Grautöne
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Bewertung:
Eigentlich wollte das FBI die auf einer wahren Geschichte beruhenden Geschehnisse unter den Tisch kehren, aber dann schrieb Ron Stallworth ein Buch darüber, das von Spike Lee jetzt auch noch verfilmt wurde. Stallworth war Anfang der 1970er Jahre der erste schwarze Polizist im Colorado Springs Police Department und wollte beweisen, dass er ein genauso guter Cop sein kann wie seine weißen Kollegen. Zunächst verwaltet er Akten im Archiv, aber dann wird er als Undercover-Agent bei Treffen der Black Power Bewegung eingesetzt. Er fühlt sich nicht wohl dabei, seine eigenen Leute zu bespitzeln, aber es soll ja zu deren Schutz sein. Als der Verdacht aufkommt , dass der Ku-Klux-Clan einen Anschlag verüben will, schlägt seine Stunde, und so nimmt der schwarze Ermittler Kontakt zu den weißen Rassisten auf. Er ist am Telefon so überzeugend, dass er zu einem Treffen eingeladen wird, und nun muss improvisiert werden. Sein weißer Kollege Flip Zimmerman übernimmt seinen Part bei den Treffen.
Regisseur Spike Lee gehört zu den führenden Vertretern des New Black Cinema, das sich in den 1980er Jahren etablierte, und mit seinem Film Malcolm X schrieb er 1992 Filmgeschichte. Bei ihm stehen afro-amerikanische Bürgerrechtsthemen im Vordergrund, und er setzt sich kritisch mit gesellschaftspolitischen Problemen wie fehlende Gleichberechtigung und Rassismus auseinander. Nun inszeniert er die unglaubliche Geschichte von Ron Stallworth (John David Washington, Sohn von Denzel W.), dem es als Schwarzem gelang, den Ku-Klux-Clan zu infiltrieren. Er bekam sogar Kontakt zu einem der führenden Köpfe des Clans David Duke (Topher Grace), der übrigens heute noch die Überlegenheit der weißen Rasse propagiert, antisemitische Parolen äußert und den Holocaust leugnet. Da Stallworth als Schwarzer („Afro-Amerikaner“ wurde erst später politisch korrekt) nicht persönlich auftauchen kann, übernimmt sein jüdischer Kollege Flip Zimmerman (Adam Driver) diese Rolle. Ein Schwarzer mit weißem „Avatar“!
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Flip Zimmerman (Adam Driver) mitten in einem Treffen des Ku-Klux-Clan mit David Duke (Topher Grace) | © Universal Pictures
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Die regionale Ku-Klux-Clan-Gruppe wird als ein Haufen seltsamer Individuen dargestellt. Mangelhaft Gebildete, Loser, völlig Verpeilte, aber auch ziemlich smarte Gestalten feiern ihre vermeintliche Überlegenheit, und so soll der weiße Stallworth alias der Jude Flip einen Judenlügendetektortest machen. Vertrauensselig ist die Gruppe nicht gerade, und neben Schwarzen hasst man Juden, Italiener, Asiaten, also im Prinzip alle Andersartigen. Flip schafft es, sich da heraus zu lavieren und punktet bei den Schießübungen, muss aber auch da aufpassen, nicht als Cop entlarvt zu werden. - Derweil trifft Stallworth sich immer öfter mit der schwarzen Bürgerrechtlerin Patrice Dumas (Laura Harrier), die er bei einer Kundgebung des berühmten Aktivisten Kwame True (Corey Hawkins) kennengelernt hat, die aber noch nicht weiß, dass er Polizist ist.
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Spike Lee hat aus dem Film eine ziemlich abenteuerliche Satire gemacht. Der Afro-Look aus den 1970er sieht heute allein schon krass aus, und die Absurdität der Situationen, in die vor allem Stallworth und Flip Zimmerman geraten, sind einfach herrlich. Stilistisch gesehen ist das Werk ziemlich bunt zusammengewürfelt und inszeniert. Am Anfang drehte er eine Szene, die an Vom Winde verweht erinnert, in der Scarlett O'Hara durch ein riesiges Lazarett mit Verwundeten Soldaten aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg läuft und damit auf die Sklavenbefreiung anspielt. Dann spielt Alec Baldwin den Rassisten Dr. Kennebrew Beaureguard bei Aufnahmen zu einem Propaganda-Video, bei dem er sich ständig verhaspelt. Das zeigt, dass Rassismus auch künstlich erzeugt wird, was auch bei dem Film Birth of a Nation der Fall war, einem Stummfilm aus dem Jahr 1915 von D. W. Griffith, der den Ku-Klux-Clan heroisierte und dadurch wiederbelebte. Lee zeigt einige Szenen aus dem problematischen Film, der technisch gut und anspruchsvoll gemacht ist, im Gegensatz zu vielen Propagandastreifen, und deshalb aus cineastischer Sicht hoch bewertet wird. Inhaltlich ist er äußert fragwürdig. Am Schluss zeigt Lee dann, etwas zu plakativ, rassistische Übergriffe aus der Neuzeit, Parallelen, die auch von allein offensichtlich gewesen wären. Lee ist die Spannung zwischen Schwarz und Weiß, sowie vielen Grautönen dazwischen, gut gelungen mit einer beeindruckenden schauspielerischen Leistung von Adam Driver und einem Wiedersehen mit dem wunderbaren Harry Belafonte. Ein gelungener Spagat zwischen unterhaltsamer Geschichtsstunde und geistreicher Satire. - In Cannes gab es 2018 dafür den Großen Preis der Jury.
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Helga Fitzner - 22. August 2018 ID 10861
Weitere Infos siehe auch: http://upig.de/micro/blackkklansman
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