Mit Malerei
zum Stammesrecht
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Bewertung:
Die Kunst der Aborigines ist die älteste bekannte kreative Ausdrucksform der Welt und hat seit rund 40.000 Jahren Bestand. Ihr Ursprung liegt in der Körper-, Sand- und Felsenmalerei und dient der Darstellung ihres Landes und ihrer Schöpfungsgeschichte. Daher ist sie meist zweckgebunden und galt nach westlicher Auffassung nicht als Kunst, gar als primitiv, weil Kunsthistoriker sie nicht dechiffrieren konnten. Sie war in ihrer Komplexität und Tiefe nur Initiierten vorbehalten. Das änderte sich 1970, als der junge Kunstlehrer Geoffrey Barden in einem abgelegenen Ort in Nordaustralien unterrichtete und die Aborigines malen ließ. Daraus entstand die Papunya Tula Artist Cooperative, der vor ein paar Jahren in Paris eine große Ausstellung [Quelle der Malerei der Aborigines, im Musée du quai Branly] gewidmet wurde; wir berichteten darüber.
Seitdem wurden etliche solcher Kooperativen gegründet, und seit den 1990er Jahren entwickelte der internationale Kunstmarkt verstärkt Interesse an den Werken, die auch zunehmend säkularer wurden.
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Robyn Kelch, die Kuratorin der Kölner Ausstellung WÜSTE – MEER – SCHÖPFERMYTHEN | Aboriginal Art der Spinifex und Yolnu, leitet die Galerie Artkelch in Freiburg, eine der renommiertesten dieser Art in Europa. Kelch erklärt das Konzept: „Neben Qualität und Authentizität legt Artkelch besonderen Wert auf Provenienz und den ethisch korrekten Umgang mit Aboriginal Art. Die Galerie bezieht daher ihre Werke ausschließlich aus Kunstzentren, die den indigenen Künstlern selbst gehören. Für deren künstlerischen Ausdruck ist es essentiell, dass die Werke auf ihrem angestammten Land entstehen, weil sie darin Bezüge des Menschen zu seiner Umgebung, zu Vergangenheit und Gegenwart sowie zu ihren Schöpfungsmythen herstellen.“
Kelch hat zwei kontrastierende Kooperativen für die Ausstellung arbeiten lassen. Die jüngere davon ist das Spinifex Art Project, bei dem Acrylfarben verwendet und sehr farbenfrohe Bilder gemalt werden. Dabei ist der ursprüngliche Anlass ein sehr ernster. Die weißen Siedler hatten Australien als Niemandsland eingestuft und die nomadisch lebenden Wüstenbewohner kaum wahrgenommen, die im Südwesten in der Großen Victoria-Wüste lebten. In einem Teil der Wüste wurden in den 1950er Jahren Atomtests durchgeführt und die Bewohner durch die Erzeugung von Angst und Schrecken aus der radioaktiven Gegend vertrieben. Um ihr Land wieder zurückzubekommen, haben sie ihre Ansprüche gemalt. Auf Aborigine-Art. Ein Aborigine gehört zu dem Land, in dem er seine Nabelschnur lässt, das ist sein „Landrecht“. Wenn er oder sie „Landkarten“ malt, dann sind die nach Heiligen Orten und ihrer Bedeutung im Schöpfungsmythos gewichtet. So sind die Entfernungen in den Bildern nicht topografisch. Die Größe eines schwarzen Punktes für ein Wasserloch richtet sich nicht nach dessen Wassermenge, sondern nach seinem spirituellen Hintergrund. Die Bilder enthalten auch Symbole, wie eine Hufeisenform, die den Abdruck von sitzenden Menschen im Sand darstellt, sowie Bäume, die aus der Vogelperspektive gemalt wurden.
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Die Spinifex People haben für die Ausstellung Gemeinschaftsbilder hergestellt, in denen sie ihre Herkunft und ihren Schöpfungsmythos beschreiben | Foto (C) Helga Fitzner
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Das Gemeinschaftswerk der Spinifex-Männer zeigt die Schöpfergeschichte der Zwei Schlangen, Vater und Sohn, bei der Durchquerung des traditionellen Spinifex-Landes, um dort Initiationsriten zu vollführen. (Es sind insgesamt fünf Schlangen zu sehen). Zu diesen Riten gehören Gesang und Tanz, mit denen der Ort zum Leben erweckt wird. Die Schlangen sind die Schöpfungsahnen der Spinifex People, belegen ihre Zugehörigkeit und ihr Geburtsrecht und damit auch die Verantwortung für ihr Land. Im Hintergrund und auf dem Plakat ist das Gemeinschaftsbild der Spinifex-Frauen zu sehen, das die Schöpfungsgeschichte der Sieben Schwestern darstellt. Die ganzheitliche Weltsicht der Aborigines kennt keine Trennung, nicht einmal zwischen Leben und Tod, und sieht alles in einem Gesamtzusammenhang. Einzig auf den Unterschied zwischen Mann und Frau wird beharrt, die aber zwei Seiten einer Medaille sind und gemeinsam ein Ganzes ergeben.
Die Yolngu People leben an der Küste und trafen sehr viel früher auf die Europäer als die Spinifex People. Die Europäer planten einen Genozid an den einheimischen Küstenbewohnern, der dann aber verhindert werden konnte. In den 1960er sollte auf ihrem Land Bauxit abgebaut und die Einheimischen enteignet und vertrieben werden. (Bauxit wird zur Herstellung von Aluminium benötigt, wobei hochgiftige Stoffe wie Blei, Cadmium und Quecksilber entstehen). Die Aborigines malten und schrieben den Anspruch auf ihre Land- und Seerechte auf Baumrinden, die Bark Petition gilt als deren „Magna Carta“ und spielt bis heute in der Landrechts- und Homeland-Bewegung eine bedeutende Rolle.
Die Kunst der Yolgnu People aus dem Arnhem-Land im nordöstlichen Australien ist traditioneller als die der Spinifex People. Sie arbeiten mit Naturmaterialien wie Erdfarben, Haaren, Baumrinden, von Termiten ausgehöhlten Baumstämmen, die Ausdruck ihrer Spiritualität sind. Zumindest sind in der kulturvergleichenden Ausstellung nur solche Exponate zu sehen. In Australien sind auch die Künstler der Aborigines in der Moderne angekommen und malen auf Materialien wie Metall, Glas, Folien und Karton. In Köln legte die Kuratorin darauf wert, dass auch die berühmte Malerei mit den Kreuzschraffuren zu bewundern ist.
Robyn Kelch reist regelmäßig zu den Aborigines und unterstützt sie darin, ihre Kunst bekannt zu machen und zu verkaufen. Deswegen können die Bilder am Ende der Ausstellung auch gekauft werden. Damit wird die Fortsetzung der Projekte gefördert, die zunehmend eine Bereicherung der Kunstwelt darstellen.
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Die Aborigines feiern im Jahr 2017 gleich zwei Jubiläen. 1967 jährt sich zum 50. Mal das Referendum, in dem die Rechte der Aborigines erstmals gesetzlich festgeschrieben wurden. Vor 25 Jahren wurde die Rechtsauffassung „Terra nullius“ abgeschafft, die Erfindung, dass der australische Kontinent vor der Besiedelung der Europäer Niemandsland gewesen sei. Derzeit arbeiten die verschiedenen Stämme daran, Abgeordnete der „First Nation“ in die Politik zu schicken, damit sie dort die Interessen der Ureinwohner und damit auch des Landes vertreten können, dessen Erhalt und Wohlergehen für sie Geburtsrecht und -pflicht zugleich sind.
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Helga Fitzner - 10. November 2017 ID 10361
Weitere Infos siehe auch: https://museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum/Sonderausstellungen
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