Seit 10 Jahren lockt der Berlinale Talent Campus den Filmnachwuchs nach Berlin
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Das ist die junge spanische Filmregisseurin Ana Lorenz Fonfrio - Foto (C) Christine Kisorsy
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Geburtshilfe für zukünftige Bären-Gewinner
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Woran erkennt Juliette Binoche, dass einem Filmregisseur ein klarer eigener Standpunkt zum Drehbuch bzw. zum Thema des Films fehlt, den er gerade mit ihr dreht? Antwort: Wenn er die französische Schauspielerin bittet, sich immer wieder anders in der Kulisse zu postieren und aus allen möglichen Perspektiven filmt. Dann nämlich hofft der Regisseur darauf, dass er am Schneidetisch ausreichend brauchbares Material beisammen hat, um sich seinen Standpunkt daraus noch zu basteln. Diese und andere praktische Erfahrungen aus dem Arbeitsleben von Schauspielern, Regisseuren, Kameraleuten, Filmkomponisten und Cuttern wird den Teilnehmern des Berlinale Talent Campus zuteil, die während der Filmfestspiele nach Berlin eingeladen werden. Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat das Campus-Konzept bei seinem Amtsantritt vor elf Jahren ins Leben gerufen, um verstärkt den internationalen Filmnachwuchs auf die Berlinale zu locken. Dass davon der Eine oder die Andere eines Tages vielleicht mit einem Film zum Festival zurückkehrt, wurde als willkommener Nebeneffekt angestrebt.
Die Initiative hatte von Beginn an durchschlagenden Erfolg, und auch im zehnten Jahr war die Zahl der Bewerber (4382) deutlich größer als die der Plätze (350). Zu den Glücklichen, die 2012 das Talent Campus-Programm absolvieren durften, gehört die junge spanische Regisseurin Ana Lorenz Fonfrio, die im letzten Herbst mit einem Kurzspielfilm über die Pflege eines Demenzkranken auf dem Filmfest in Eberswalde Publikumspreis gewonnen hatte. Da Lorenz die Auszeichnung erst nach ihrer Bewerbung beim Talent Campus erhielt, war der Film eine ausreichende Referenz, um aufgenommen zu werden. Noch im Dezember hat Lorenz ihren zweiten Kurzfilm gedreht, der ohne Worte auskommt, weil er ursprünglich als Musikvideo geplant war. Inspiriert wurde Lorenz dazu durch die Erfahrungen in Eberswalde, wo sie deutsche Kurzfilme ohne englische Untertitel gesehen hat und gezwungen war, den Sinn nur aus den Gesten der Schauspieler zu entschlüsseln. Lorenz, die in Barcelona Filmregie studiert hat, kennt Berlin im Gegensatz zu den meisten anderen Campus Talenten, die aus aller Herren Länder stammen, recht gut, denn ihr Bruder lebt in Schöneberg. Das Eingewöhnen ging bei ihr also schneller als bei anderen, die den Trubel in Berlin und auf der Berlinale erst einmal verdauen müssen.
Der Profi-Cutterin Sandra Korda haben die Filme gefallen, die sie von Lorenz gesehen hat, und wird sie daher nach Abschluss des offiziellen Talent Campus-Programms, zu der auch Kordas Workshop „Kill Your Darlings“ über Filmschnitt gehörte, noch einmal individuell beraten. In anderen Workshops haben die „Talents“ von den Regisseuren Volker Schlöndorff und Mike Leigh, der in diesem Jahr Berlinale-Jurypräsident ist, erfahren, wie diese ihre Drehbücher entwickeln und mit den Schauspielern arbeiten. Leigh (Happy Go-Lucky) berichtete, dass er schon ganze Szenen mit Akteuren improvisieren lässt, noch bevor das Drehbuch überhaupt fertig geschrieben ist, beim Drehen aber gar nicht mehr improvisiert. Die Campus-Talente können aus einem breiten Angebot an Workshops und Gesprächen mit erfahrenen Filmprofis auswählen, bei denen meistens auch Berlinale-Besucher dabei sein können.
Manche Veranstaltungen sind indes intern, z. B. Exkursionen ins Studio Babelsberg oder Einladungen zum Frühstücken und Abendessen, bei dem sich die „Talents“ untereinander besser kennenlernen sollen. Denn gerade das Netzwerkeln gehört zum Konzept des Talent Campus. Eine der wichtigsten Erfahrungen in dieser Woche war für Ana Lorenz denn auch, „dass wir so viele sind, die Filme machen wollen.“ Jetzt denkt die Spanierin mehr über Koproduktionen nach, um bei der Suche nach Geld nicht immer Einzelkämpferin sein zu müssen. Vielleicht dreht Lorenz ihren nächsten Film für ein Gemeinschaftsprojekt, das ein Produzent aus der Ukraine – und ehemaliges Campus Talent – ihr bei einem „Speed Matching“ vorgestellt hat. Solche organisierten, je dreiminütigen Zwiegespräche funktionieren wie ein „Speed Dating“, nur dass die „Talents“ nicht Partner fürs Leben, sondern für gemeinsame Filme finden sollen.
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Max-Peter Heyne - 16. Februar 2012 ID 00000005769
Weitere Infos siehe auch: http://www.berlinale-talentcampus.de
Post an Max-Peter Heyne
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