"Was nützt die Liebe in Gedanken"
Deutschland 2003
Regie: Achim von Borries
Starttermin: 12. Februar 2004
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Romeo tat es. Julia auch. Beide haben aus Liebe den Freitod gewählt. Auch Othello meuchelte sich selbst, aber erst nachdem er seine Frau Desdemona strangulierte. Die Liebe als Rechtfertigung für Selbstmord und Mord dürfte so alt sein wie die Menschheitsgeschichte. Und wohl auch so ewig neu.
Regisseur Achim von Borries hat als Sujet für seinen neuesten Film die "Steglitzer Schülertragödie" gewählt. Das ist ein authentischer Kriminalfall aus dem Berlin der 20er Jahre zur Zeit der Weimarer Republik. Zwei Oberstufenschüler gründen einen Selbstmörder-Club und verpflichten sich, in dem Moment aus dem Leben zu scheiden, in dem sie den Zenith der Liebe überschritten haben. Wenn ihnen jemand diese absolute Liebe nimmt, wollen sie selbst an sich Hand anlegen, aber nicht ohne vorher diejenigen zu töten, die diese Liebe zerstört haben. - Doch werden sich die beiden Clubmitglieder im Ernstfall wirklich an die Statuten halten?
Die wahre Geschichte hat damals einen außerordentlichen Presserummel verursacht und wäre schon aus diesem Grund spannend. Von Borries verzichtet aber weitestgehend auf die Darstellung der äußeren Merkmale des Falls und konzentriert sich auf die inneren Vorgänge seiner Protagonisten. Mit Daniel Brühl und August Diehl konnte er auf zwei der begabtesten Jungschauspieler bauen, die Deutschland derzeit zu bieten hat, die von ihrem dänischen Kollegen Thure Lindhardt, der Deutschen Jana Pallaske und dem erst 18jährigen Nachwuchstalent Anna Maria Mühe unterstützt werden.
Günther Scheller (August Diehl) ist ein Sohn aus gutem Hause und steht wie sein Klassenkamerad Paul Krantz (Daniel Brühl) kurz vorm Abitur. Während Günther in seinem Leben immer Privilegien genossen hat, musste das Arbeiterkind Paul sich immer durch Leistung profilieren. Seine Begabung hat ihm erst den Besuch der höheren Schule ermöglicht. Während eines Wochenendes im Sommer 1927 trifft Paul im sturmfreien Elternhaus seines Kumpels Günther dessen jüngere Schwester Hilde (Anna Maria Mühe) wieder und verliebt sich in sie. Damit beginnt der tödliche Liebesreigen der Jugendlichen. Hilde mag Paul zwar sehr, aber sie will sich nicht festlegen, denn der Kochlehrling Hans ist auch ziemlich süß, und deshalb spielt sie mit beiden. Für den künftigen Koch Hans (Thure Lindhardt) ist das kein Thema. Als Bisexueller ist er genauso wenig festgelegt wie Hilde. Doch dadurch komplizieren sich die Dinge. Denn Hildes Bruder Günther entdeckt seine homoerotischen Neigungen und verliebt sich in Hans, den Liebhaber seiner Schwester. Paul liebt Hilde, schläft aber mit deren Freundin Elli (Jana Pallaske).
Noch einmal zum Mitschreiben: Die Geschwister Günther und Hilde buhlen um den leckeren Hans, der sich von beiden anknabbern lässt. Günthers Kumpel Paul wiederum liebt Hilde, lässt sich aber in einer schwachen Stunde hinreißen, mit deren bester Freundin Elli zu schlafen. Einzig Elli ist in diesem fatalen Reigen stabil, denn sie liebt Paul und niemanden sonst. In einer schwülen Sommernacht geben die Geschwister ein Fest. Berauscht durch ein Aufwallen von unkontrollierbaren Gefühlen und unter dem Einfluss vom alkoholischen Gift Absinth, werden die Protagonisten zwischen Lebensgier und Lebensüberdruss hin- und hergerissen. Am nächsten Morgen löst eines der Mitglieder des Selbstmörder-Clubs sein Versprechen ein. Es fallen Schüsse und zwei junge Menschen finden den Tod...
In poetischen, in gleißendes Sommerlicht getauchten Bildern erzählt Achim von Borries nicht so sehr die Auswirkungen der Tragödie, sondern die Umstände, die dazu geführt haben. Die Pubertät als seelischer Ausnahmezustand sowie der Genuss von Absinth, die noch nicht abgeschlossene Selbstfindung, das Zurechtfinden mit der erwachten Sexualität, all das bildet ein Konglomerat von unheilvollen Konstellationen.
Regisseur Achim von Borries über den Film:
"Stefan Arndt (der Produzent) von X Filme sprach mich darauf an, aber zunächst war ich nicht so begeistert, weil ich keine Lust auf diese 20er-Jahre-Klischees hatte. Als ich dann aber in den Berichten über den Prozess gegen Paul Krantz gelesen habe, habe ich dann doch angebissen. Ich fand das Ganze plötzlich eine extrem moderne Geschichte, dieser Liebesreigen, die Verwirrung der Gefühle... Weil sich vor diesem Hintergrund anbot, etwas Exemplarisches zu machen, über das Individuelle dieser Helden hinaus. Das Historische, das mich zuerst abgeschreckt hatte, machte es möglich, den Film auf eine allgemeine Ebene zu heben... Die Kunst ist es, das Einfache, das Besondere wieder entstehen zu lassen. Wenn man es so will, das Immaterielle, Poetische, den flüchtigen Augenblick in einem schrecklich großen Haufen Materie wieder zu erzeugen."
Schauspieler Daniel Brühl (Paul Krantz)
"Man muss ja am Ende seine eigene Figur kreieren und muss sich frei machen davon, der wahren Person in allem gerecht zu werden... Paul Krantz stammt aus sehr bescheidenen Verhältnissen, hat aber das Glück, eine große Begabung zu haben, weswegen er an eine Schule kommt, an der sonst nur ziemlich betuchte Leute sind... Achim ist genau der Richtige (Regisseur) für diesen Film gewesen, denn er hat ein ungeheures Faible für Stimmungen und Atmosphären. Man hat schon an dem Drehbuch gesehen, dass er Szenen nicht nach Plot, sondern nach Stimmungen beschreibt... Vieles hat er nonverbal zum Ausdruck gebracht - durch eine bestimmte Mimik oder Gestik".
Produzent Stefan Arndt:
"Wir haben eine wunderbare Ausstattung, aber wir wollten nicht das Klischee vom Tanz auf dem Vulkan, wo im Hintergrund dieser 20er-Jahre SA-Truppen mit den Stiefeln knallen, damit es auch ja politisch korrekt ist... Es ging uns vor allem um die Stimmung der Jugendlichen und das Thema war ganz klar: Was macht man am Ende der Pubertät? Ich glaube, damals gab es in dieser Hinsicht eine ganz andere Ernsthaftigkeit der Jugend. Außerdem ist es eine wahre Geschichte. Trotz des historischen Backgrounds wollten wir das Ganze möglichst zeitlos hinbekommen."
Die Produktionsfirma
X Filme Creative Pool wurde im Jahr 1994 gegründet. Die Regisseure Tom Tykwer, Dani Levy und Wolfgang Becker haben sich mit dem Produzenten Stefan Arndt zusammengefunden, um durch diesen Zusammenschluss die Entwicklung, Herstellung sowie den Vertrieb von Filmen zu verbessern. Tom Tykwers Filme "Winterschläfer" und "Lola rennt" sind Teil der Erfolgsgeschichte von X Filme Creative Pool. Der Erfolg von Wolfgang Beckers "Good bye Lenin" hält seit 2002 immer noch an.
Im Jahr 2000 wurde die Filmverwertungsgesellschaft X Verleih AG gegründet, die exklusiv alle Filme von X Filme Creative Pool in die Kinos bringt. Von Anfang an arbeiten Autoren, Produzenten, Regisseur und sogar Verleiher eng zusammen, frei nach dem Erfolgsrezept der United Artists in den USA, mit der Charlie Chaplin, Douglas Fairbanks und andere 1919 die Kontrolle über ihr Filmschaffen und dessen Vermarktung selbst in die Hand nahmen. Auch mit "Was nützt die Liebe in Gedanken" haben X Filme wieder ein außerordentliches Gespür für ein Sujet und dessen Umsetzung bewiesen.
h.f. - red / Februar 2004
www.liebe-in-gedanken.de
www.x-verleih.de
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