Schwuler
Serienmörder
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Bewertung:
Rosa von Praunheims Drama Darkroom – Tödliche Tropfen (2019) ist inspiriert von einem wahren Kriminalfall. Das Drama zeichnet fragmentarisch mit Rückblenden das Psychogramm eines Mörders, ist zeitweise jedoch auch Krimi und Gerichtsfilm. Die teilweise kammerspielartige Inszenierung und die Themen Gewalt und frühkindliche autoritäre Prägung erinnern an Rosa von Praunheims mehrfach ausgezeichneten Kinofilm Härte (2015). Die beiden Hauptdarsteller Božidar Kocevski und Heiner Bomhard agieren zum ersten Mal in einem Kinofilm, waren jedoch auch am Deutschen Theater gemeinsam in einer Inszenierung von Rosa von Praunheim zu sehen.
Der Täter heißt im Film Lars Schmieg. Božidar Kocevski verkörpert den kühlen, undurchsichtigen und emotional unberührten Serienmörder, der im Frühjahr 2012 in Berlin drei Männer umbrachte. Lars wird zu Beginn in der sterilen Isolierhaft gezeigt. Wegen Suizidalität hat man ihn im Bett liegend fixiert. Der Mittdreißiger erinnert sich an die Vergangenheit. Als Kellner in einem Schwulenclub in Saarbrücken lernte er seinen langjährigen Lebenspartner Roland (Heiner Bomhard) kennen. Roland trat hier mit einer Band auf. Sie haben fortan eine liebevolle, fürsorgliche und offene Beziehung. Wir sehen Lars und Roland beim Einrichten der ersten gemeinsamen Wohnung in Berlin. Später sehen wir Lars beim Cruisen in einem Park, wo er beim anonymen Sex mit der Wirkung von K-o-Tropfen in Kontakt kommt. Er erfährt, dass im Internet günstig beschaffbarer Felgenreiniger als Party-Droge Liquid Ecstasy oder als K-o-Tropfen verwendet wird und zusammen mit Alkohol eine tödliche Wirkung hat. Später testet er die Wirkung an Bekannten und Zufallsbekannten.
Der Film nimmt oft den Blickwinkel des Täters ein, etwa in stark stilisierten Szenen, wenn Traumsequenzen übersteigert werden. So wird Lars' Eindruck von der Staatsanwältin (Katy Karrenbauer) übertrieben ins Irreale verzerrt und überzeichnet, wenn sie ihm als Tatmotive Narzissmus, Habgier und Sadismus attestiert. Nachgespielte Zeugeninterviews im Gerichtssaal der Hauptverhandlung wechseln mit Rückblenden zum Tathergang oder Lars irrealen Vorstellungen. Ungewöhnliche Szenen lockern den Film auf, etwa wenn Lars und der Ukulele spielende Roland durch eine Urnenbegräbnisstätte dem Grab eines jung verstorbenen Freundes entgegengehen.
Der unchronologisch erzählte Film beruht auf dem realen Fall von Dirk P., der von 26. April bis 5. Mai 2012 in Berlin drei Männer tötete, indem er ihnen giftige K.-o.-Tropfen oder "Liquid Ecstasy" verabreichte. Zwei dieser Morde geschahen im Darkroom einer Bar für schwule Männer. Bei zwei weiteren Opfern hatte er es versucht. Dirk P. war zur Tatzeit 38jährig, Grundschulreferendar, gelernter Rettungssanitäter und Krankenpfleger. Die Anklage warf dem Täter als Hauptmotiv Habgier vor, da er alle Opfer beraubte. Dirk P. wurde 2013 zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Rosa von Praunheim hält sich in Darkroom nah an der Realität, obwohl im Film alle Namen geändert wurden. Es heißt im Vorspann, Darkroom sei »frei bearbeitet nach einer wahren Begebenheit«. Dirk P. hatte auch wie der Lars in dem Film Dokumente gefälscht, um sich einen Studienplatz erschleichen zu können. Der Dreifachmörder nahm sich nach mehreren Versuchen im März 2014 in einer Berliner Haftklinik das Leben.
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Im Bonusmaterial gibt es einen etwa 35minütigen, recht interessanten Film, Making of Darkroom. Dieser ein Making of ankündigende Titel ist jedoch irreführend. Es handelt sich hierbei nämlich einzig um ein Interview mit der Gerichtsreporterin Uta Eisenhardt, die den Gerichtsprozess 2012 begleitete. Eisenhardt wirkte als Co-Autorin am Drehbuch mit. Darkroom stützt sich maßgeblich auf ihre Prozessprotokolle. Die Buchautorin und Reporterin wird während des Gesprächs in kurzen Szenen auf ihrem Hausboot gezeigt. Sie äußert sich nur in wenigen Sätzen zum Fall von Dirk P. Eisenhardt spricht vor allem allgemein über ihr Interesse als Gerichtsreporterin, ihren Werdegang, seltene und besondere Fälle und den Umgang vor Gericht mit Schwerverbrechern.
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Der Ukulele spielende Roland (Heiner Bomhard, Mitte) ahnt nicht, dass in seinem Schwarm kriminelle Energien brodeln | Foto © Missing Films
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Ansgar Skoda - 30. Dezember 2020 ID 12676
Weitere Infos siehe auch: https://www.missingfilms.de/index.php/filme/14-filme-katalog/289-darkroom-toedliche-tropfen
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