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DVD-Kritik

Brüderchen liebt

Schwesterchen

grenzenlos



Bewertung:    



Es könnte alles so harmonisch sein: Gutaussehende junge Menschen in schöner, weitreichender spanischer Landschaft bei sommerlich warmen Wetter. Das Meer ist fünfzehn Minuten Autofahrt entfernt und ein versteckter, menschenleerer Strand atemberaubend schön. Ein Aussteiger-Idyll: Eine Telefonleitung gibt es nicht. Für eine mögliche Telefonverbindung muss die Titelheldin auf eine mitten auf der einsamen Gartenfläche aufgestellte hohe Leiter steigen. Zu Filmbeginn ist die Atmosphäre mediterran, sonnendurchflutet und erwartungsfroh.

Wäre da nicht der schweigende, in sich gekehrte, unheimliche Moi (Ricardo Gómez). Seine Schwester Mía (Bruna Cusí) wartet anfangs sehnsüchtig am Gutseingang auf ihn, trinkt vor der Begrüßung aufgeregt ein Glas Wein. Sie zuckt erschrocken zusammen, als das Auto einfährt. Er tritt ihr langsam, bedächtig mit betreten nach unten gerichtetem Gesicht entgegen. Sie läuft auf ihn zu. Die Umarmung zwischen den Geschwistern ist eine Spur deutlich zu lang und zu intensiv. Mía begrüßt Mois Lebensgefährten Biel (Eneko Sargadoy) etwas weniger enthusiastisch, wobei beide schnell miteinander warm werden.

Mía suchte für sich im Vorfeld im Haus der verstorbenen Eltern das Doppelbett aus und teilt Moi und seinem Freund die beiden, durch Nachttischschrank getrennte engen Einzelbetten im Nebenzimmer zu. Ein Wink mit dem Zaunpfahl? Wenn sich Mois Lebensgefährte Biel Sex wünscht, lässt Moi ihn zweimal nach kurzem Vorspiel abblitzen. Anspannung liegt in der Luft. Am Morgen findet Biel Moi neben Mía in deren Doppelbett liegen.

Bald jedoch kündigt sich Mías Exfreund Mikel (Joe Manjón) an, von dem Mía beinahe ein Kind erwartet hätte. Die Schwester warnt ihren, sich selbst eingeladenen Ex-Freund mehrfach: „Moi ist hier, du kannst hier nicht bleiben.“ Offensichtlich hat sie Angst vor Reaktionen des Bruders auf den plötzlichen Gast, den Moi bereits „Dreckskerl“ nannte. Der noch von einem Autounfall verletzte Mikel meint jedoch, er könne nach der langen Hinreise zu ihr nicht wieder heimfahren.

Er neckt Moi vorbeigehend: „Der schöne Bruder“. Der lebenslustige Mikel nimmt die Enge und ausgrenzende Energie zwischen den Geschwistern nicht ernst und übergeht geflissentlich die innige Geschwister-Vertrautheit. Man sollte die beiden „Problemo“ und „Traumata“ nennen, so Mikel gutgelaunt zu Biel. Er bittet Moi später verschwörerisch im Bad, seine Wunden am Ober- und Unterkörper mit Salbe zu versorgen, ansonsten würde er Mía fragen. Prompt trägt Moi nach kurzem Überlegen die Salbe auf, während Mikel sichtlich schwer atmet.

Während sich die anderen draußen aufhalten, liegt Moi bald zusammengekrümmt, mit angewinkelten Beinen angezogen auf seinem gemachten Bett. Er nimmt bald nicht mehr seine Psychopharmaka ein. Ein mögliches Trauma der Kindheit bleibt filmisch stets im Nebulösen, da keine Rückblenden gezeigt werden. Innerfamiliäre Konflikte aus der Jugend werden nur angedeutet. Dem eigenen Freund erzählt er, seine Schwester habe den Vater schon als Elfjährige mit einer Gabel bedroht. Mois Beschützerinstinkte waren so schon früh geweckt. Den Vater schneidet Moi aus den Familienfotos heraus. Sichtlich belustigt lobt Mikel die daraus entstandene Collage und fragt streitlustig, ob Moi ihn oder den Vater mehr hasse. Mia erzählt Biel am Strand, die Mutter soll ein Hippie gewesen und mit den Kindern im Meer stets nackt baden gegangen sein, bevor der Vater einmal dazukam. Just rennt Moi, der das gehört hat, schreiend weg und bricht am Strand zusammen.

Die Eifersucht des Bruders auf den Liebhaber der Schwester ist bald so schrankenlos wie der Hass auf den Vater. Wenn Mikel Moi mit der Krankhaftigkeit seiner Eifersucht konfrontiert, schreit dieser wild auf und bekommt einen Anfall. Biel fällt es zunehmend schwer, seinen Lebensgefährten zu trösten.

Zuletzt gibt es eine Katastrophe. Obwohl diese sich im Filmverlauf bereits ankündigte, ist es erschreckend, wie plötzlich und schnell sie sich vollzieht. Auch ist ärgerlich, wie wenig erwachsen und verantwortungsvoll alle reagieren. Spätestens ab diesem Punkt wird das Drama unerträglich, denn es ist schwierig, Menschen mit psychischer Erkrankung als Urheber von so viel Unheil auszustellen.

*

Borja de la Vegas Debütfilm Mía & Moi beeindruckt durch starke Bilder, gute Akteure und eine langsam immer bedrohlicher werdende Story. Zu „guter“ Letzt driftet sie leider etwas zu sehr ins Unglaubwürdige ab.

Das Drama zeigt gegen Ende einen Blickwechsel zwischen Moi und Mia. Moi lächelt gelöst und anhänglich. Mias Blick ist erst freudvoll, bald zaghaft, abschätzig und ein bisschen traurig. Ihr Lächeln ihm gegenüber mutet plötzlich etwas hilflos und gekünstelt an. Wahrscheinlich wird auch ihr langsam der überbordende Beschützerinstinkt des Bruders unheimlich.

Ansgar Skoda - 23. August 2022
ID 13763
Weitere Infos siehe auch: https://www.gmfilms.de/Mia%20und%20Moi


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