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Kunst Feuilleton

Teil III:
Kaveh Golestan | Shadi Ghadirian | Shahrzad | Shirin Neshat | Kino Real: Diskussion iranischer FilmemacherInnen am 28.3.04 im Haus der Kulturen der Welt

Entfernte Nähe

Neue Positionen iranischer Künstler

Ein Projekt im Haus der Kulturen der Welt in Berlin
19.3. – 9.5.04
Teil III

Wie schon in den vorherigen Teilen, werden auch diesmal vier KünstlerInnen, die an der Ausstellung "Entfernte Nähe" teilnehmen, mit ihren Bildern und Fotografien vorgestellt.

Des Weiteren findet ihr hier eine Zusammenfassung der Diskussion "Kino Real" im Haus der Kulturen der Welt vom 28.3. Bekannte FilmemacherInnen diskutierten über das Vermächtnis des Realen im modernen iranischen Film. Damit eröffnet sich ein neuer Aspekt iranischer Kunst und Kultur in unserer Zeit.

1. Kaveh Golestan
2 Prostituierte
sw-Fotografien 2002

Die Fotografien von Kaveh Golestan zeigen zwei als Prostituierte arbeitende Frauen im Iran. Die eine sehr selbstbewusst ohne Scham, die andere ihr Gesicht versteckend, wie voller Schuldgefühle, die doch eher ihre Kunden haben sollten....

Der preisgekrönte Fotojournalist Kaveh Golestan dokumentierte in seinen Fotos die düsteren Seiten des Lebens im Iran. Er erzählt von Krieg, harter Arbeit, den Opfern des Iran-Irak-Krieges... Seine Aufmerksamkeit galt den Unterprivilegierten.
Seine Fotografien des Teheraner Rotlichtbezirks zwingen die Menschen dazu, nicht wegzuschauen, sondern hinzusehen, die Realität zu sehen.
Der Fotojournalist starb 2003, als er beim Filmen der Irak-Invasion von einer Landmine zerfetzt wurde. "Er starb den Tod, den seine Bilder seit Jahren leise verkündeten, jenseits von Schnappschüssen der Wirklichkeit - einen Tod, bedeutungsvoller als jeder sinnlose Wagemut. Er wusste, was Einsamkeit war, und er war mit dem Alptraum des Todes vertraut. Er starb unter einem Himmel, auf dem Stück Erde, die ihm beide wohl vertraut waren. Unter diesem bewölkten Himmel wird ihn die Erde empfangen." (Arash Hanai, Fotograf)


2. Shadi Ghadirian
"Domestic Life", 2002
Prints on photographic paper

Shadi Ghadirian, "Domestic Life", 2002, Prints on photographic paper / (c) Pressebüro Haus der Kulturen der Welt, John-Forster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin

Das Werk steht außerhalb der Ausstellung auf dem Platz vor dem Haus der Kulturen.
Es zeigt iranische Frauen, traditionell mit Tschador bekleidet. Die Küchengeräte ersetzen die Gesichter, greifen so auf ironische Art das Rollenverständnis auf und zeigen zugleich, dass im häuslichen Leben das Gesicht der Frau weniger zählt als ihre Arbeit in der Küche.
Die Fotografin Ghadirian wurde zu diesem Werk inspiriert, als sie nach der Hochzeit ständig Küchengeräte geschenkt bekam, obwohl sie sich selbst wenig für das Kochen interessiert.



3. Shahrzad
KünstlerInnengruppe: Manuel Krebs (Grafikdesigner), Tirdad Zolghadr (Schriftsteller) und Shirana Shahbazi (Fotografin)
"Jamaran", Installation, 2004

Shahrzad, eine KünstlerInnengruppe: Manuel Krebs (Grafikdesigner), Tirdad Zolghadr (Schriftsteller) und Shirana Shahbazi (Fotografin)
"Jamaran", Installation, 2004


Die Installation zeigt den Nachbau einer Vitrine, die im Khomeini Museum in Teheran steht. Darin sind Khomeinis persönliche Habseligkeiten ausgestellt. Parfumflasche, Spazierstock, Gewand und der Koran waren angeblich sein einziger Besitz als Beleg für seine Religiosität, die Bescheidenheit fordert.
Im Khomeini-Museum dient die Vitrine der Überhöhung des religiösen Führers der islamischen Revolution von 1979. Mit der Revolution wurde das iranische Königtum beendet und die Islamische Republik Iran gegründet. Gleichzeitig mit der Republikgründung wurden viele Rechte wieder beschränkt, zum Beispiel die der Frauen. Hoffnungen auf eine freiere Gesellschaft wurden zerstört.
Im Khomeini-Museum hat die Vitrine auf gewisse Art ihre Berechtigung: Hier im Westen, im Haus der Kulturen der Welt wird das Heilige entweiht und das Mächtige entmachtet. Hier ist die Vitrine an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt. Nicht der Inhalt des Objekts allein birgt und hinterfragt Sinnhaftigkeit, sondern auch sein Standort: Ob Absicht oder nicht - die Vitrine im Haus der Kulturen steht im Gang. Man geht sehr leicht einfach daran vorbei.....


4. Shirin Neshat
"Turbulent" Fotografie von der Videoinstallation
1998
Video still

Shirin Neshat, "Turbulent" Fotografie von der Videoinstallation, 1998, Video still

"Turbulent" ist eine Videoinstallation. Die Sängerin Sussan Deyhim singt ein Solo ohne Worte in einem Saal ohne Menschen, der Sänger ihr gegenüber dagegen singt vor einem Männerpublikum Rumi. Schon rein räumlich muss der Zuschauer sich entscheiden: Es ist unmöglich, aus irgendeinem Winkel des Raumes beide Leinwände gleichzeitig zu betrachten. Die Installation ist in Schwarz-Weiß, die Symbolik sehr stark durch die überdimensionierten Leinwände in einem sonst dunklen und relativ kleinen Raum. Die Frau kann ihrer Stimme kein Gehör verleihen....
Shirin Neshat erlangte Berühmtheit durch ihre Serie "Women of Allah"(1993-19977). Dort wurden fotografische Selbstporträts mit Texten der feministischen Dichterin Forough Farrokhzad beschriftet.

Shirin Neshat, "Turbulent" Fotografie von der Videoinstallation, 1998, Video still


Kino Real

Diskussion iranischer FilmemacherInnen am 28.3.04 im Haus der Kulturen der Welt

Zusammenfassung

"Eine einfache Ästhetik und subtile, strenge Bilder.
Ein feines Gespür für die Vieldeutigkeit von Fiktion und Realität.
Ein Drehbuch, das von wahren Geschichten inspiriert ist.
Das Drehen an Originalschauplätzen, meistens Außenaufnahmen.
Die Arbeit mit Laiendarstellern.
Eine gewisse Zärtlichkeit im Kontrast zur harschen Realität.
Eine Atmosphäre unterdrückter Sinnlichkeit und ein Gefühl der Entfremdung.
Eine mehrschichtige Sprache, in der Metaphern unterschiedliche Interpretationen nahe legen."
Einige charakteristische Merkmale der meisten iranischen Autorenfilme, zusammengefasst von Rosa Issa, Kuratorin der Filmretrospektive.

Der iranische Film ist sehr erfolgreich, er wurde in Cannes und Venedig gefeiert.
Was macht den iranischen Film aus, dass er mit seiner Sprache international begeistert?

Die Diskussion vom 28.03 gibt ein paar Antworten:
Mit Parviz Shahbazi, Bahman Farmanara, Alireza Amini, Hana und Maysam Makhmalbaf

In den 90er Jahren entwickelte sich der iranische Film hin zu einer stärkeren Vermischung von Dokumentation und Fiktion. Warum diese Verschachtelung, ist es Mode? Entspricht es der Mentalität? Kommt es aus den politischen und sozialen Verhältnissen? Ein nicht bedeutungsloser Hintergrund dazu ist, dass viele Filmemacher als Dokumentarfilmer begonnen hatten, da das konservative Regime Leute brauchte, die die politischen Ereignisse in ihrem Sinne dokumentierten. Zudem musste eine Kinokultur geschaffen werden, da im Zuge der islamischen Revolution 1979 fast 200 Kinos zerstört wurden und der ausländische Film nur unter strengen Auflagen ins Land gelassen wurde. Jetzt ist es eher staatliche Politik, das iranische Kino auszuhungern, indem amerikanische Filme gezeigt werden.
Bahman Farmanara, ein etablierter Regisseur, sagte dazu, dass die Filme zwar fiktionaler geworden seien, aber immer noch auf realen Ereignissen basierten. Er ist der Ansicht, dass die Vermischung von Fiktion und Dokumentation auf die momentane Situation zurückzuführen sei. Es sei eine sehr gängige Methode: Der Regisseur sieht etwas im realen Leben und daraus wird eben ein Film gemacht. Die Sprache des Kinos sei zudem sehr einfach und Kino selbst eine sehr lebendige Kunstform: Beim iranische Kurzfilmfestival wurden über 2000 Filme eingereicht, 110 Filme wurden genommen.
Es habe natürlich auch mit der Situation der Künstler zu tun: viele haben Berufsverbot im Iran, vieles wird zensiert. Die Situation könne einen aufs Glatteis führen.

Hana Makhmalbaf, eine fünfzehnjährige Filmemacherin aus dem Hause Makhmalbaf – ihr Vater, ebenfalls Regisseur, nahm seine Kinder aus der Schule und begann mit ihnen Filme zu drehen -, drehte einen Film als Begleitung ihrer Schwester bei Dreharbeiten zu deren Film. Der Film von Hana Makhmalbaf, der in Tokio und Venedig ausgezeichnet wurde, spielt in Afghanistan und zeigt die Ängste der Menschen. Deswegen, so Hana Makhmalbaf, sei dieser Film kein Dokumentarfilm. Er handelt vor allem von der Angst in Afghanistan, aber auch anderswo, Angst, ob man am nächsten Tag noch am Leben ist.
Maysam Makhmalbaf, der Bruder von Hana Makhmalbaf und selbst Regisseur, betonte ebenfalls, der Film seiner Schwester sei kein Dokumentarfilm. Oberflächlich sehe es zwar so aus, in der Tiefe sei es aber ein selbständiger Film.
Maysam Makhmalbaf verwies nochmals auf den Druck, unter dem iranische Filmemacher stehen, eine Form der Repression, wie sie in Europa auch von CNN und BBC ausgeübt wird. Für ihn ist das Verständnis des Films auf internationaler Ebene daher von großer Bedeutung. Maysam Makhmalbaf betrachtet in seinem Film als "unsichtbares Auge" seine Schwester Samira und deren Entwicklung zu einem der ungewöhnlichsten Regie-Talente des iranischen Kinos.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die starke Präsenz von Frauen als Filmemacherinnen im Iran: Das hat seinen Ursprung in der Geschichte der iranischen Frauen: Zunächst erwarben sich Frauen in harten Kämpfen unter dem Schah-Regime das Scheidungs- und Sorgerecht. Nach der islamischen Revolution wurden diese wieder aberkannt. Den Frauen wurde die heilige familiäre Aufgabe zuteil. Dennoch wurden sie aufgerufen, sich am politischen und gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Die Frauen folgten diesem Aufruf und wehrten sich gegen die wieder eingeführten Beschränkungen. Unter Präsident Khatami (1997), der von "berechtigten Ansprüchen" seitens der Frauen sprach, wurden Hoffnungen geweckt. Es ist jetzt zwar leichter geworden, bestimmte Themen ins Kino zu bringen, dennoch ist man/frau vor Repressionen durch die Zensurbehörde nicht gefeit.

Auch Parviz Shahbazi sprach über seinen Film: Er ist jetzt 41 Jahre alt, seine Jugend wurde durch den Krieg zerstört. Die Gelegenheit, das Leben zu genießen, hat man seiner Generation genommen. Sein Film "Deep Breath" spiegelt die aktuelle Situation im Iran wieder. Der Filmemacher ist wie ein Thermometer. Er reagiert auf aktuelle Ereignisse und setzt sie im Film um. So ist "Deep Breath" ein Film über Versuche, sich über die Zwänge der Gesellschaft hinwegzusetzen.

Alireza Amini hat ebenfalls einen Film gedreht, der auf realen Begebenheiten beruht. Der Film handelt von einem Soldaten, der den harten Alltag zu vergessen versucht. Er nimmt mit einem Kassettenrekorder Stimmen auf in den Straßen Teherans, die er nachts seinen Kameraden vorspielt. Besonders von der Stimme einer jungen Frau sind die Soldaten fasziniert.
Alireza Amini hat selbst Militärdienst geleistet und am Radio auf dessen Ende gewartet. Mit einer Frau als Nachrichtensprecherin war es natürlich noch viel interessanter....


Die Filmemacher wurden gefragt, ob denn die technische Seite des fiktiven Films ein Problem darstelle.
Dazu Farmanara: 12 Millionen Dollar wurden allein für die Software von "Jurassic Park" ausgegeben. Für uns ist ein Budget von 200.000 Dollar nicht schlecht. Da sind die technischen Mittel natürlich begrenzt.
Aus dem Publikum kam die Frage, ob der iranische Film depressiv sei?
Dazu Farmanara: In den 11 Tagen in Berlin habe er vielmehr depressive Menschen gesehen als zu Hause. Der iranische Film sei doch sehr erfolgreich, man habe keinen Grund sich zu verstecken. Die verschiedenen Sichtweisen seien wichtig, deswegen sei der Film auch erfolgreich.
Vielleicht sei das Interesse am iranischen Film auch nur eine Periode und danach werde der chinesische Film berühmt.

Das Thema Zensur wurde bei den Filmemachern ebenfalls sehr diskutiert. Es wurde die Hypothese aufgestellt, ob nicht die Zensur als Vater aller Metaphern die Kreativität fördere. Shabazi verneinte das und betonte noch mal, sie wollten keine iranischen Filmemacher, sondern Filme über Menschen. Es würde zu sehr politisiert. Amini vergleicht den iranischen Film mit dem Lauf des Wassers: Wenn man Barrieren stellt, findet das Wasser dennoch seinen Weg.
Farmanara unternahm den Versuch, mit der Einführung der Figur eines Geistlichen in seinem Film die Zensurbehörde genau auf diese Figur hin zu fokussieren. Der Versuch schlug leider fehl, gegen den Geistlichem hatte die Zensur nichts einzuwenden.
Es kommt auch zu komischen Situationen: In der Geschichte kehrt ein Mann nach 8 Jahren nach Hause zurück zu seiner Frau, sie hatten in der Zeit keinerlei Kontakt und eigentlich wäre eine Umarmung angemessen. Das lässt die Zensur aber nicht zu, so fragt die Frau ihren Mann lediglich: "Wie geht es Dir?"
Zum Schluß tauschten sich alle noch einmal darüber aus, wie viele Minuten ihrer Filme von der Regierung zensiert wurden, wobei sich Hana Makhmalbaf zu der sarkastischen Anmerkung hinreißen ließ, dass andere ja noch gut dran seien, bei denen nur einige Minuten herausgenommen wurden, ihr Film wurde ganz zensiert.

Ende Teil III.

w.p. - red / April 2004
Siehe auch Teil I und Teil II

Falls ihr Interesse an den Filmen habt, auf der Seite http://www.hkw.de findet ihr das Programm.

Vorschau: Das nächste Mal werden wir euch noch Highlights der Ausstellung präsentieren. Zudem erwartet euch eine Reise in die Jahrhunderte alte Tradition persischer Dichtkunst, vielleicht wird eine Faust, eine Ziege oder eine alte Karawanserei zur Hauptfigur der Berichterstattung.
Und die Musik.....




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