Filmstart: 19. Januar 2012
„J. Edgar“ (USA 2011)
Regie: Clint Eastwood
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Wissen ist Macht – Furcht bietet Chancen
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J. Edgar Hoover (1895 – 1972) war einer mächtigsten Männer der USA. Als ehrgeiziger Begründer des FBI überlebte er unbeschadet drei Kriege und acht Präsidenten. Er war nicht nur bei Verbrechern gefürchtet, sondern hatte auch einflussreiche Politiker am Gängelband, denn er war der Begründer von einschlägigen Personenkarteien. Mit dem dort gespeicherten Wissen setzte er skrupellos seine eigenen Ziele durch, von denen er glaubte, sie seien zur Sicherheit des Landes nötig, was aber zunehmend in eine Paranoia ausartete. Dass seine erpresserischen Methoden durchaus kriminell waren, sah er nicht so. Er rechtfertigte das mit dem Sicherheitsbedürfnis des Landes, dem er fast unter Aufgabe seines eigenen Lebens diente. Das Motto seiner Handlungen war: Wissen ist Macht, und Furcht bietet Chancen. Das brachte ihm Achtung und Ablehnung ein. Da er dermaßen in seiner Arbeit aufging, weiß man nur wenig über den Menschen, der dahinter stand. Sein Privatleben hat er geschützt, aus gutem Grund. Er wusste nur zu gut, wie angreifbar Menschen mit einem Geheimnis sind.
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Mutters ganze Hoffnung: Anne Marie Hoover (Judi Dench) zählt auf ihren Sohn J. Edgar (Leonardo DiCaprio) © Warner Bros. Pictures Germany
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Der Drehbuchautor Dustin Lance Black (Oscar für Milk) hat auch nur wenig Konkretes zu Hoover gefunden. Es ging ihm dabei nicht so sehr um dokumentarische Fakten, sondern darum, sich dem Menschen Hoover zu nähern. Das ist bei J. Edgar mit dem fantastischen Drehbuch und der einfühlsamen Regie Clint Eastwoods gelungen. Im Film diktiert der gealterte Hoover (Leonardo DiCaprio) seine Memoiren und blickt auf sein Leben zurück, das in Rückblenden erzählt wird. Die Abweichung von seiner Sichtweise und der Realität sind subtil und manchmal sogar mit Humor gewürzt. Hoover biegt sich in seinen Memoiren die Dinge nur teilweise bewusst zurecht, manchmal weist sein Selbstbild blinde Flecken auf. Clint Eastwood erklärt zu seinen Absichten: “Es geht um Beziehungen, um intime Interaktionen zwischen Hoover und den Menschen in seinem Umfeld: seine engen Verhältnisse zu Clyde Tolson, Helen Gandy und seiner Mutter – aber auch seine Beziehung zu Robert Kennedy und anderen bekannten Politikern, sogar Präsidenten. Wenn es sich nur um eine filmische Biografie handeln würde, hätte sie mich wohl nicht interessiert. Ich schätze eher Filme, die Beziehungen zeigen, ich lote gern aus, warum Menschen bestimmte Dinge tun““
Für den Darsteller des J. Edgar Hoover war das eine große Herausforderung. Eastwood hat die Rolle mit Leonardo DiCaprio besetzt, der Hoover im Alter von Mitte 20 bis Mitte 60 spielt. Die Rückblenden beginnen 1919 mit dem Aufkommen des Bolschewismus in den USA, der Hoover nachhaltig geprägt hat. DiCaprio meint: „Selbst als alter Mann war J. Edgar Hoover vom Kommunismus immer noch derart besessen, dass er nicht merkte wie sich später die Dinge durch die Bürgerrechtsbewegung zum Besseren wandelten. Im Gegenteil: Er erlebte das als einen Aufstand mit dem Potenzial zerstörerischer Dynamik. In diesem Moment verlor er den Bezug zur Realität und konnte die wahre Entwicklung in unserem Land nicht mehr beurteilen.“
Genau dies war das Feindbild, über das sich Hoover definierte und mit dem er seine, teils kriminellen Handlungen, rechtfertigte. An seiner Seite stand ihm seine treu ergebene Sekretärin Helen Gandy (Naomi Watts) und sein engster Mitarbeiter Clyde Tolson (Armie Hammer). Tolson und Hoover nahmen ihre Mahlzeiten gemeinsam ein, sie verbrachten Urlaube zusammen, so dass eine homosexuelle Neigung Hoovers angenommen werden kann. Im Film wird nur spekuliert, da man die Fakten nicht eruieren konnte. So wie Hoover im Film dargestellt wird, wäre es ihm durchaus zuzutrauen, diese Neigung nie ausgelebt zu haben. Clint Eastwood begnügt sich damit, eine sehr enge Beziehung zu inszenieren, die den Zuschauer starken Anteil an den unterdrückten Sehnsüchten und nicht gelebtem Leben nehmen lässt.
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Lebenslange Männerfreundschaft J. Edgar Hoover (Leonardio DiCaprio) mit seinem „Mitarbeiter“ Clyde Tolson (Armie Hammer) © Warner Bros. Pictures Germany
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Hoover war ein Muttersöhnchen. Sein Vater war psychisch krank und konnte nicht die Karriere machen, die seine Frau Anne Marie Hoover (Judi Dench) für ihn vorgesehen hatte. Folglich setzte sie alle Hoffnungen auf ihren Sohn, der auch alles tat, um den Forderungen der Mutter gerecht zu werden. Er lebte bis zu seinem 43 Lebensjahr mit ihr zusammen und konnte ihren Tod nur schwer verwinden. Sie ist auch die treibende Kraft als 1932 das Baby von Charles Lindbergh entführt wird. Lindbergh war der erste Mensch, der im Alleinflug den Atlantik überquert hat, und genoss einen Heldenstatus. Die Entführung seines kleinen Sohnes erregte viel Aufsehen und Anne Marie Hoover sah in der Lösung des Falles durch ihren Sohn eine ungeahnte Aufstiegsmöglichkeit für ihn. In der Tat gelang es Hoover, aufgrund der Lindbergh-Entführung Gesetze durchzusetzen, die nicht nur länderbezogen, sondern bundesweit galten und seinen Machtbereich ausdehnten. Was dazu diente, Verbrechen zu bekämpfen, ist oft aber auch eine Einschränkung der persönlichen Freiheit unbescholtener Bürger. Dazu gehörten die Klassiker wie Überwachungen, das Abhören durch Telefonwanzen und andere Eingriffe. Darin liegt auch der äußere Widerspruch bei Hoover. Er handelte angeblich für demokratische Werte, die er mit äußerst undemokratischen Mitteln durchsetzen wollte.
Clint Eastwood polarisiert in seinem Film aber nicht. Er lässt Hoover sich selbst entlarven durch die Widersprüche in seinen Absichten und Handlungen. Wer Parallelen zur Jetztzeit ziehen will, findet möglicherweise Erklärungen für die Mechanismen, die bei einem inadäquaten Sicherheitsbedürfnis ablaufen, die nicht nur den Menschen dienen, sondern oft politischen Machtinteressen. Aber das zählt nicht wirklich bei einem filmischen Meisterwerk, das Clint Eastwood besonnen und sensibel auf die Leinwand gezaubert hat.
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Helga Fitzner - 30. Januar 2011 (2) ID 5724
Weitere Infos siehe auch: http://www.J-Edgar.de
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