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Filmkritik

Maria voll

der Gnade


Starttermin: 21.04.2005

Oft hat sich das Kino schon den großen Drogenbaronen und deren kriminellen Aktivitäten gewidmet, selten gewann man bislang Einblick in das Leben der kleinen Drogenkuriere, die unter Einsatz ihres Lebens die Drogen ins westliche Ausland schaffen. Joshua Marston hat sich für seinen sorgfältig recherchierten Debütfilm des Themas angenommen.


Catalina Sandino Moreno in \"Maria voll der Gnade\"

Die 17jährige Maria (Catalina Sandino Moreno) ist total angefressen. Sie lebt unter ärmlichen Verhältnissen in Kolumbien und schuftet unter einem tyrannischen Chef in einer Fabrik, in der sie Rosen entdornen und für den Transport in eine ganz andere Welt vorbereiten muss. Ihre Schwangerschaft trägt nicht gerade zur Verbesserung der Lebenssituation bei, obwohl ihr Freund sich verpflichtet fühlt sie zu heiraten. Aber er liebt sie nicht, und Maria hat ein ganz anderes Konzept vom Leben im Kopf. Wie genau das aussehen soll, weiß sie nicht so ganz, aber anders soll es sein. Eines Tages kündigt sie spontan und macht sich auf den Weg nach Bogota. In der Hauptstadt hofft sie auf ein neues Glück. Schon unterwegs trifft sie auf einen jungen Mann, der ihr vom schnellen Geld vorschwärmt. Sie muss nur einmal in die USA einreisen und wieder zurückkommen. Dafür gibt es dann 5000 Dollar. In Kolumbien reicht das, um sich ein kleines Haus zu kaufen. Der Umstand, dass Maria bei dieser Reise als „Maultier“ fungieren soll, wird fast nur am Rande erwähnt. Maria lässt sich darauf ein und schluckt 62 kleine Päckchen mit Drogen und fliegt mit drei weiteren Kurieren in Richtung New York. Zu ihrem Leidwesen ist auch ihre jüngere Schwester Blanca (Yenny Paola Vega) in gleicher Mission unterwegs. Schon auf dem Flug machen sich die Risiken und Nebenwirkungen bemerkbar. Eine Kurierin hat Pech. Ihr platzt eines der Päckchen im Magen, eine tödliche Gefahr. Eine andere Kurierin wird in New York geröntgt und verhaftet. Blanca schafft es dank ihrer Jugend durch den Zoll. Maria wird dagegen festgehalten. Da sie wegen ihrer Schwangerschaft nicht geröntgt werden darf, entgeht sie knapp der US-amerikanischen Justiz. Dafür geraten die drei eingereisten Kurierinnen in New York dann in sehr schlechte Gesellschaft. Nachdem ein Mord geschehen ist, begeben sich Maria und ihre Schwester Blanca mit den Drogen auf die Flucht. Keine gute Idee...


Catalina Sandino Moreno und Yenny Paola Vega in \"Maria Full Of Grace\"

Joshua Marston lebte in Brooklyn, einem New Yorker Stadtteil, in dem auch viele Kolumbianer wohnen. Sie haben ihm von dem Leben erzählt, dass sie in Kolumbien zurückgelassen haben, und so nahm Marston über Jahre Anteil an den sozialen und politischen Spannungen in Kolumbien und dessen lang währenden Bürgerkrieg. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass auch die Drogenproblematik zur Sprache kam. Im Presseheft sind einige Statistiken angeführt: Ein „Maultier“ kann bis zu 1,25 Kilogramm schlucken (bei Maria sind es 0,62 kg). Er bekommt dafür zwischen 5000 und 8000 Dollar, während der Jahresverdienst eines Kolumbianers durchschnittlich unter 2000 Dollar liegt. Der Verkaufswert auf der Straße liegt bei 350.000 Dollar. Die US-Amerikaner geben im Jahr rund 46 Milliarden Dollar für Kokain und Heroin aus. In Kolumbien leben rund 80 % der Bevölkerung in Armut.

Eines Tages beginnt Marston mit der Recherche. Er spricht mit inhaftierten Drogenkurieren und interviewt Zollbeamte am John F. Kennedy Airport in New York. Er darf sie sogar bei der Befragung der Einreisenden beobachten. Er lässt sich auch medizinisch beraten und erfährt von einem Arzt, dass sich die lebensgefährliche Fracht mitunter nur chirurgisch entfernen lässt. Dann stößt Marston auf eine faszinierende Persönlichkeit, den Kolumbianer Orlando Tobón. Tobón unterhält ein Reisebüro in Queens, aber eigentlich ist er der Wortführer und die gute Seele der Kolumbianer. Seit den 80er Jahren setzt er sich für die Drogenkuriere und deren Familien ein. Die traurige Bilanz seiner Tätigkeit ist die Überführung von mehr als 400 Leichen in ihre Heimat, die ansonsten in einem anonymen Grab in New York vergraben worden wären. Wann immer es Ärger mit der Polizei und der Einwanderungsbehörde gibt, Tobón ist mit Rat und Tat zur Stelle. Deswegen hat Marston ihn als „Don Fernando“ in seinen Film eingebaut, im Grunde spielt Tobón aber sich selbst.
Der wichtigste Teil der Vorbereitung für den Film ist die Reise nach Kolumbien, wo der erste Teil der Geschichte spielen soll. Marston schaut sich viele Plantagen an, redet mit den Arbeitern und hört sich in einem Zentrum für schwangere Teenager deren Geschichten an. Im Knast besucht er in Südamerika inhaftierte Drogenkuriere und lässt sich in die Kunst des Verpackens und Schluckens der Päckchen einweihen. Dies ist sehr detailliert filmisch umgesetzt. Nach vielen Castings waren dann auch die Schauspieler gefunden, die überwiegend Laiendarsteller sind. Als dann 2001 die Dreharbeiten beginnen, eskalieren die politischen Spannungen in Kolumbien derart, dass die Dreharbeiten entweder verschoben oder ins benachbarte Ekuador verlegt werden müssen. Das Produktionsteam entscheidet sich für Ekuador. Das bedeutete zwar einen größeren Aufwand für die Ausstattung. Lob gab es aber trotzdem von Don Orlando Tobón: „Während der Dreharbeiten kam ich mir wie in einer realen Situation vor. Dieser Film ist sehr, sehr authentisch“.


Catalina Sandino Moreno und Regisseur Joshua Marston bei den Dreharbeiten zu \"Maria voll der Gnade\"

Marstons Schilderungen sind so intim und intensiv, dass sie sich der moralischen Wertung entziehen. Keiner der „Guten“ ist wirklich gut, keiner der „Bösen“ wirklich böse. Der Mensch ist halt wie er ist, oft das Opfer der Umstände, genauso oft das Opfer seiner eigenen Schwächen. Der religiös anmutende Titel „Maria voll der Gnade“ ist insofern nicht programmatisch für den Film. Er mag vielmehr ein Verweis sein auf die Titelheldin sein. Obwohl Maria in eine der übelsten kriminellen Machenschaften verstrickt worden ist, kann sie sich zum Schluss irgendwie „unbefleckt“ davon befreien. Sie hat zwar schreckliche Erfahrungen gemacht, geht aber gestärkt aus ihnen hervor. Maria würde es vermutlich schaffen, für sich selbst und ihr noch ungeborenes Kind eine lebenswerte Zukunft zu schaffen. Die Darstellerin der Maria, Catalina Sandino Moreno hat es zu verdientem Ruhm gebracht: Auf der Berlinale bekam sie den Silbernen Bären als beste Darstellerin und auch eine Oscar-Nominierung.


Helga Fitzner - 6. Mai 2005
ID 1882
Weitere Infos siehe auch: http://www.mariafullofgrace.com/





 

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