Hinter den Fassaden
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A World Not Ours (GB/DK/RL 2012)
Bewertung:
Mit einiger Verspätung - nämlich 18 Monate, nachdem der Film des dänischen Dokumentarfilmers Mahdi Fleifel hochverdient den Friedensfilmpreis der Heinrich-Böll-Stiftung auf der BERLINALE 2013 gewonnen hat - ist das wichtige Werk in einigen deutschen Kinos zu sehen. Fleifel zeigt ausschnitthaft anhand einiger ausgewählter Schicksale das Leben dreier Generationen im palästinensischen Flüchtlingslager Ain el-Helweh im Süd-Libanon, in dem er selbst Teile seiner Kindheit verbracht hat. Die flüssig und abwechslungsreich geschnittene Collage aus aktuellen Aufnahmen und Kindheits- und Jugendvideos aus den Achtziger Jahren illustriert auf eindringliche Weise die größtenteils menschenunwürdigen Lebensumstände, unter denen mehr als 60.000 Menschen auf einem Quadratkilometer seit über 60 Jahren zusammenleben müssen. Dank der Sensibilität des Regisseurs für die Absurdität der Situation und dem fatalistischen Humor seiner Gesprächspartner unterhält der Film durchgängig, ohne dass die allgemeine Perspektivlosigkeit, Verzweiflung und Resignation der Betroffenen verharmlost werden. Anders als bisher wird das Schicksal der Region über einen längeren Zeitraum mit starken autobiografischen Bezügen geschildert, also die Folgen von Politik personalisiert. Zugleich reflektiert Fleifel über den Vergleich der verschiedenen Schicksale auch die eigene Einstellung. Die dramaturgisch-konzeptionell nachvollziehbare und sinnvolle Fokussierung des Filmemachers auf die Palästinenser und der (von einem der im Film Interviewten) in die Kameras gesprochener Holocaust-Vergleich mit dem Flüchtlingselend der Palästinenser war für die Heinrich-Böll-Stiftung übrigens der Grund, sich von der Vergabe des Friedensfilmpreises an Fleifel zu distanzieren. Die Hasenfüßigkeit der Mitglieder einer ansonsten renommierten Institution vor dem Entscheid der – gottlob unabhängigen – Jury demonstrierte auf ernüchternde Weise, wie eine missverstandene politische Ausgewogenheit auch auf kulturelle und ästhetische Fragen anzuwenden versucht wird – und verweist außerdem auf eben jene Untugend des moralischen Besserwissens, die der Film anprangert.
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A World Not Ours | (C) Eurozoom
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Anderson (D 2014)
Bewertung:
Erstmals nach vielen Jahren äußert sich der Dichter Sascha Anderson offenherzig vor der Kamera über seine Doppelexistenz als gefeierter Ostberliner Szeneschriftsteller und gleichzeitiger Stasi-Spitzel, der für den DDR-Geheimdienst ausführliche Berichte über die Künstlerkreise verfasste, in denen er Ende der Siebziger bis Mitte der Achtziger Jahre im Bezirk Prenzlauer Berg verkehrte. Das scheinbar abgegraste und schimmelige Thema wird kurzweilig und einsichtsvoll aufbereitet. Eine direkte Konfrontation mit den ehemaligen Freunden, die er verriet, gibt es – aus welchen Gründen auch immer – nicht. Stattdessen behilft sich die Regisseurin mit einer wunderbaren Idee, um Anderson aus der Reserve zu locken: Annekatrin Hendel lässt den wichtigsten Originalschauplatz der damaligen Geschehnisse – die Wohnküche eines Künstlerehepaares aus dem Prenzlauer Berg – im Babelsberger Filmstudio eins zu eins nachbilden und setzt den Dichter dort quasi wie in ein Versuchslabor hinein. Die nicht-wertende, zurückhaltende Art der Fragestellung lässt dem Porträtierten zu viel Spielraum, sich rationalisierend aus der Affäre zu ziehen. Erst die ergänzenden Aussagen der Exfreunde und -mitstreiter vervollständigen den kritischen Blick auf Anderson als Prototyp eines intelligenten, schlitzohrigen Selbstdarstellers, der nicht zuletzt aus Eitelkeit moralische Skrupel über Bord geworfen hat.
(Weitere Infos unter http://www.anderson-film.de)
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Anderson | (C) Edition Salzgeber
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Max-Peter Heyne - 25. September 2014 ID 8119
Post an Max-Peter Heyne
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