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Bewertung:    



Was habe ich da eigentlich neulich als Kritiker unterschrieben? Bis gestern mittag durften keine Rezensionen zum neuen Stars Wars-Film erscheinen, na gut. Aber es ging wohl auch darum, dass man wie schon bei Episode VII keine Einzelheiten der Story bzw. das Schicksal der Hauptpersonen ausplaudern soll. Das ist für mich ohnehin selbstverständlich, denn ich mag selber auch überhaupt keine Kritiken, die hauptsächlich die Handlung eines Films wiedergeben. Ist natürlich einfacher, aber auch ein Stück weit Spielverderbertum. Also schon mal ein großes "Sorry" an jene, die wissen wollen, was wie wo mit Prinzessin Leia und Luke Skywalker passiert!

Was so alles passiert, kann man doch viel besser – wenn auch mit dem Risiko des Spoilerns – auf Wikipedia oder anderen Portalen nachlesen. Und gerade die Krieg der Sterne-Saga (man sieht, ich gehöre zur Generation, für die Episode IV die erste in ihrem Leben war) kann man leichter als andere Blockbuster vermitteln, ohne die einzelnen Plot Points zu verraten: Man lese den Mythos von König Artus und den Rittern der Tafelrunde, die Nibelungensaga, das Neue Testament, gerne auch Ödipus und Iphigenie, und informiert sich noch über buddhistische Ideen vom Kreislauf des Lebens und der Macht der Geistes über die Materie – dann kennt man die Grundzutaten des eklektizistischen Mythengeflechts, durch den uns der geniale Gründer des Stars Wars-Universums George Lucas seit nun mehr 40 Jahren geleitet.

Im achten, fast dreistündigem Teil Die letzten Jedi sind – um mal mit bildungsbürgerlichem Hintergrund zu protzen – die Burgunden noch nicht vollständig von den Hunnen überrannt! Denn mag auch Tausendsassa Siegfried (oder ist es eher Lancelot?) alias Han Solo in der vorigen Episode im Kampf gegen sein eigen Blut gefallen sein, so ist doch der große und mächtige Zauberer … von Oz?, Rumburak?, Merlin! alias Luke Skywalker noch im Besitz a ) der magischen Schriften der Jedi-Ahnen, b) des mächtigen Laserschwertes (alias Excalibur) und c) vor allem seiner telekinetisch-geistigen Kräfte, mit deren er dem missratenen Schwiegersohn, Kylo Ren (der vielseitige Adam Driver), Mores lehrt. Eine Lektion, die im Film spät, aber umso eindrucksvoller daherkommt, da Luke als guter Onkel nicht verhindern konnte, dass sein Meisterschüler, Han Solos und Prinzessin Leias Sohn, auf den Geschmack gekommen ist, lieber der dunklen Macht zu folgen.

Das ist das Faszinierendste an der ganzen Sternenkrieg-Saga und besonders dieser Episode: Abseits des ganzen – mittlerweile digital aufgepeppten – Karnevals, Schlachtengetümmels und Raumschiffgetöses, das mit dem eigenen Leben nichts zu tun hat, kann doch jede(r) Zuschauer(in) emotional an die Geschichte andocken, weil jede(r) so seinen/ihren Schlamassel mit der eigenen Mischpoche hat. Und die wesentlichsten, also ungeschminkten Figuren in Star Wars fechten ja nicht einfach einen Krieg der Sterne, sondern einen Familienkrieg mit Generationen- und Geschwisterkonflikten aus – von dem auch alle oben genannten Mythen leben.

Ein solch erfolgreiches, überzeugendes, stets unterhaltsames Zusammenspiel aus brachialer Action, märchenhaftem Personal, futuristischem Ambiente und einer mythisch-archaischer Grundierung gelang während des Siegeszuges der populären Massenkultur im Bereich Film außer Lucas eigentlich nur noch dem Star Trek-Enterprise-Erfinder Gene Roddenberry und dem Neuseeländer George Miller mit seinem Herr der Ringe-Epos, der aber über eine mächtige literarische Vorlage verfügte.

Ach so, ja, Handlung nicht ganz vergessen! Also: Drehbuchautor und Regisseur Rian Johnson knüpft mit Episode VIII nahtlos an den Vorgängerteil an, als die neue Heldin des Universums, die coole Rey (sporty-smarty Daisy Ridley) auf einem Archipel mitten im Nirwana Luke Skywalker (ernst und intensiv: Mark Hamill) aufspürt, der sich aufs mönchische Eremitendasein zurückgezogen hat. Der letzte Jedi-Ritter ist renitent und will in Ruhe gelassen werden, während die tapferen Rebellen um seine Schwester Leia (letzter, bewegender Auftritt von Carrie Fisher), den Superpiloten Poe (Oscar Isaac), den Kämpfer Finn (John Boyega), Riesenaffe Chewbacca (Peter Mayhew) und C-3PO (als einziger in allen Episoden dabei: Anthony Daniels) auf alarmierende Weise dezimiert werden. Zwar können die Rebellen gleich zu Beginn eines der durch ihre schiere Größe Furcht einflößenden Riesenraumschiffe der Weltallnazis um General Hux (Domhnall Gleeson) und den Obersten Führer Snoke (hinter einer Narbenmaske Andy Serkis, König der Motion-Capture-Charaktere) so zusammenschießen, dass die Schrotthändler des Universums jahrzehntelang ein Auskommen haben. Aber dann finden die First-Order-Truppen einen Weg, die mit Lichtgeschwindigkeit durchs All flitzenden Rebellen-Raumschiffe ausfindig zu machen. Und wo ist ein Scotty, wenn man ihn braucht?

Der um Hilfe gebetene Luke mag nicht mehr in die Schlacht ziehen – und das ist einer der wenigen, dramaturgischen Schwachpunkte des Films: Das kennt man ja, die müde gewordenen Helden, die sich erst zieren und lange bitten lassen wollen, nur um dann doch zu erkennen, dass sie unersetzlich sind und gebraucht werden. Jaja, die Leck-mich-doch-Attitüde des in sich gekehrten Luke hat gute Gründe, denn er zürnt natürlich sich selbst. Das aber wird im letzten Drittel des Films nachgereicht, und bis dahin hängt die Geschichte, wie ihn die rassige Ray rumkriegt, damit er sie zur richtigen Ritterin und potentiellen Nachfolgerin anlernt, ziemlich durch.

Naja, was man bei Star Wars "durchhängen" nennen kann – denn es geht bis auf kurze Ruhepausen schon richtig hart auf hart. Verfolgungsjagden, Materialschlachten und moderner Zehnkämpfe inklusive Laserschwertern, Zaubertricks und Ritten auf wilden Tieren wechseln sich in dichter Reihenfolge ab. Es fehlt aber wie so oft in dieser Reihe ein kräftiger, klar entwickelter Spannungsbogen. Die Kräfte des Guten gegen die Bösen, das hängt zwar 40 Jahre nun über allem, erzeugt aber keine besondere Spannung über zwei, drei Stunden. Dass die Rebellen ums nackte Überleben kämpfen, vertändelt sich, sobald neue Nebenfiguren und Planeten auftauchen.

Immerhin sorgen diese Figuren für den nötigen Witz und "kleinere" Action-Elemente, die Kurzweiligkeit beitragen. Neu im Portfolio sind diesmal eine kleine, patente US-Asiatin (Kelly Marie Tran), die Finn auf die Sprünge hilft und putzige Hüpfer, die eine Mischung aus Zwergpinguinen und Pekinesen sind. Sie gehören aber ebenso wie auch eine riesige Meeresmilchkuh (aua!) zu den eher albernen, um nicht zu sagen: lächerlichen Elementen dieses Teils.

"Autorenfilmer" Rian Johnson (darf man das in diesem Zusammenhang sagen, wo Urvater Lucas noch mit an den Fäden zieht?) bedient kein so einschichtiges Muster wie in der vorigen Episode. Das Lager der Guten erhält angesichts der großen Gefahr Risse, und auch im Lager der Bösen gibt es den einen oder anderen Moment des Zweifelns mit ungeahnten Folgen – im wahrsten Sinne des Wortes, deshalb sollen sie hier fairerweise auch nicht verraten werden. Das allerdings darf gesagt werden: die auf menschliche, ja familiäre Maße reduzierten Zweikämpfe sind die eigentlichen Höhepunkte des Films, der sich dank vieler überzeugender und amüsanter Anspielungen und Reminiszenzen würdig nach Episode IV-VIII einreiht. Ich allerdings muss bald einmal einen Kenner des Buddhismus konsultieren, ob und wie sich das Ende der Episode damit erklären lässt oder ob es sich "nur" um Quatsch auf transzendentalem Niveau handelt.



Star Wars - Die letzten Jedi | (C) Walt Disney Company Germany

Max-Peter Heyne - 13. Dezember 2017
ID 10422
Weitere Infos siehe auch: http://www.starwars.com/the-last-jedi/


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