür lohnt es sich zu leben“, erklärt der Jubilar in der Fernsehdokumentation Wim Wenders. Der ewig Suchende, die Montagabend auf arte (18.08., 22:35) erstmals ausgestrahlt wird. Regisseur Marcel Wehn hat schon im Jahr 2007 einen Dokumentarfilm über ihn gedreht und diese Arbeit nun fortgesetzt. Mit der Besprechung dieses Films beginnen wir unsere Würdigung des Filmschaffens eines Mannes, der es - meistens - geschafft hat, sich selbst treu zu bleiben.

Wim Wenders zählt zu den angesehensten deutschen Filmemachern, und Wehn begleitete ihn im Vorfeld zu seinem 80. Geburtstag (am 14. August 2025) nach Luzern, wo er Ende 2024 mit dem Europäischen Filmpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Wehn geht weitgehend chronologisch vor, zeigt etliche Ausschnitte aus Wenders' Filmen und interviewt ihn selbst und einige Wegbegleiter. Der Vater von Wim Wenders wäre gerne Fotograf geworden und viel gereist, aber für ihn kam als junger Mann der Krieg dazwischen. Doch er unterstützte seinen Sohn bei seinen künstlerischen Bestrebungen: „Ich bin derjenige, der die Träume seines Vaters alle leben konnte“, merkt Wenders an, der trotz seiner Geburt in den Nachkriegsjahren auf eine gute und behütete Kindheit und Jugend zurückblickt. Es wurde ihm erst später bewusst, dass er in den Trümmerlandschaften des Zweiten Weltkriegs aufwuchs.

Wenders versuchte sich in seinen jungen Jahren in verschiedenen Sparten an unterschiedlichen Universitäten, wurde dann in seiner Pariser Zeit aufs Filmemachen aufmerksam. Er schaute in der Cinémathèque française exzessiv Filme und fand heraus, dass beim Filmemachen viele Kunstformen einfließen und es sich lohnen würde, dafür zu leben. Das hat er getan. In seinen frühen Filmen hat er mehr oder weniger das nachgeahmt, was ihm an anderen Filmen gefallen hat.

Alice in den Städten war die erste Produktion, bei der er sich von sich selbst leiten ließ. Er hat im Regelfall keine festgelegten Drehbücher, und wenn er beim Drehen feststeckt, geht es immer irgendwie weiter. „So bin ich zum Erzähler geworden. Das ist mit das Schönste am Filmen, dass man Erzähler wird“, stellt Wenders fest. Der Schauspieler Rüdiger Vogler, der in der Trilogie die Hauptrollen spielte, erinnert sich an die ungewöhnliche Arbeitsweise. - Der amerikanische Freund basiert auf einem Roman von Patricia Highsmith. Obwohl sich Wenders auf einen Dreh nach Skript gefreut hatte, entstanden während der Dreharbeiten aber Szenen mit Bruno Ganz und Dennis Hopper, die dazu erfunden wurden, was bei den Produzenten und Highsmith zu Unmut führte.

Seine ersten Erfahrungen mit Hollywood waren schlecht. Er hat z.B. 80 Prozent seines Films Hammett neu drehen müssen, weil Produzent Francis Ford Coppola seine Vorlage nicht wiedererkannte. Wenders hatte mal wieder Szenen dazu erfunden. Die Arbeitsweise in den amerikanischen Studios war ihm zu unpersönlich. Der Film wurde in drei verschiedenen Schneideräumen bearbeitet. Für Wim Wenders war klar, dass das Studiosystem von Hollywood nichts für ihn war. Er bezeichnet es als vertane Zeit.

Den Frust hat er sich dann mit Paris Texas „von der Seele gedreht“. Das Roadmovie wurde zwar in den USA produziert, aber es wurde gefilmt wie in einem europäischen Film, erinnert er sich. Paris Texas war schon direkt nach seiner Entstehung als Meisterwerk anerkannt. Als sein unbestrittenes Opus magnum gilt aber Der Himmel über Berlin. Der hatte keine klassische Handlung und wurde von einer Fabel und Impressionen aus der Stadt im Jahr 1987 zusammengehalten, die es schon zwei Jahre später nach dem Fall der Mauer nicht mehr geben würde. Wenders erklärt, dass er bis zum Horizont vorgedrungen wäre und geschaut hätte, was sich dahinter für ein neuer Horizont auftun würde. - Im Jahr 2000 wurde er dann doch von Hollywood gewürdigt und erhielt eine Oscar-Nominierung für Buena Vista Social Club, einen Film über die kubanischen Musiker der gleichnamigen Gruppe.

Wenders hatte lange damit geliebäugelt, eine Dokumentation über das Tanztheater der Pina Bausch zu drehen. Er wartete aber ab, bis die 3D-Technik hinreichend entwickelt war, denn er wollte Pina Bausch gerecht werden. Leider verstarb die Choreografin, bevor das Projekt realisiert werden konnte. Er hatte die Tänzer vorher gefragt, ob sie diesen Film trotzdem mit ihm machen wollen. Die Tänze haben Wim Wenders zu Tränen gerührt, aber er hat nicht entschlüsseln können, wie Pina Bausch das gemacht hat. Und vielleicht ist es gut, die Magie nicht zu enträtseln. Wenders arbeitet ohne Drehbuch am effektivsten und mache deswegen gerne Dokumentarfilme, weil da das Problem gar nicht erst auftauchen könne. Das trifft auch auf die Dokumentation Das Salz der Erde über den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado zu, mit dem er in Wehns Film zusammen ein Lied singt. Bei Salgado wundert sich Wenders heute noch, wie der Mann so viel Leid sehen und zugleich so viel Schönheit einfangen konnte. Leider ist Salgado nach den Dreharbeiten verstorben. - Insgesamt bedauert Wenders als Vertreter des Autorenkinos die Mittelvergabe für Filmprojekte: „Heute bekommt man keinen Film mehr finanziert, wenn man vorher kein Drehbuch schreibt. So wird das oft zu Tode entwickelt und man schreibt Systemdrehbücher.“
Einer von Wenders schönsten und erfolgreichsten Filmen ist Perfect Days, für den Japan mit einer Nominierung für den Auslands-Oscar bedacht wurde. Der Hauptdarsteller ist der japanische Schauspielstar Kōji Yakusho, der sich sehr gut auf Wenders' Arbeitsweise einlassen konnte. Wenders hatte sich entschieden, keine Dokumentation über die öffentlichen Luxustoiletten der besten japanischen Architekten zu drehen, sondern eine fiktive Geschichte. Trotzdem waren die Charaktere so authentisch, dass Yakusho meint: „Wir haben es geschafft, dass aus fiktiven Figuren ein Dokumentarfilm geworden ist.“

In einer Rede zur Verleihung des Europäischen Filmpreises in Luzern erzählt Wenders, dass Bruno Ganz bei den Dreharbeiten zu Der Himmel über Berlin recht verzweifelt gewesen war, weil seine Rolle keine Lebensgeschichte habe. Ganz spielte einen Engel! „Du musst nur die Menschen lieben und versuchen ihnen zu dienen“, erklärte er ihm, und damit konnte Ganz gut umgehen. Und letztendlich ist es dieser liebende Blick, der Wim Wenders selbst auszeichnet, den er beobachtend auf seine Protagonisten wirft, egal wie heil oder kaputt sie sein mögen oder welche Entscheidungen sie treffen. In Luzern betonte er auch, dass es beim Filmemachen für ihn nicht darum ginge zu beweisen, was für ein Genie man sei, sondern zu verstehen, dass der Film größer als man selbst sei. Juliette Binoche als Laudatorin hob hervor: „Dein Drang, Neues zu entdecken, ist offenbar unersättlich.“ Und im Interview sagt Wenders ganz klar, dass für ihn nichts deprimierender wäre, als nichts mehr lernen zu können.

*

Der Drang, Neues zu entdecken, lässt sich auch daran belegen, dass er neben anderen Publikationen den Fotoband 4 REAL & TRUE 2 - Wim Wenders. Landschaften. Photographien herausbrachte, zu dem es im Museum Kunstpalast in Düsseldorf auch eine Ausstellung gab. Dabei hat ihn die Leidenschaft für die Fotografie allerdings ein Leben lang begleitet. - 2017 holte ihn Daniel Barenboim an die Berliner Staatsoper, damit er dort Bizets Perlenfischer inszenierte. 2023 wirkte er sogar an der deutschen Comedy-Fernsehserie German Genius mit. Berührungsängste hat er scheinbar keine. Das Lebenswerk von Wim Wenders ist eine wahre Entdeckungsreise und die Geschichte eines vielfältigen Künstlers, der offensichtlich, so gut es geht, seinem inneren Kompass folgt.

Der 80. Geburtstag von Wim Wenders hat mediale Wellen ausgelöst. In der Bundeskunsthalle Bonn wurde kürzlich die immersive Ausstellung W.I.M. - Die Kunst des Sehens eröffnet.

Die arte-Mediathek hat gleich mehrere Wenders-Klassiker zur Verfügung gestellt, darunter Paris Texas und Der Himmel über Berlin. Auch die Mediatheken von ARD und ZDF haben reichlich Material zur Sichtung parat, darunter einige Spielfilme, wie Das Salz der Erde und auch Anselm Das Rauschen der Zeit über Anselm Kiefer.

Die Weichen sind gestellt für ein Wim-Wenders-Jahr.



Wim Wenders beantwortete dem Regisseur Marcel Wehn offen dessen Fragen
© Kumaran Herold

Helga Fitzner - 17. August 2025
ID 15416
Weitere Infos siehe auch: https://www.arte.tv


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