Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 2

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

CD-Besprechung

Kaleidophon Verlag - Wartende Stille

Warum Kafka sich nicht traute
Kaleidophon Verlag, Berlin 2006
ISBN 3-9810808-2-3


Geschriebene Küsse an Franz Kafka

„Ich schreibe seit ein paar Tagen, möchte es sich halten…Ich kann wieder ein Zwiegespräch mit mir führen und starre nicht in so vollständige Leere. Nur auf diesem Weg gibt es für mich eine Besserung“, schreibt Franz Kafka in sein Tagebuch. Dort kämpft er gegen Depressionen an. In seinen Briefen eher gegen die Einsamkeit - und irgendwie auch gegen die Liebe.
Sein stetiger Wechsel im Gemütszustand wie in seinen Liebesverhältnissen brachte viel Unruhe in das Leben des am 3. Juli 1883 geborenen Juristen und Schriftsteller Franz Kafka.

Der Berliner Kaleidophon Verlag hat Kafkas Befindlichkeiten zu einer akustischen Collage verarbeitet. 60 Minuten lang entführt uns das kleine, feine Hörstück in die ganz private Welt von Kafka. Man erlebt einen sensiblen, lustigen, traurigen und sehnsüchtigen Mann. Man begegnet dem Romantiker und dem Schriftsteller, dem Kranken, dem Liebenden - und dem Egomanen. „Wartende Stille. Warum Kafka sich nicht traute“ ist der tragische und sehr bezeichnende Titel der Hördokumentation. Drei mal war Franz Kafka verlobt. Geheiratet hat er nie.
Eine seiner Herzdamen ist die österreich-tschechische Schriftstellerin Milena Jesenská (geboren am 10. August 1896). Die exzellente Journalistin übersetzt Franz Kafkas Erzählung "Der Heizer" aus dem Deutschen ins Tschechische. Dadurch lernt Kafka sie kennen. Es entsteht ein reger Briefwechsel und eine kurze, aber innige Liebschaft.
Sie schreiben sich Hunderte von Briefen, Kafka nennt ihre "geschriebene Küsse". Sehen tun sie sich eher selten. Kafka plant Wienbesuche, die er nicht antritt. Für Milena Jesenká ist diese Beziehung enttäuschend. Denn Franz Kafka quälte sich zwischen Wunsch nach Bindung und Angst vor Nähe und körperlichem Kontakt.
Milena Jesenská ist 13 Jahre jünger als Franz Kafka und sehr lebenslustig. Sie verkehrte in der Prager deutsch-jüdischen Gesellschaft, wo sie unter anderen auch Franz Werfel und Max Brod kennen lernt, einen engen Freund und Schriftstellerkollegen Frank Kafkas.
Kafka fordert die Trennung von ihrem Ehemann Alfred Pollak, der Milena Jesenká betrügt. Sie ist jedoch noch nicht bereit, sich von Pollak zu trennen, Kafka wiederum schreckt vor Milenas leidenschaftlichem, fordernden Charakter zurück. Die Liaison zwischen Kafka und Jesenská zerbricht. „Du gehörst zu mir, selbst, wenn ich Dich nie mehr sehen würde“, schreibt er, gefangen in seinem Widerspruch.
Am 3. Juni 1924 stirbt Kafka in Kierling bei Klosterneuburg in der Nähe von Wien an einem langjährigen Lungenleiden. In "Národní listy" erscheint am 6. Juni 1924 ein von Milena verfasster Nachruf auf den Verstorbenen.

In „Warum Kafka sich nicht traute“, einem literarisch-musikalischen Patchwork aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen erzählen vier Frauen von Kafka: Zwei Jugendfreundinnen, die Schwestern Nelly Engel und Gertrude Urzidil, die er als Backfisch ins Theater einlud. Die Sanatoriumsbekanntschaft Hermine Beck. Auch seine letzte Lebensgefährtin Dora Diamant plaudert aus dem Nähkästchen. Sie erinnert sich an sein Charisma, seinen Charme und seine Sensibilität.
Falko Glomm spricht Kafka, der nicht nur depressiv und sondern auch oft sehr witzig war - und sogar Hundeliebhaber. Schreiben allein war sein Ding, nur dazu fehlte ihm fast nie die Kraft.
Der in Berlin geborene Falko Glomm absolvierte eine Schauspielausbildung, schreibt mit Petra Preuß zusammen, inszeniert und wirkt bei TV-Produktionen mit, arbeitet als Funk- und Synchronsprecher sowie als Kommentarsprecher für ARTE-Dokumentationen.
Den Part von Milena Jesenksá der lebenshungrigen, fordernden Geliebten spricht Petra Preuß. Sie, arbeitet als Schauspielerin für das Theater und als Sprecherin für Funk und Synchronisation. In verschiedenen Kurzfilmen, in TV-Produktionen sowie in dem ZDF-Spielfilm „Mitten im Leben“ wirkt sie als Schauspielerin mit.
Das Prager Panocha Quartett setzt auf der Audio-CD das Briefmotiv musikalisch fort. Das Streichquartett No.2 namens „Intime Briefe“ von dem Tschechen Leos Janacek knüpft an andere Verbindungen an.
Das Panocha Quartett wurde 1968 von vier Studenten des Prager Konservatoriums gegründet: Jiøí Panocha (Violine), Pavel Zejfart (Violine), Miroslav Sehnoutka (Viola) und Jaroslav Kulhan (Violoncello). Das Streichquartett widmet sich vorrangig der tschechischen Musik.

Franz Kafka war Jurist und Schriftsteller. Sein Hauptwerk bilden drei Romanen (Amerika, Der Prozeß, Das Schloß), zahlreiche Erzählungen (Die Verwandlung“) sowie der Briefwechsel mit Felice Bauer und Milena Jesenká und Tagebuchaufzeichnungen. Zum Teil wurden Kafkas Werke erst nach seinem Tod von Max Brod veröffentlicht. Sie übten bleibenden Einfluss auf die Weltliteratur des
20. Jahrhunderts aus. Max Brod, Kafkas Freund und Förderer, an den er auch unzählige Briefe schrieb, hatte auch dem kompositorischen Werk ihres Zeitgenossen zum Durchbruch verholfen.
Milena Jesenská arbeitet als Journalistin und als Übersetzerin. Nach ihrer Scheidung von Ernst Pollak wird ihr die politische Arbeit immer wichtiger. Sie tritt 1931 der Kommunistischen Partei bei und wird 1936, wegen einer kritischen Äußerung über den Stalinismus, wieder ausgeschlossen. 1939 nimmt sie eine illegale Arbeit bei der Zeitschrift V boj (In den Kampf) an und organisiert die Flucht von Juden nach Polen. Deswegen wird sie im November 1939 verhaftet. Nach einem Prozess mit Freispruch wurde sie "zwecks Umerziehung" ins KZ Ravensbrück gebracht. Dort stirbt die Schriftstellerin und Journalistin am 17. Mai 1944 mit 48 Jahren an einer Nierenerkrankung.

„Er ist ohne die geringste Zuflucht, ohne Obdach. Darum ist er allem ausgesetzt, wovor wir geschützt sind. Er ist wie ein Nackter unter Angekleideten. (...)“ formuliert Milena Jesenská ihre Sicht auf Kafka. Und für sie spricht stellvertretend Ria Endres in „Milena antwortet. Ein Brief“: „Du hast in fataler Weise Dein Leben geschont, als es um unsere Liebe ging. Du hast die Bewegung vermieden, von der man selbst bewegt wird“.
Denn die Frau im Schatten des großen Mannes war das Briefeschreiben leid. „Ich hätte zu antworten tage- und nächtelang“. Sie wollte die Liebe lieber direkt erleben.


Hilde Meier - red / 6. Juli 2007
ID 00000003347
Wartende Stille
Warum Kafka sich nicht traute
Audio-CD, 60 Minuten
ISBN 3-9810808-2-3
Kaleidophon Verlag
Berlin 2006
14,95 Euro (UVP)

www.ravensbrueck.de

Siehe auch:
http://www.kaleidophon-verlag.com





  Anzeige:




LITERATUR Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

AUTORENLESUNGEN

BUCHKRITIKEN

DEBATTEN

ETYMOLOGISCHES
von Professor Gutknecht

INTERVIEWS

KURZGESCHICHTEN-
WETTBEWERB
[Archiv]

LESEN IM URLAUB

PORTRÄTS
Autoren, Bibliotheken, Verlage

UNSERE NEUE GESCHICHTE
Reihe von Helga Fitzner



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal





Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2025 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)