Schwarzes Schaf
befriedet Herde
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Bewertung:
„Jeder von uns ist ein Priester Jesu." Der 20jährige Gewaltverbrecher Daniel ist empfänglich für diese Botschaft. Sie ist Teil der Predigt eines Priesters in einer Warschauer Jugendstrafanstalt. Der Straftäter schöpft im Arrest Hoffnung. Als Messdiener der Gefängnis-Gottesdienste verinnerlicht er spirituelle Religiosität. Der mutmaßlich geläuterte Mörder kommt bald auf Bewährung frei. Hat er eine Chance trotz seiner Vorstrafen Vergebung zu erlangen? Daniel gibt sich in einem kleinen Dorf im Südosten von Polen erfolgreich als Pater aus.
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Corpus Christi (2019; polnisches Orig. Boże Ciało) fokussiert in festen Einstellungen mit unbewegten Großaufnahmen das vitale Gesicht des Hauptdarstellers Bartosz Bielenia. Seine Figur ist beseelt von der Idee der Güte, Gnade und des Potenzials Gottes. Das Drama des 1981 geborenen polnischen Regisseurs Jan Komasa war 2020 Kandidat bei der Oscar-Auswahl als bester internationaler Film. Der polnische Film unterlag in dieser Kategorie gegenüber dem südkoreanischen Thriller Parasite, der eine Vielzahl der Academy Awards abräumte; vielleicht zu Unrecht.
Es ist ein ungemein packender Film über eine konservativ frömmelnde, hartherzige Dorfgemeinschaft, die christliche Tugenden wie Vergebung schon lange nicht mehr lebt. Als Hochstapler gestaltet Daniel bald voller Elan und mit intuitiven Methoden improvisierte und unkonventionelle Messen. Er predigt auf Augenhöhe. Da heißt es schon mal lässig: „Auch Stille kann ein Gebet sein!“ Indem Daniel eigene Zweifel, Ängste und Erfahrungen des Ausgestoßenseins in seine Predigten verarbeitet, führt er die kleine Gemeinde langsam wieder zu Mitgefühl und zum Glauben zurück. Daniel hat auch keine Angst Neues zu wagen, anzuecken und etwa den Bürgermeister vor den Kopf zu stoßen. Die Kirchenbänke füllen sich. Der neue Seelsorger, der zunächst noch irritierte, gewinnt bald das Vertrauen der Gemeinde. Zusammen mit der jungen Marta (auch als Sängerin während eines Gemeindefestes bemerkenswert: Eliza Rycembel) kommt Daniel bei Hausbesuchen einem nicht ganz verarbeiteten Dorfunglück auf die Spur. Er tröstet und regt zum Nachdenken über moralische Werte an. Doch der vorgebliche Pater Tomasz, dem das Priestergewand so gut steht, wird schnell von der eigenen Vergangenheit heimgesucht.
Corpus Christi beruht auf einer wahren Begebenheit. 2011 gab sich ein 19jähriger drei Monate lang im polnischen Dorf Budziska erfolgreich als Priester aus. Drehbuchautor Mateusz Pacewicz schrieb damals einen Artikel über diesen Fall, der schließlich den Film inspirierte. Viele Szenen, wie insbesondere auch der Schluss, muten realitätsnah an.
Bartosz Bielena mimt die Hauptfigur mit wachem Blick. Seine Figur versucht eifrig, impulsiv und charismatisch als religiöser Führer zum Gemeinwohl beizutragen. Doch findet er für sein Engagement schlussendlich auch eine Heimat oder gar Vergebung bei den Dorfbewohnern? Bielena wurde für seine Rolle 2020 u.a. als European Shooting Star ausgezeichnet.
Jan Komasa schuf ein ergreifendes Gesellschaftsporträt und einen mutigen Film über die in Polen stets noch sehr präsente katholische Kirche. Neben zahlreichen Auszeichnungen erhielt das Drama beim polnischen Filmpreis 2020 elf von 15 möglichen Preisen. Die DVD bietet ein aufschlussreiches Making-Of mit Interviews mit dem Regisseur, dem Hauptdarsteller und dem Ensemble.
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Ansgar Skoda - 30. März 2021 ID 12842
Weitere Infos siehe auch: https://arsenalfilm.de/corpus-christi/
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