Der Architekt und Visionär Johann Blasius Santini
Die Wallfahrtskirche des hl. Johannes von Nepomuk auf Zelená Hora
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Foto (C) Helga Fitzner
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Wie eine Krone sitzt die Johann-Nepomuk-Wallfahrtskirche auf dem Hügel Zelená Hora und harmonisiert die dortige Grenzlinie zwischen Böhmen und Mähren. Sie scheint entrückt zu sein wie von einem anderen Stern, und um den geht es auch. Die Ziffer fünf bildet die bauliche und künstlerische Grundlage, denn der Grundriss ist einem fünfzackigen Stern nachempfunden. Die Kirche selbst hat fünf Ecken, der Kreuzgang um sie herum zwei mal fünf Ecken, und auch im Interieur findet sie die Fünf mehrfach wieder. Es geht um die Verbindung von Himmel und Erde und so verbunden fühlt man sich dort droben auch.
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Die Johann-Nepomuk-Wallfahrtskirche ist ein Meisterwerk, liegt auf einem Hügel und zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe | Foto (C) Helga Fitzner
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Ersonnen wurde dieses architektonische Meisterwerk von Johann Blasius Santini-Aichel (1677 in Prag – 1723 in Prag). Es gibt in Tschechien insgesamt 80 Gebäude, die von ihm gebaut oder umgebaut wurden und denen er sein ganz persönliches Profil verlieh. Santini gilt als der Schöpfer der „tschechischen Barockgotik“ und hat seinen ganz eigenen Stil entwickelt. Er wäre vielleicht in Vergessenheit geraten, wenn nicht der 2012 gegründete Verein „Auf den Spuren von Santini“ sich dieses Teils von Tschechiens architektonischem Erbe angenommen hätte. Doch wer war dieses Genie, das sich erlaubte, eigene und originäre Wege zu gehen?
Als Santini 1677 die Weltbühne betrat, waren seine Eltern wahrscheinlich betrübt, denn ihr Sohn wurde mit einer Behinderung geboren. Welcher Natur diese war, ist nicht überliefert, aber es ist von Lähmungserscheinungen die Rede, so dass Johann Blasius als Erstgeborener nicht die Steinmetzerei seines Vaters übernehmen konnte. Sein jüngerer Bruder Frantisek war gesund und wurde später ein renommierter Steinmetz, so dass sich Johann Santini der Malerei widmen und einige Jahre durch Europa reisen konnte. In Italien, dem Land seiner Vorfahren väterlicherseits, beeindruckten ihn die Werke des eigenwilligen Francesco Borromini, der klassische Architekturformen individuell gestaltete und neu interpretierte.
Auch Santini beschritt später eigene Wege, verband Stilelemente des Barock und der Gotik und entwickelte damit die „Barockgotik“, die es in dieser Form nur in Tschechien gibt. Er reduzierte die meist überladenen Barockelemente, setzte auf geometrische Formen und sorgte für Licht. Ihm war die Architektur wichtiger als das Dekor, was ungewöhnlich für seine Zeit war. Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) wurden die Protestanten verdrängt und Böhmen re-katholisiert. Die Katholische Kirche wollte mit Reichtum und überbordender Pracht beeindrucken, um ihren Einfluss und ihre Macht zu demonstrieren. Dem Westfälischen Frieden von 1648 folgte in Tschechien eine längere Periode des Friedens, in der Bildung und Kultur gedeihen konnte. Viele Prachtbauten zeugen heute noch davon. Sie beeindrucken zwar, aber sie können den Betrachter auch überfordern. Nicht so, wenn Santini sich der Sache annahm, er brachte Klarheit, Struktur, ja fast eine Art Magie in die Gebäude.
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Die Johann-Nepomuk-Wallfahrtskirche geht auf Santinis Pläne zurück und fasziniert durch die sich ständig verändernden Lichteinflüsse | Foto (C) Helga Fitzner
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Wer Prag besucht, aber es nicht schafft ins Umland zu fahren, der könnte sich trotzdem unweit der Prager Burg die Jan-Neruda-Straße – Nerudova - anschauen. Sie liegt auf dem Weg, dem die böhmischen Könige bei ihrer Krönung folgten, und hier steht eines der Häuser, die Santini bewohnt hat, in dem sich jetzt die Santini-Jugendherberge befindet. Schräg gegenüberliegend sind dort auch die rumänische und die italienische Botschaft, deren Fassaden von Santini entworfen wurden.
Als Santini 1699 von seinen Reisen zurückkehrte, bekam er im Alter von 23 Jahren schon den ersten großen Auftrag in Prag. Mit 25 Jahren arbeitete er an der Kirche Mariä-Himmelfahrt und St. Johannes der Täufer in Kutná Hora [s. Prag und andere Perlen]. An den Bauarbeiten war übrigens sein Bruder Frantisek als Steinmetz beteiligt.
Johann Santini war von Anfang an sehr gefragt und hatte die Gabe, auch schwierigste Aufgaben zu lösen, wenn er sich an Orten, an denen vorher schon Klöster und Kirchen gestanden hatten, etwas einfallen ließ. Santini versuchte, die Bauwerke in die Landschaft einzubetten, hatte einen ganzheitlichen Ansatz, arbeitete teilweise nach dem Goldenen Schnitt, der der Natur nachempfunden ist. Im Kloster in Želiv war der Altarraum der Kirche noch teilweise erhalten, Santini musste zusehen, wie er das Bestehende und seine eigenen Ideen zusammenbrachte. Man kann schon eine Zweiteilung erkennen, die aber durchaus harmonisch wirkt.
Santini hat nicht nur Kirchen und Klöster gebaut, sondern auch einen Bauernhof, Gasthäuser, ein Krankenhaus. Sein ultimatives Meisterwerk ist aber die Johann-Nepomuk-Wallfahrtskirche in Zelená Hora.
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Der Altar der Johann-Nepomuk-Wallfahrtskirche weist mehrfach die Zahl fünf auf | Foto (C) Helga Fitzner
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Johann Nepomuk (geboren um 1350, getötet 1393) war ein Priester und Märtyrer, der getötet worden sein soll, weil er das Beichtgeheimnis nicht verraten hatte. Es ranken sich viele Legenden um ihn, die auch von der Katholischen Kirche gefördert wurden. Er sollte den Theologen Jan Hus darin ablösen, dessen Andenken noch stark war. Hus war als Reformator bekannt, und die Auseinandersetzungen hatten zu den Hussitischen Kriegen geführt. Das sollte zusehends in Vergessenheit geraten, und der katholische Johann Nepomuk eignete sich vorzüglich dazu. Als Nepomuk ertränkt wurde, sollen sich um seinen Leichnam herum fünf Flammen im Wasser gebildet haben, weshalb ihm die Zahl fünf zugeordnet wird. Santini hat sich da richtig entfalten können. Die Fünf wiederholt sich sehr oft. Im Altar sehen wir fünf Engel, auf der Weltkugel sind fünf Sterne mit fünf Zacken, und das setzt sich fort.
Wir trafen vor Ort auch Stanislav Růžička, den Vorsitzenden des bereits erwähnten Vereins „Auf den Spuren von Santini“, der uns noch in das am Fuße des Hügels gelegene Zisterzienser-Kloster führt. In der dortigen Kirche können wir noch die Orgelempore nach Santinis Entwürfen bewundern, von der aus man einen guten Überblick über die Kirche hat. Für ausführliche Informationen über Santini können wir die Webseite des Vereins sehr empfehlen. Die Mitglieder sind sehr engagiert und haben einen Architekten, der 150 Jahre lang in Vergessenheit geraten war, in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt. Santini wurde nur 46 Jahre alt, doch sein Erbe ist nicht nur eine Bereicherung für Tschechien, sondern auch für die Menschheit. Bislang zählen zwei seiner Bauten zum Weltkulturerbe.
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Die Reise wurde organisiert von der Tschechischen Zentrale für Tourismus Czech Tourism.
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Helga Fitzner - 24. Juli 2017 ID 10158
Weitere Infos siehe auch: http://www.santini.cz/en
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