"explizit /
implizit
lenkend"
Die Sexarbeiterin LENA MORGENROTH
|
|
Bewertung:
Das horizontale Gewerbe ist so alt wie die Menschheit. Es wird abgeschubladet entweder als Prostitution oder als Sexarbeit. Das Eine hat einen gewissen Beigeschmack, meist schal, v.a. aber negativ (zurecht, wenn es um Zwangsprostitutionen geht) - das Andere hingegen klingt doch sehr "pragmatisch" und scheint ideologisch und/oder moralisch weniger belastet (als das Eine halt). Zusammenfassend könnte man es als im Allgemeinen recht bekannt und im Besonderen aufklärungswürdig, neugierstiftend auf den Punkt bringen.
Der Filmemacher Sobo Swobodnik (Der Papst ist kein Jeansboy) hat sich nunmehr ruhig, unvorbelastet und sehr warmherzig mit der Geschichte und dem Job von Lena Morgenroth, einer sehr selbstbewussten, sehr sympathischen Berliner SEXarbeiterin, befasst und sie mit wundervollen Bildern in Schwarz-Weiß auf Zelluloid verewigt.
|
Lena Morgenroth. | © 2015 SEXarbeiterin
|
SEXarbeiterin begleitet die studierte Informatikerin "über mehrere Monate hinweg durch ihr Leben, bei ihrer Arbeit und im 'ganz normalen' Alltag. Dabei entstand ein vielseitiges menschliches Porträt (...) im Kontext von Familie, Freunden und Partnerschaft, als Teil der erstarkenden politischen Bewegung der selbstbestimmten Sexarbeiter_innen und bei ihrer tatsächlichen Sexarbeit." (Quelle: partisan-filmverleih.de)
Zum Anfang und zum Schluss zeigt Swobodnik (der außer als sein Regiesseur und Buchautor auch als sein eigener Kameramann fungierte) eine aus je unterschiedlicher Perspektive gesichtete Sexszene, wo Lena Morgenroth an ein und derselben Kundin ihre Massagekunst verübt. Wir werden Zeuge eines ziemlich stark auf Ausgleich aus seienden Akts. Fast drängt sich das Gefühl beim Sehen auf, es könnte sich in diesem Fall womöglich gar um einen Liebesakt gehandelt haben.
Dieses Grundgefühl und diese Grundstimmung (im Film) hat schon Konstanz, will sagen: Lena Morgenroth macht all das, was sie macht, wohl gern. Sie macht es, weil sie es halt machen wollte, und sie macht es, weil sie Spaß und Freude an dem Allen hat - solange ihr Prinzip auch von den anderen (den Kunden ihrer Sexarbeit) beachtet bleibt: "Sie kaufen nicht meinen Körper, sondern meine Dienstleistung."
Wir sehen und hören sie dann immer wieder ihre Kundenliste durchgehen, sie führt akribisch Arbeitstagebuch, wo sie die Vorlieben oder Besonderheiten ihrer (überwiegend männlichen) Kunden notiert; auch stehen dort "Problemfälle" vermerkt, das können übergriffige Versuchungen und stalkermäßiges Auffälligsein gewesen sein, um nur zwei Beispiele zu nennen; also ganz so harmonieträchtig und reibungslos scheint der Beruf dann doch nicht zu verlaufen - was jedoch, gefühlter Maßen, meistens nicht mit ihr sondern mit jener (später wegblockierten) Kundschaft irgendwie zu tun gehabt hätte.
|
Lena Morgenroth telefoniert mit einem ihrer Kunden. | © 2015 SEXarbeiterin
|
Lustig auch: Sie und ihre Schwester Thekla Morgenroth erinnern sich daran, wie Lena sich in der Familie nach und nach als Sexarbeiterin geoutet hatte; vorher wussten "alle" irgendwie zwar schon, dass sie in einer offenen Beziehung leben würde und SM-Erfahrungen besäße (ihre Mutter wüsste gleich von Anfang an und über "alles" insgesamt Bescheid und tolerierte es sofort!) - doch dann zwei Beispielsätze von der Oma:
"Machst du denn das zu Hause?"
"Und kannst du davon leben?"
Lena heftet unterschiedliche Belege oder Kontoauszüge in ihren "Einnahmen"-Ordner ab...
Sie sitzt bei einem Sexarbeitskongress zwischendurch am Empfang und bewacht die Teilnehmer-Garderobe...
Sie tritt selbst als Rednerin und Wortführerin in Veranstaltungen und Versammlungen auf...
[Im Film ist auch ein Video zu sehen, wo sie (mit zwei anderen Frauen) eine öffentliche Buch-Vorstellung von Alice Schwarzer protestierend torpediert - ihr Plakat hat die Losung "Mein Bauch gehört mir." - und von der Polizei des Saales verwiesen wird.]
Sie strickt an einem Strumpf...
Sie bohrt im Bad mit einer Bohrmaschine Löcher...
Sie duscht sich...
Sie klettert an einer Kletterwand...
Sie sucht nach einer Zweitwohnung für ihre Sexarbeit...
Sie lässt sich - wahrscheinlich für Werbefotos - fotografieren...
Sie wechselt das Spannlaken auf ihrer Schlaraffiamatratze...
Sie verweilt in einem Tonstudio und spricht ins Mikrofon...
Sie hat eine süße, kleine Katze (Nahaufnahmen).
* * *
Zwischen den einzelnen Film-Akten und vorm Filmabspann ist die Sängerin Ines Theileis mit einem Song (Musik von Elias Gottstein, nach einem Text von Lena Morgenroth) zu hören und, am Ende, zu sehen.
Schöner Film.
|
Lena Morgenroth berichtet über sich und ihren Job. | © 2015 SEXarbeiterin
|
Andre Sokolowski - 9. März 2016 ID 9193
SEXarbeiterin (D 2016)
Mit: Lena Morgenroth, Thekla Morgenroth u.a.
Buch, Regie, Kamera: Sobo Swobodnik
Ton: Eckhard Geitz
Sounddesign, Tonmischung: Alexander Heinze
Montage: Manuel Stettner
Musik, Komposition: Elias Gottstein
Liedtext: Ines Theileis, Lena Morgenroth
Gesang: Ines Theileis
Colorist: Nadir Mansouri
Produzent: Sobo Swobodnik
Produktion: Guerilla Film Koop. Berlin
Weitere Infos siehe auch: http://www.partisan-filmverleih.de/filme/sexarbeiterin/
http://www.andre-sokolowski.de
DOKUMENTARFILME
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Rothschilds Kolumnen
BERLINALE
DOKUMENTARFILME
DVD
EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM Reihe von Helga Fitzner
FERNSEHFILME
HEIMKINO
INTERVIEWS
NEUES DEUTSCHES KINO
SPIELFILME
TATORT IM ERSTEN Gesehen von Bobby King
UNSERE NEUE GESCHICHTE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|