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Unsere Neue Geschichte (Teil 34)

Das vermeintlich

schwache

Geschlecht



Bewertung:    



Frauen machen rund die Hälfte der Weltbevölkerung aus und doch sind sie oft unbekannte Wesen, da ihre Belange noch längst nicht anteilig ins öffentliche Bewusstsein geraten sind. Die Ukrainerin Anastasia Mikova und der Franzose Yann Arthus-Bertrand haben über Jahre als Filmschaffende die Stimmen von 2.000 Frauen aus über 50 Ländern eingefangen, die den Mut hatten, vor der Kamera ihre Geschichten zu erzählen. Das erklärte Ziel der Dokumentation Woman ist es, ihnen eine Stimme zu geben. So erzählt auch gleich die erste Frau im Film über sexualisierte Gewalt. Sie hatte furchtbare Angst, darüber zu sprechen, wollte aber das Schweigen brechen, „weil es das Schweigen ist, das diese möglich macht“. Die Schilderung von Brutalität, Verunglimpfung und Zurücksetzung machen daher den größeren Teil der Dokumentation aus, doch liegt der Fokus nicht auf der Opferrolle oder Beschuldigungen, sondern auf der inneren Kraft der Interviewpartnerinnen.


„Was der Film... am meisten unterstreicht, ist die ungemeine Stärke der Frauen. Diese Stärke und ihre Fähigkeit, die Welt trotz aller Hindernisse und Ungerechtigkeiten zum Besseren zu verändern, berührt, inspiriert und macht Mut. In dieser neuen Ära, in der Frauenstimmen immer lauter werden, ist das Ziel des Films, nicht nur Rechte zu fordern oder sich auf die Probleme zu konzentrieren, sondern den Stimmen der Frauen endlich Gehör zu schenken, Lösungen zu finden und dafür zu sorgen, dass Frauen nie wieder als 'schwächeres Geschlecht' gesehen werden“, heißt es daher auch in der Filmbeschreibung.


Es ist wahr, dass Frauen den meisten Männern an Körperkraft unterlegen sind, weshalb sie sich gegen Übergriffe schlecht wehren können. Diese erfolgen aber nicht immer durch Männer. Eine Afrikanerin wurde als Kind von drei Frauen überwältigt und ihre Genitalien verstümmelt. Als sie nach dem Warum fragte, hieß es: „Weil du ein Mädchen bist.“ Es wird auch Kritik an einigen Müttern laut, die ihren Söhnen eine Überlegenheit gegenüber Frauen anerziehen und an Vätern, die zulassen, dass ihre Söhne die Mutter menschenunwürdig behandeln. Insgesamt wird klar, dass wir in einer Gesellschaft leben, die keine Frau vergessen lässt, dass sie eine Frau ist, weil sie ständig auf der Hut sein muss. Selbst wenn sie keiner physischen Gefahr ausgesetzt ist, dann immer noch sexistischen Verhaltensmustern von Männern. „Männer müssen das kontrollieren, was eigentlich mächtiger ist als sie und was sie nicht verstehen“, erklärt eine von ihnen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine Art Ebenbürtigkeit zu erreichen. Bildung und Beruf sind zwei davon, wenngleich Frauen meist doppelt so gut sein müssen wie ihre männlichen Kollegen. Aber auch das macht sie stark. Eine ältere Afro-Amerikanerin, die an der Harvard Universität studiert hat, hatte schon Kinder und ihren Diplomabschluss trotzdem geschafft. Auch eine junge Chinesin wollte durch Bildung etwas erreichen, musste aber von der Schule abgehen, als ihr Bruder an einer höheren Schule angenommen wurde. Aufbegehrt hat sie damals nicht. Die Geschichten sind sehr vielschichtig und nuanciert.

Eine Börsianerin hat für ihre Arbeit an der Wall Street alles an Familienleben und eigenen Wünschen aufgegeben und bereut das im Alter nun, weil sie keine schönen Erinnerungen hat. Sie hat weder an den Leben ihrer Kinder und ihres Mannes teilgenommen noch ein eigenes gehabt. Wir erfahren auch von dem Triumph, als eine junge Frau ihr erstes Einkommen vom Konto abhebt, um es in den Händen zu halten. Dann zahlt sie das meiste davon wieder ein. Es gibt auch tragische Schicksale, wenn eine Mutter und Ehefrau ihre Familie verlässt, um im Ausland zu arbeiten, damit sie alle durchkommen. - Die überlebenden Opfer von Säure-Attacken oder solche, die an Kämpfer der ISIS verkauft wurden, haben kaum eine Chance, einen Ehemann zu finden und werden nach allem Elend gesellschaftlich auch noch ausgegrenzt.

Natürlich fehlen frauenspezifische Angelegenheiten nicht. Menstruation, weibliche Sexualität, weiblicher Orgasmus, Schwangerschaft, Abtreibung, Geburt, Mutterschaft sind ein großer Themenbereich. Eine Irin ließ abtreiben, musste aber dazu das Land verlassen, weil es in Irland zu dieser Zeit verboten war. Das vierte Kind einer Chinesin wurde aufgrund der Bevölkerungspolitik im achten Monat zwangsweise abgetrieben, was die Mutter innerlich zerstört hat. Einige Frauen sprechen nicht über Sexualität und lachen nur in die Kamera. Andere erzählen, dass sie Orgasmus nur vom Hörensagen kennen. Eine Ehefrau liebt ihren Mann besonders dafür, dass er jedes Mal dafür sorgt, dass auch sie einen Orgasmus bekommt.

Es gibt Frauen, die sehr schöne Beziehungen zu ihren Männern haben. Eine alte Dame aus dem osteuropäischen Raum erzählt, wie sehr sie ihren Mann geliebt hat, der vor 13 Jahren gestorben ist. Sie weiß nicht, ob es Sünde ist, jemanden so sehr zu lieben. Eine weitere Witwe, die von ihrem Mann über alles geliebt wurde, muss sich nach seinem Tod erst selbst entdecken: „Es ist schwer, sich selbst zu lieben, ohne den Blick des anderen.“ Ihr Ehemann war der „Hüter ihres Selbstbildnisses“.

*

Die Dokumentation besteht zum großen Teil aus statischen Nahaufnahmen der Gesichter. Arthus-Bertrand ist Fotograf und weiß diese zu inszenieren und ins Licht zu rücken. Mikova ist Journalistin und in der Lage, ihren Geschlechtsgenossinnen einfühlsam ihre Geschichten zu entlocken. Es gibt auch einige Außenaufnahmen, die meistens statisch sind. Die Bilder sind selbsterklärend: ein Cowgirl zu Pferde in der Prärie, ein älteres Ehepaar, das sich innig vertraut an den Händen hält. Ein Mann mit seiner ersten Frau und deren sieben Kinder und seiner Zweitfrau mit drei Kindern, alle sehr stolz und würdevoll. Ein Fest mit tanzenden heiratsfähigen Mädchen in Afrika.

Sehr eindrücklich ist der Blick auf nackte Körper. Er zeigt Frauen in fortgeschrittenen Alter, korpulente, dünne, ein paar junge Frauen sind auch dabei. Körper nach Schwangerschaft oder mit Narben nach Brustkrebsoperationen. Einige entsprechen nicht dem gängigen Schönheitsideal, die Frauen sind aber selbst- und körperbewusst genug, um sich darin wohl zu fühlen. Die meisten Interviewpartnerinnen haben gelernt, sich selbst samt ihrem Körper anzunehmen. Das ist für alle Menschen erstrebenswert, weil der Partner oder die Partnerin dann nicht die Leerstelle und Bedürftigkeit des/der anderen ausfüllen muss. Eine lesbische Frau bringt es auf den Punkt: „mit jemandem eins sein und doch man selbst bleiben können“.

Woman ist sicher auch ein Film für die andere Hälfte der Menschheit, denn hier wird feinfühlig und ohne Spaltung erzählt, sodass es vermutlich auch Aspekte gibt, die für Männer interessant sind und zu einem besseren Verständnis weiblicher Befindlichkeit führen kann. Denn letztendlich haben wir unser allgemeines Menschsein gemeinsam, das uns verbindet und auf das wir uns in diesen herausfordernden Zeiten besinnen könnten.



Im kleinen Königreich Swaziland in Südafrika mag man Zeremonien. Hier sind es unverheiratete tanzende Frauen | © Daniel Meyer & Stéphane Azouze, Swaziland

Helga Fitzner - 22. April 2021
ID 12872
Die Veröffentlichung des Films Woman im “Online-Kino” findet ab dem 22. April 2021 mit Beteiligung der Kinos über den eigenen Vimeo-Kanal des Verleihs mindjazz pictures statt.

Kinos werden die Möglichkeit haben die Online-Veröffentlichung zu unterstützen, indem sie den Film auf der Kino-Website verlinken und ihn im Kino-Newsletter und über die Social-Media-Kanäle bewerben. Ein Online-Ticket kostet 10 Euro.


Weitere Infos siehe auch: http://www.woman-themovie.org


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