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Dokumentarfilm

Greenwashing

Ein Blick hinter die Kulissen


Bewertung:    



Die grüne Lüge ist der Beweis, dass man Filme über die unverantwortlichen Umweltzerstörungen auf unserem Planeten durchaus mit Humor würzen kann. Wenn der österreichische Dokumentarfilmer Werner Boote in der Rolle des etwas trägen und naiven Konsumenten mit der deutschen Autorin und konzernkritischen Journalistin Kathrin Hartmann durch den Supermarkt geht, macht das schon Spaß. Denn die von Hartmann verkörperte Figur vergällt ihrem genussfreudigen Gegenüber den Appetit auf alle Produkte, die mit Palmöl hergestellt sind. Sie lässt seine Hinweise auf grüne und nachhaltige Gütesiegel auf den Verpackungen nicht gelten, weil sie es besser weiß. Die sind alle Augenwischerei, Greenwashing.

Diese Variante des Spiels "Guter Polizist - böser Polizist" wird durchgehalten bei einer Reise rund um die Welt, in der sie unterwegs viele wichtige Fragen diskutieren, die sich etliche Menschen inzwischen auch stellen. Boote gibt vor, Hartmanns Argumente nicht ganz ernst zu nehmen, und so geht die Reise nach Indonesien.

Palmöl ist billig und befindet sich in fast jedem Snack, fast jedem Fertigprodukt und den meisten Süßigkeiten. Da sind riesige Gewinnmargen für die Konzerne möglich. Allein im Jahr 2015 hat es so viele illegale Brandrodungen in Indonesien gegeben, dass über 100.000 Menschen ums Leben kamen und eine halbe Million an den Langzeitfolgen leiden, weil die Rauchwolken giftig sind und der Wind sie bis nach Singapur trägt. Der Ausstoß von Kohlendioxid dabei ist astronomisch. Auch wenn die Palmölkonzerne behaupten, ausschließlich nachhaltig zu produzieren, ist das gar nicht möglich, weiß Hartmann, denn für die Palmölplantagen wird der Boden des Regenwaldes benötigt. Daran ändern grüne Siegel gar nichts. Der indonesische Aktivist Feri Irawan führt das Filmteam zu einer Stelle von unlängst vernichtetem Regenwald. Dort sieht es aus wie in einem apokalyptischen Science-Fiction-Film, nur dass es real ist. Wenn Boote knietief in den Boden einsinkt, dann wird die Vernichtung von Menschen und Natur schon anschaulich. Am Beispiel von Palmöl wird der Zusammenhang zwischen unserem Konsumverhalten und den Auswirkungen auf die Umwelt besonders klar. Es geht um Menschenleben und das Überleben des Planeten.



Werner Boote sinkt knietief in die Überreste des verbrannten Regenwaldes ein. | © Little Dream Entertainment


Ein Besuch bei der Palmöl-Konferenz IPOC in Indonesien zeigt, dass Politik und Wirtschaft den Umweltschutz nur vordergründig ernst nehmen und Umweltschützer sogar lächerlich machen. Die Konzerne investieren Millionen in ihre Greenwashing-Kampagnen anstatt in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und den Umweltschutz. Dabei wälzen sie die Verantwortung für die Umwelt auf die Verbraucher ab. Werner Boote differenziert da aber: „Die Arbeit an Die grüne Lüge hat sehr klar zutage gebracht, dass Eigenverantwortung in den Konsumentscheidungen natürlich wichtig ist. Um eine grundlegende Änderung und Trendumkehr zu bewirken, braucht es definitiv weitreichende politische Maßnahmen. Produkte, bei deren Herstellung Menschenrechte verachtet und die Umwelt vernichtet wird, müssen verboten werden. Was mir zu Beginn der Recherchen noch nicht so sehr bewusst war, war die Erkenntnis, wie weitreichend das gesamte Wirtschaftssystem überdacht werden muss.“

In einem Interview mit der Koryphäe Noam Chomsky, emeritierter Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology, USA, finden die beiden ihre Ansichten bestätigt. Chomsky meint: „Die wahre Herausforderung ist, dass wir vehement an einem Systemwechsel arbeiten müssten, der grüne Lügen überflüssig macht, indem die Machtsysteme unter öffentliche Kontrolle gestellt werden... Ein demokratisches System mit einer demokratischen Wirtschaft unter öffentlicher Aufsicht würde so etwas wie Profit machen und diesen zum Wohle der Belegschaft einsetzen. Aber nicht ein System, das eine Welt schafft, in der, aktuellsten Zahlen zufolge, acht Menschen gleich viel besitzen wie die Hälfte der Weltbevölkerung. Das ist eine besondere Eigenschaft des privaten Kapitalismus."

Als 2010 durch die Explosion der Bohrinsel Deep Water Horizon eine riesige Ölpest im Golf von Mexiko verursacht wurde, entschied die Firma BP, die Unmengen von Öl nicht zu entsorgen, sondern mittels hochgiftigen Chemikalien auf den Meeresboden zu versenken. Das reicht den Verantwortlichen aus, obwohl heute noch nachweislich giftige Ölklumpen an Land gespült werden. Der Appetit auf Shrimps vergeht einem, als ein ehemaliger Fischer die schwarz verseuchten Kiemen von frischen Shrimps zeigt.

Wenigstens am Autofahren hat Werner Boote endlich mal wieder Freude. Die beiden sind in einem „umweltfreundlichen“ Elektroauto von Tesla unterwegs. Aber die „Spielverderberin“ Hartmann bleibt in ihrer Rolle. Der Tesla hat eine Lithiumbatterie, und beim Abbau von Lithium wird die Umwelt geschädigt und der Wassermangel der Bevölkerung verschärft, erklärt sie. Und woher kommt, bitteschön, die Energie, mit der die Batterien aufgeladen werden? Im rheinischen Braunkohle-Tagebau Garzweiler stehen die beiden erneut in einer verwüsteten Landschaft. Der „grüne“ Konzern RWE stellt sich in seiner Werbung sehr viel nachhaltiger dar, als es der Realität entspricht, zerstört mitten im Rheinland Dörfer und Wälder direkt vor unserer Nase.

Aber wie kann man etwas ändern? In Brasilien treffen sie Sonia Guajajara, Sprecherin der indigenen Bevölkerung, die zwangsenteignet und vertrieben wurde, damit auf ihrem Land Rinderfarmen entstehen sowie Mais, Soja und Zuckerrohr angepflanzt werden konnten. Obwohl das gegen bestehendes Gesetz verstößt, werden ihre gerechtfertigten Proteste mit Gewalt aufgelöst und Aktivisten gezielt ermordet. Doch immerhin sieben Farmen konnten schon zurückgewonnen werden. Die Indigenen üben sich in Solidarität und Entschlossenheit, weil sie sonst aber auch keine Perspektiven hätten.

„Was machen wir denn jetzt“, fragt Boote im Film. Nun ja, Kaufentscheidungen so bewusst wie möglich treffen, ist gut. Am Schluss zeigt er Bilder von weltweiten Protesten und Forderungen nach Nachhaltigkeit. Das hat es in anderen Dokumentationen auch schon gegeben. Aber der Fokus auf das Greenwashing, die Propagandalügen der Konzerne, die den Konsumenten mit falschen Etiketten die Illusion des Umweltbewusstseins verschaffen, ist eine sehr geschickte und unterhaltsam aufgemachte Variante. Die grüne Lüge zeigt sehr einprägsam, wie das funktioniert und mit welcher Menschenverachtung das betrieben wird. Der Film schafft es, dem Zuschauer die Augenwischerei klar zu machen und so den Weg für Veränderungen zu öffnen. Das hieße aber auch, dass die Zeit des unreflektierten und übermäßigen Konsums ein Ende finden muss.
Helga Fitzner - 21. März 2018
ID 10597
Weitere Infos siehe auch: http://thegreenlie.at/


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