San Lorenzo
in Rom
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Aurelianie-Mauer der Tiburtina - Foto (C) Christa Blenk
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Das Viertel San Lorenzo liegt östlich der Aurelianischen Mauer und um die Porta Tiburtina und war/ist ein populäres Arbeiter- und Studentenviertel. Die Universität La Sapienza hat ihren Hauptsitz ebenfalls hier, und deshalb hat San Lorenzo bei den Studentenunruhen in den 60er Jahren eine wichtige Rolle gespielt. Im Zweiten Weltkrieg, am 19. Juli 1943, wurde das Viertel durch die alliierten Bombenangriffe erheblich zerstört und dann mit wenig Mitteln wieder aufgebaut.
Ab und zu stößt man aber noch auf eines der schönen Bürgerhäuser, die dann Geschichten von früher erzählen. Das tut auch die kleine und mit Schätzen angefüllte Kirche Santa Bibiana – sie liegt allerdings noch innerhalb der Mauer, direkt neben den Bahnschienen. Umso größer das Wunder, dass sie die Bombardierung ohne Schaden überstanden hatte.
Rot und Schwarz treffen hier in diesem linken Viertel permanent aufeinander. Kirchliche und militärische Einrichtungen existieren und leben nebeneinander, und gegenüber der Universität befindet sich eine wichtige und große Kaserne – immer an der Wand lang kommt man zur Castro Pretorio.
Weiter auf der Konsularstraße Tiburtina erreichen wir den Friedhof Verano. Er sieht wie ein Luxuspark aus. Riesige sonnendurchflutete Pinien, Statuen und kleine Pavillons zieren ihn. Der italienische Guerillakämpfer und Hauptprotagonist des Risorgimento, Giuseppe Garibaldi (er ist sicher der populärste Italiener nach Dante, und jeder noch so kleine Ort hat einen Platz oder eine Straße nach ihm benannt [ein Tipp: Wenn man dem GPS das Stichwort Garibaldi eingibt, kommt man immer mitten ins jeweilige Zentrum]) liegt hier, Marcello Mastroianni, Alberto Moravia, Roberto Rossellini, Vittorio De Sica, Alida Valli u.s.w.
Daneben glänzt eine der ältesten, aber auch eine der wichtigsten Pilgerkirchen Roms: die Basilika di San Lorenzo fuori le mura. Ursprünglich stammt sie aus dem 4. Jahrhundert und wurde unter Konstantin mit römischen Säulen erbaut (die Einschüsse stammen aus dem 20. Jahrhundert) und im 13. Jahrhundert umgebaut. Die Fresken an der überdachten Außenfront sind aus dieser Zeit und noch gut erhalten. Der Rest, wie gesagt, wurde 1943 ziemlich zerstört, aber man sieht und spürt, dass es eine alte und ehrwürdige Kirche war und immer noch ist.
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Aurealianische Mauer des Amphitheaters Castrense - Foto (C) Christa Blenk
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Fresko der Bibianakirche - Foto (C) Christa Blenk
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Die Mauer gegen Gewalt - Foto (C) Christa Blenk
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Wenn man dann die Tiburtina immer weiter stadtauswärts fährt, kommt man zum ultramodernen Bahnhof Tiburtina, der vor ein paar Jahren eröffnet wurde und dessen Umfeld immer noch brach liegt. Mittlerweile haben sich aber die Geschäfte im Innern wenigsten etabliert.
Wieder stadteinwärts kommt man an die Universität La Sapienza. Der italienische Faschismus-Stararchitekt Marcello Piacentini hat diesen Komplex in den 30er Jahren errichtet. Viele kleine günstige Restaurants und Pizzerien versorgen die Studenten und Bewohner von San Lorenzo. Die Aula Magna der Universität organisiert von Oktober bis Juni regelmäßig Konzerte vom Feinsten, und wir brauchen sozusagen nur mal über die Straße zu gehen. An der Piazza Siccoli dann unser Lieblingsrestaurant „Rouge“ (es heißt wirklich so!) - im Sommer kann man draußen sitzen.
Auf der Tiburtina-Mauer einwärts (also entro le mura) stoßen wir schließlich auf das heimliche Juwel, die Kirche Santa Bibiana. Der Bau für diese Minikirche, die von außen wie ein Palazzo aussieht, begann im Jahre 361, im 13. Jahrhundert wurde sie umgebaut und um ein Kloster erweitert. Für das Jubiläumsjahr 1625 beauftragte der gewichtige Gönner von Bernini (Papst Urban VIII.) diesen, eine Statue der Hl. Bibiana zu fertigen. Man will es nicht glauben, aber sie befindet sich immer noch in der Kirche und zieht sofort nach Eintritt ins kühle Kirchenschiff die Blicke auf sich... Berninis Hl. Bibiana ist eingerahmt von wunderbaren und beeindruckenden Fresken aus dem 17. Jahrhundert, die zum Teil das Leben der Heiligen erzählen oder die Gespräche des Architekten während des Baus beschreiben. Die Fresken sind von Pietro da Cortona (1596-1669) und Agostino Ciampelli (1577-1642). Domenico Marziani, Girolamo Troppa und Agostino Ciampelli und viele andere Vorbarockkünstler haben ebenfalls beim Bau dieses Kleinen Juwels mitgewirkt.
Elsa Morante wohnte in diesem Viertel, und Pier Paolo Pasolinis Lieblingsrestaurant „Pommidoro“ – er besuchte es u.a. auch mit Alberto Moravia – befindet sich ebenfalls in San Lorenzo.
Vor einigen Jahren schossen um die Piazza dell‘Immacolata unzählige kleine Theater und Kinos aus dem Boden, und Galerien entstanden in ehemaligen Pastafabriken. Einige von ihnen mussten aber durch die Krise wieder schließen. Künstler gibt es viele hier, und vor allem viel Street Art, einige Werke sind wirklich gut, manche auch sehr politisch, wie die Mauer gegen die Gewalt gegen Frauen zeigt. Diese immer länger werdende Mauer beeindruckt mich besonders; die stummen, sich an der Hand haltenden weißen Frauen verbreiten eine klamme Dramatik, die man mit Worten allein nicht erreicht.
Der beste Schokoladenfabrikant von Rom, SAID, ist ebenfalls unser Nachbar. Nur hat der Laden (und das schicke Restaurant) vom 1. Juli bis 1. Oktober geschlossen: in dieser Zeit ist es zu heiß für Schokolade.! Unsere familiäre Lieblingseisdiele ist aber gleich daneben und entschädigt dafür.
San Lorenzo bietet also fast alles – außer Touristen!
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Christa Blenk - 15. August 2014 ID 8018
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