Verborgene
Welt
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Bewertung:
Wenn in der Literatur von fremden Lebensformen die Rede ist, so stammen diese in der Regel von anderen Planeten, Aliens, die fern von uns leben und vermutlich völlig anders aussehen als wir selbst. Perfide wäre es, wenn sie uns gleichen würden, wir keine oder kaum eine Möglichkeit hätten, sie von uns zu unterscheiden, und noch schwieriger würde es sein, wenn sie auch noch von unserem Planeten kämen. Ist dies vorstellbar?
Wenn wir an die Ozeane denken, die bis zu 10.000 Meter tief sein können, wäre eine andere Lebensform am Meeresgrund denkbar. Frank Schätzing hat diesen Gedanken in seinem Bestseller Der Schwarm aufgegriffen, und Anne Freytag führt ihn weiter, lässt die sogenanntem „Marins“ vom Meeresgrund auch unter uns leben, Menschen wie du und ich und doch anders.
Während im Buch die meisten Menschen von diesen Mitgeschöpfen keine Ahnung haben, verhandeln Geheimdienste und Wirtschaftsgiganten bereits mit dem Volk aus dem Meer. Und dabei gehen diese machtstrategisch vor, was zu einer globalen Krise führt, der sich der Leser Schritt für Schritt oder im Roman in fünf Tagen nähert und die in einer Katastrophe endet.
Alles beginnt mit dem tödlichen Unfall der deutschen Innenministerin Patricia Kohlbeck, die mit ihrer Tochter Maya in ihrer gepanzerten Limousine in die Spree stürzt und in ihrem Fahrzeug ertrinkt. Auch Maya wird für tot erklärt, erwacht in der Pathologie jedoch zu neuem Leben. Die Ungeheuerlichkeit wird erst am Ende des Buches plausibel aufgeklärt, zunächst muss der Leser es einfach akzeptieren, denn Maya wird zur Hauptperson, versucht zu klären, wieso ihre Mutter den Wagen ungebremst in die Spree lenkte und welche Bedrohung die Mutter spürte. Die letzten Worte, im Unfallwagen an sie gerichtet, lauteten: „Du kannst niemandem trauen, sie stecken alle mit drin.“ War der Unfall also ein Mordversuch?
In Rückblicken lernen wir die Innenministerin kennen, eine skrupellose Person, die aus der Genforschung kommt, an geheimen Strategien der biologischen Kriegsführung arbeitet und über Leichen geht.
"Niemand schweigt so gekonnt wie sie. Patricia deutet etwas an und lässt ihr Gegenüber dann frei interpretieren. Und am Ende kann man ihr nichts vorwerfen, weil sie es nie laut ausgesprochen hat.
'Du hast die Sicherheitsfreigabe ignoriert', sagt Stein schließlich.
'Es war schon ziemlich spät und ich muss sie übersehen haben.'
'Blödsinn' sagt Stein knapp, erhebt sich von seinem Stuhl und geht um den ausladenden Schreibtisch herum. Dabei lässt er sie nicht eine Sekunde aus den Augen. Genauso wenig wie sie ihn. Wie Beute und Jäger. Stein fragt sich, wer in diesem Fall was ist." (Aus schwarzem Wasser, S. 115)
Prof. Robert Stein ist Chef des Forschungsinstituts, gleichzeitig Leiter des Geheimdienstes, schon das allein eine fatale Verquickung. Dazu ist er der Liebhaber der Innenministerin und – nicht Mayas Vater. Den kennt Maya nicht, weiß nicht einmal, wer es sein könnte. Maya war ihre Mutter fremd, in den letzten Jahren bestand kein Kontakt mehr zwischen beiden, bis Patricia Kohlbeck ihre Tochter ohne Vorankündigung mit dem Auto abholt, auf den sonst üblichen Fahrer verzichtet und anscheinen Dringendes mit ihr zu besprechen hat. Doch dazu kommt es nicht mehr. Nun wird Maya selbst bedroht, ihr Bekannter Daniel, der sie unterstützt, wird umgebracht, während sie einen Angriff nach dem anderen überlebt.
Hilfe kommt vom ehemaligen Assistenten ihrer Mutter Efrail Rosendahl. Wer ist der Mann, der sich im Umfeld von Geheimdiensten zielsicher bewegen kann und im Nahkampf ausgebildet ist? Es wird immer schwieriger zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, was ist fingiert, wo lauert Gefahr, und wer von den Personen, von denen sie Hilfe erwartet, ist vielleicht gar kein Mensch?
Abstrus? In gewisser Hinsicht schon, doch die Autorin klärt Eigentümlichkeiten detailliert auf und bleibt keine Erklärung schuldig. Dennoch wird es am Ende arg unübersichtlich. So halten wir einen ungewöhnlichen Thriller in der Hand, der die dunklen Geschäfte der Mächtigen, die die Spielregeln zu ihren Gunsten steuern, ungeschminkt zeigt. Dabei ist es egal, ob es sich um Menschen untereinander oder um Menschen handelt, die mit einer anderen Art von Lebewesen, den Marins, verhandeln, die ebenfalls nicht zimperlich vorgehen. Zum Schluss trifft es alle, und das sollte vielleicht die Quintessenz des Romans sein: Frieden kann nicht mit Waffen erkämpft werden, egal wie diese Waffen aussehen.
Ellen Norten - 13. November 2020 ID 12595
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Aus schwarzem Wasser von Anne Freytag
Post an Dr. Ellen Norten
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