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Kulturspaziergang


And the Winner is?

MATERA 2019


La citta dei Sassi, das alte Matera, ist vor ein paar Wochen zur europäischen Kulturhauptstadt 2019 ernannt worden und wird sich diesen Titel – zusammen mit der bulgarischen Stadt Plowdiw – ein Jahr lang teilen. Matera hat sich hier gegen Bewerbungen von 21 Städten, darunter Ravenna, Perugia oder Siena, durchgesetzt. Wir sind in knapp 5 Stunden am Osterwochenende von Rom aus in die Basilikata gefahren, um diesen mythischen Ort kennen zu lernen. Mit dieser Idee waren wir natürlich nicht allein...

Matera war in den 80er Jahren noch ein Geheimtipp. Seit sie aber 1993 in den edlen Kreis der UNESCO-Welterbestätten aufgenommen wurde, ist diese bedeutende und alte Stadt in der Basilikata in die Reiserouten gen Süden aufgenommen worden. Mittlerweile hat sich dort eine bunte Künstlerkolonie angesiedelt, und direkt am Ortseingang entsteht in einem stillgelegten Steinbruch der Skulpturenpark La Palomba.



Der Eingang zu Materas Skulpturenpark La Palomba - Foto (C) Christa Blenk


Matera ist eine der ältesten, wenn nicht die älteste Stadt Italiens. Die gewaltig-faszinierenden und terrassenförmig ansteigenden Grottenwohnungen aus weichem Kalktuff entstanden in der Spätantike um 800 v.C. Diese Art zu leben war nicht nur günstig und praktisch kostenlos, sie schütze die damaligen Bewohner auch vor Wind, Sonne und Feinden. Direkt in den Fels eines 400 Meter hohen Bergkegels aus Tuffsteinplateau gehauen, bilden diese Behausungen zusammen mit unterirdischen Labyrinthen, grau-braunen Konstruktionen aus allen Zeiten und modernen Abwasser- und Regenwassernutzungssystemen ein sehr beeindruckendes Ensemble. Direkt davor tut sich eine grandiose und wilde Schlucht auf und gibt den unbeschreiblich schönen Panomarablick auf das Flusstal der Gravina frei.

Den italienischen Schriftsteller Carlo Levi erinnerten diese Höhlenwohnungen an die trichterförmige Hölle Dantes. Er schrieb in seinem 1945 erschienenen Roman Christus kam nur bis Eboli über Matera folgendes: "Die Türen der Behausungen standen wegen er Hitze offen und ich sah in das Innere der Höhlen, die Licht und Luft nur durch die Türen empfangen. Einige besitzen nicht einmal solche; man steigt von oben durch Falltüren und über Treppen hinein. In diesen schwarzen Löchern mit Wänden aus Erde sah ich Betten, elenden Hausrat und hingeworfene Lumpen. Auf dem Boden lagen Hunde, Schafe, Ziegen und Schweine. Im Allgemeinen verfügt jede Familie nur über eine solche Höhle und darin schlafen alle zusammen. Männer, Frauen, Kinder und Tiere."

Das hat sich natürlich geändert. Es gibt jetzt viele moderne Restaurants, ein Museum, Kunstgalerien, schicke Cafeterias, und einige der Höhlen sind sogar zu Hotels umfunktioniert worden. Aber der ursprüngliche Charakter der Altstadt ist nicht verloren gegangen; das darf auch nicht passieren, sonst entzieht die UNESCO ihr ganz schnell den Titel (das haben wir ja in Dresden gesehen). Überall wird gearbeitet, gebaut und renoviert, und viele Straßen sind – hoffentlich aus diesem Grund - gesperrt.



Terrassenförmig ansteigende Grottenwohnungen in Matera - Foto (C) Christa Blenk


60.500 Einwohner hat diese Stadt, in der nun überall stolze Hinweise zu 2019 hängen - auf einem großen Plakat am Museum, dem Palazzo Lanfranchi, steht in schwarzen Buchstaben „Je suis Charly“; damit kommen die Bewohner auch schon einer der Verpflichtungen einer europäischen Kulturhauptstadt nach.

Auf der Suche nach einem Drehort für seinen kontroversen Film Das 1. Evangelium – Matthäus entdeckte 1964 Pier Paolo Pasolini Matera (eigentlich wollte er diesen Film in Palästina drehen, hat aber nach langen Reisen durchs Land nicht das gefunden, was ihm vorschwebte – das erfährt man alles in der Ausstellung). Die intellektuelle Atmosphäre, die sich in den 60er Jahren in Italien um Persönlichkeiten wie Fellini, Moravia oder Elsa entwickelte, passte gut in das Konzept des homosexuellen und kommunistischen Pasolini, der plötzlich mit seinem eigenen, persönlichen Katholizismus auftrumpfte.

Filme wurden seitdem immer wieder dort gedreht. Levis' o.g. Buch wurde 1979 verfilmt, und 1985 kamen die „Sassi“ (Felsen) mit dem Film King David erneut in die Kinos. 2002 setzte Mel Gibson mit dem Film Die Passion Christi die (biblische) Kinokarriere von Matera fort. Die drei Kreuze, die er auf der anderen Seite der Schlucht aufstellen ließ, sind immer noch zu sehen. Leider war die Einfahrt in den Naturpark, in dem viele Grotten und kleine Höhlenkirchen zu sehen sein sollen, gesperrt.



Die drei Kreuze aus Mel Gibsons Film Die Passion Christi stehen immer noch in Matera - Foto (C) Christa Blenk


Matera hat eine lange und faszinierende Geschichte: Griechen, Römer, Langobarden, Sarazenen, Normannen haben im Laufe der Jahrhunderte Spuren und Angst hinterlassen. Seit 1927 ist Matera die Hauptstadt der Provinz. Die Basilikata gehört zum Mezzogiorno und ist eine der ärmeren Regionen in Italien. Inmitten von nicht enden wollenden Bergketten, auf denen jetzt im April noch Schnee zu sehen war, liegt es eingekeilt zwischen Apulien, Kalabrien und Kampanien und hat nur einen kleinen Zugang zum Mittelmeer.


Christa Blenk - 10. April 2015
ID 8558
Weitere Infos siehe auch: http://www.matera2019.it


Post an Christa Blenk

eborja.unblog.fr



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