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DVD-Kritik

Vexierspiel

Familienauflösung



Bewertung:    



Die Leinwand wird sekundenlang schwarz. An den Rändern zeichnen sich Bewegungen ab. Die Kamera löst sich vom Stoff und verändert, langsam zurückfahrend, den Winkel. Die dunkle Jacke auf dem Rücken der Hauptfigur Jan (Mark Waschke) wird erkennbar. Er rudert in angestrengten Bewegungen auf einem Fluss.

Das atmosphärische Drama Der menschliche Faktor (nun auch auf DVD erhältlich) spielt mit ungewöhnlichen Kameraeinstellungen und der Verunsicherung des Zuschauers. Der Italiener Ronny Trocker war mit dem Film, für den er auch das Drehbuch schrieb, 2021 für den Großen Preis der Jury auf dem Sundance Filmfestival nominiert, bei dem das Drama erstmals gezeigt wurde.

Gleich zu Beginn thematisiert Der menschliche Faktor eine bedrohliche Situation im Wochenendhäuschen in einem Ort an der belgischen Küste. Eine Frau, Nina (Sabine Timoteo), schreit erschrocken, eine Tür fällt zu, auf einer Treppe hören wir hastige Schritte. Einbrecher ergreifen die Flucht, scheinbar ohne etwas mitzunehmen. Familienvater Jan hört den Hilferuf seiner Frau. Er telefoniert jedoch angeregt weiter, ohne seiner Familie zur Hilfe zu eilen. Zu dieser mysteriösen Ausgangssituation kehrt Der menschliche Faktor zeitlich regelmäßig zurück, um unterschiedliche Blickwinkel während der Situation zu bebildern. Das spannende Drama zeigt dabei unnahbare Figuren, deren Handeln teils üblichen Konventionen zuwiderläuft.

Jan würde nach dem Einbruch gerne zurück nach Hause fahren. Doch seine pubertierende Tochter Emma (Jule Hermann) ist am nächsten Tag mit einer Freundin verabredet. Auch ist das Haustier seines Sohnes Max (Wanja Valentin Grube) plötzlich spurlos verschwunden, die Ratte Zorro. Die Stimmung zwischen den beiden Eltern ist ohnehin angespannt. Sie sind gemeinsame Inhaber einer Werbeagentur. Nina missfällt, dass Jan, ohne sie einzuweihen, die Leitung einer Wahlkampagne für eine Partei zusagte. Sie überlegt gekränkt, misstrauisch und lakonisch, aus der Agentur auszusteigen. Ähnlich fragil erscheint mitunter die Zukunft und Zusammengehörigkeit der kleinen Familie. Die Angehörigen geraten aneinander, wenn etwa der Sohn seinen Vater bezichtigt, feige nichts gegen die Einbrecher unternommen zu haben. Einige Tage später fliegen Farbbomben an die Fassade der Agentur. Nina bewahrt die Nerven, während Jan sichtlich ausrastet.

Die bewegte Handkamera von Klemens Hufnagl fängt während des Dramas in kühlen Bildern unterschiedliche Perspektiven und Details ein. Interessant ist hier, dass Ronny Trockner seine Geschichte über fünf unterschiedliche und fragmentierte Sichtweisen erzählt, die jedoch nicht immer konsequent durchgehalten sind.

Bewusst werden auch falsche Fährten setzt. Vieles bleibt vage in Der menschliche Faktor, da zeitliche und lokale Sprünge verunsichern. Spannende Ideen werden nicht weiterverfolgt und es ergeben sich offene Fragen. Die Darsteller tragen jedoch überzeugend die Spannung des ungewöhnlichen Familiendramas über innerfamiliäre Entfremdung und Sprachlosigkeit. Im übertrieben verschachteltes Verwirrspiel lohnt es sich so stets, genau hinzuschauen.
Ansgar Skoda - 26. Juni 2023
ID 14267
Weitere Infos siehe auch: https://lighthouse-film.com


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