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Kulturspaziergang

Chagall in

Mainz



Eingangstor zur Mainzer Pfarrkirche St. Stephan, in der die neun weltberühmten Glasfenster von Marc Chagall zu sehen sind | Foto: KE



Ich hatte die legendären Chagall-Glasfenster in Mainz, von denen ich bisher nichts wusste, mehr durch Zufall entdeckt. Ich war in Frankfurt und Wiesbaden unterwegs, und auf der Fahrt von da nach da stellte ich fest, dass die S-Bahn (keine zehn Minuten von Wiesbaden entfernt) auch in Mainz anhält. Ja und so dachte ich, vielleicht wäre ein kurzer Zwischenstopp dortselbst - ich war noch nie in Mainz - nicht schlecht. Also ich stieg dort aus, und ich hatte keinen Reiseführer bei mir, und ich war auch überhaupt nicht vorbereitet oder irgendwie dann eingestellt auf Mainz, und los ging es zu Fuß; ich plante maximal zwei Stunden Aufenthalt dort ein.

Vom Bahnhof aus geht es in verschiedene Richtungen unterschiedlich steil nach oben, ich wählte dann spontan den steilsten Anstieg, und so kämpfte ich mich langsam und noch völlig ziellos hoch - bis dass es mir zu dumm wurde und ich eine mir entgegenkommende Passantin (ich war mir ziemlich sicher, dass es eine Mainzerin sein musste) nach dem Dom fragte, denn dass es den berühmten Mainzer Dom gibt, so viel wusste ich schon mal, nicht schlecht oder? Sie lotste mich dann mit paar Fingerzeigs und einigen Erläuterungen auf eine Straße in der Nähe, und ich sollte der Straßenbahnlinie folgen, und dann würde ich ein Denkmal mit Fastnachtsfiguren passieren, und dann müsste ich ihn rechterseits schon sehen. Okay, so machte ich das dann, wie mir von ihr geheißen wurde - die Straße, wo die Straßenbahn lang fuhr, wurde dann immer schmaler, und plötzlich, und zwar linkerseits (nicht etwa rechterseits, wie mir die Mainzerin gesagt hatte), gewahrte ich einen doch ziemlich hohen Kirchturm, dessen massiver Unterbau inmitten großer und prallgrüner Linden - wie das duftete, o Gott! - fast wie hineingewuchtet schien; ich ging empor Richtung Portal, und da entdeckte ich jenes Plakat [s. Foto oben rechts], auf dem "Chagall" zu lesen war, und so betrat ich justament das Innere der Kirche, wobei - ich dachte erst, dass das der Mainzer Dom gewesen wäre, doch den hatte ich von Fotos und vom Fernsehen her irgendwie ganz anders in Erinnerung. Egal. Jenes "Chagall"-Plakat war wohl der eigentliche Anlass einzutreten...

Und es wurde blau und immer blauer, und ich blieb vielleicht dort über eine halbe Stunde auf einer der Kirchenbänke sitzen, um zu schauen und zu schauen und zu schauen - vor mir drei Chagall-Glasfenster über dem Altar des Ostchors von St. Stephan zu Mainz (so der offizielle Name der Kirche, wo ich mich in diesem Augenblick befand); die anderen Chagall's im Westchor und rechts, links von mir betrachtete ich mir dann im Vorübergehen und ganz langsam, langsam, langsam...




Chagall-Glasfenster im Ostchor von St. Stephan zu Mainz | Foto: KE


"Nach Abschluss der Wiederherstellung der im Krieg schwer zerstörten Kirche wandte sich Pfarrer Klaus Mayer im Frühjahr 1973 an den jüdisch-russischen Künstler Marc Chagall (1887-1985), den Meister der Farbe und der biblischen Botschaft, mit der Bitte, im Ostchor der St. Stephanskirche mit von ihm gestalteten Kirchenfenstern ein Zeichen zu setzen.

Der Kontaktaufnahme folgten Briefe und später Begegnungen. Der Künstler begann im Dezember 1976 mit dem Entwurf für ein Mittelfenster. Am 23. September 1978 wurde das erste Chagall-Fenster mit der
Vision vom Gott der Väter der Kirchengemeinde übergeben.

Wenige Tage später begann der damals 91-jährige Künstler mit den Entwürfen für die beiden flankierenden Mittelfenster mit der
Vision der Heilsgeschichte. Diese beiden Fenster wurden am 15. September 1979 eingeweiht.

Nochmals begab sich der hochbetagte Künstler zur Jahreswende 1979/1980 an die Arbeit, um auch die seitlichen Fenster des Ostchores mit dem Thema
Lob der Schöpfung zu schaffen und damit den Chorraum zu schließen. Am 19. September 1981 wurden die drei seitlichen Fenster der Kirchengemeinde übergeben. Mit ihnen hat der Ostchor seine Geschlossenheit erhalten und damit der Chorraum sein optimales Lichtfluidum, da sich die Fenster auch gegenseitig vom Licht her beeinflussen.

Völlig überraschend schuf Marc Chagall Ende 1982 - im 96. Lebensjahr stehend - auch die Entwürfe für die drei großen, dreibahnigen Fenster im Querhaus. Er wollte eine 'Vorhalle', 'Vorbereitung' auf die biblische Botschaft in den Fenstern des Ostchores schaffen. Am 11. Mai 1985 durfte die Kirchengemeinde die letzten Fenster Marc Chagalls in Empfang nehmen; kurz nach seinem Tod am 28. März 1985.

Die Glasfläche aller neun von Marc Chagall geschaffenen Fenster im Ostchor und im Querhaus beträgt insgesamt 177,6 qm."


(Text von Monsignore Klaus Mayer, zitiert aus dem Kleinen Kunstführer zu St. Stephan in Mainz, Verlag Schnell & Steiner, 16. erweiterte Auflage 2012; Quelle: bistummainz.de)



Chagall-Glasfenster im Westchor von St. Stephan zu Mainz | Foto: KE


*

Und dass die imposante Stephanskirche "so weit oben" in der Innenstadt von Mainz gelegen ist, hat diesen Grund hier:


"Die katholische Pfarrkirche St. Stephan in Mainz wurde 990 von Erzbischof Willigis, der auch den Mainzer Dom erbaut hatte, auf der höchsten Erhebung der Stadt gegründet. Willigis wollte mit ihr eine 'Gebetsstätte des Reiches' schaffen. Bis 1803 war sie eine Stiftskirche. In der Kirche war ursprünglich ein Stift untergebracht. Der Probst des Stiftes verwaltete eines der Archidiakonate (mittelalterliche Organisationseinheit, ähnlich den heutigen Dekanaten) des Erzbistums."


Aha.

Und weiter heißt es da:



"Der heutige Bau datiert jedoch aus späterer Zeit. Um 1267 begonnen, wurde er um 1340 fertiggestellt. Er behielt jedoch die Vorgaben des Grundrisses des Willigis-Baus und damit die Ausgestaltung als Doppelchoranlage bei. St. Stephan ist damit die älteste gotische Hallenkirche am Mittelrhein und die nach dem Dom bedeutendste Kirche der Stadt Mainz.

Von 1462 - 1499 wurde der Kreuzgang an die Südseite angefügt. In der Barockzeit wurde St. Stephan dem Stil dieser Epoche entsprechend ausgestattet. 1857 explodierte jedoch ein nahegelegener Pulverturm (Mainz war im 19. Jh. Bundesfestung), wodurch die barocke Ausstattung der Kirche wieder verloren ging. Im Zweiten Weltkrieg wurde St. Stephan schwer beschädigt. Insbesondere der große Westturm musste danach in einem komplizierten Verfahren restauriert werden. Nicht wiederhergestellt wurden jedoch die Gewölbe von Langhaus und Westchor, die nun durch eine flache Holzdecke ersetzt sind.

In seiner heutigen Form ist St. Stephan also eine dreischiffige gotische Hallenkirche mit Chören im Osten und Westen sowie mit einem 65 m hohen achteckigen Glockenturm über dem Westchor."


(Quelle: bistummaiz.de)



Die Pfarrkirche St. Stephan zu Mainz | Foto: KE


Den "richtigen" Dom hatte ich dann schließlich auch noch finden können, er liegt etwas weiter weg und unterhalb der Stephanskirche, und es wird um ihn herum derzeit gebaut, gehandwerkert oder rekonstruiert. Man kann jedoch durch einen unscheinbaren Seiteneingang in ihn rein; das tat ich dann, doch (mit Verlaub) - sein Innerers wirkte auf mich nicht annähernd so aufregend und schön wie das durch die Chagall-Glasfenster mit zigfachem Blau gelichterte von St. Stephan zu Mainz.


Andre Sokolowski - 27. Juni 2023
ID 14268
Weitere Infos siehe auch: https://bistummainz.de/


https://www.andre-sokolowski.de

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