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Unsere Neue Geschichte (Teil 20)

Die Entwicklung

eines „planetarischen

Bewusstseins“





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Das Buch Defend the Sacred. Wenn das Leben siegt, wird es keine Verlierer geben fasst die Reden und Vorträge zusammen, die bei einem internationalen Treffen im Sommer 2018 im portugiesischen Tamera, einem Zentrum für Friedensforschung und -ausbildung, stattfand. Herausgeberin ist The Grace Foundation, die sich für ökologische, ökonomische, soziale und spirituelle Nachhaltigkeit einsetzt. Deren Direktor Benjamin von Mendelssohn schreibt im Vorwort über die Absicht hinter dem Buch: „Vor allem will es einen globalen Aufbruch dokumentieren, eine Neubesinnung auf menschliche und ökologische Werte und eine einzigartige Verbindung von politischem Engagement und spirituellem Wissen sichtbar machen.“ Die Journalistin Leila Dregger ist maßgeblich an der Entstehung der Veröffentlichung beteiligt und schreibt, dass es gelte, eine globale Allianz für den Schutz des Lebens auf der Erde zu bilden.

„Defend the Sacred“ (dt.: "Verteidige das Heilige") ist eine solche Verbindung von politischem Aktivismus mit der spirituellen Quelle und wurde zu einer globalen Bewegung, die ihren Ursprung 2016 in Standing Rock hatte, als Ölfirmen eine Pipeline mitten durch ein Indianerreservat in Nord Dakota, USA bauen wollten, was die dort ansässigen Mitglieder der Standing Rock Sioux Nation durch friedliche Proteste zu verhindern versuchten. Die Art und Weise, wie die Rechte der Ureinwohner eingeschränkt wurden, erweckte internationale Anteilnahme, denn viele erachteten die bewaffnete Gewalt gegen die BeschützerInnen des Reservats als unrechtmäßig und überzogen. Die Good Earth Woman, Ladonna Brave Bull Allard (s. Buchcover) wurde zu einer Ikone des gewaltlosen Widerstands, der mittlerweile weit über Standing Rock hinausgeht. Trotz der Bedrohung und Gewalt, der sie ausgesetzt waren, sagt Allard: „Standing Rock hat das Gute im Menschen hervorgebracht.“ Die Stärke der Bewegung liege darin, dass sie frei von Angst und Gewalt agiere, immer mit Zeremonien und in Anbindung mit der Natur. Eine besondere Rolle kam der Jugend dabei zu, die sich als entschlossen und mutig bewies, und die Botschaft von der Verteidigung des Heiligen über die sozialen Medien in die Welt trug. Es kamen VertreterInnen von Hunderten indigener Stämme, Menschen aus aller Welt unterschiedlichster Herkunft und Berufe, die eine beispielhafte Gemeinschaft und einen starken Zusammenhalt erschufen. Der Umweltaktivist John Quigley beschreibt die Stimmung in Standing Rock so: „Es war ein starker Gebetsraum, kompromisslos, auf eine weiche Art unnachgiebig, aber ohne Gewalt. Diese Form des Aktivismus... führt uns zu uns selbst, führt uns nach Hause in eine lebenswerte Zukunft.“

Der Geist von Standing Rock wird weitergetragen. Im Zentrum des Treffens 2018 in Tamera stand das Wasser. Mensch und Erde bestehen zu einem großen Teil aus Wasser, weswegen es für Indigene heilig ist. Rajendra Singh aus Indien hat aus Holz, Erde und Steinen eine Struktur gebaut, die das Regenwasser daran hindert, zu schnell abzufließen. Die oft ausgetrockneten Böden können den Regen nicht mehr speichern. Singhs „Johad“ sammelte es und wenige Wochen später waren auch die Brunnen wieder gefüllt. Sein Beispiel machte Schule: Es gibt nun über 10.000 Johads und über 1000 Dörfer können sich nun wieder selbst versorgen und haben einige Tausend Quadratkilometer Halbwüste zum Erblühen gebracht. - Der slowakische Wirtschaftswissenschaftler Vlado Zaujec stellte seine Organisation „Rain for Climate“ vor. „Trockengebiete strahlen Hitze ab, die in die Luft steigt“, was einer der Faktoren der Erderwärmung ist. Auch sein Team hat Maßnahmen zur Wasser-Retention entwickelt, die das Einsickern wieder ermöglichen. Sie lassen Drohnen über betroffene Gebiete fliegen, die Daten sammeln, nach denen Maßnahmen zur Revitalisierung und Bewässerung der Gegend entwickelt werden. Zaujec ist so optimistisch, dass er glaubt, dem Land in fünf bis sieben Jahren 25 Prozent des fehlenden Wassers zurückgeben zu können. Extreme Wetterphänomene wie Hitzewellen, Überflutungen, Dürren, Wüstenbildung und Brände stehen mit dem gestörten Wasserkreislauf in Kausalzusammenhang.

Ein Jahr vor dem Treffen hatte es in Portugal verheerende Waldbrände gegeben. Der Hauptgrund dafür war das Ausmaß der trockenen Böden, die durch Monokulturen ausgelaugt sind. „Die Zerstörung lokaler Wasserkreisläufe führte auch zur Zerstörung des natürlichen Gleichgewichts zwischen Feuer und Wasser“, berichtet Laura Williams aus Portugal. Die Lösung ist theoretisch relativ einfach, die Betriebsabläufe in der Land- und Forstwirtschaft müssen sich wieder an der Natur ausrichten. In ausreichend bewässerten Gegenden mit Mischkulturen können sich Feuer nicht mehr so fatal ausbreiten.

Was Konzerne und Politik für uns vorgesehen haben, ist eine Zentralisierung von Macht und Ressourcen. Wasser, Nahrung, Geld und Energie sind für jeden Menschen vonnöten und so wurden mehrere Projekte mit dezentralen Ansätzen vorgestellt. Da draußen vor der portugiesischen Küste Ölbohrungen stattfinden sollten, bedachten die TeilnehmerInnen dies mit einer friedlichen, künstlerischen Aktion, die das Projekt abwendete, das jetzt vermutlich aber an einem anderen Ort durchgeführt werden wird. - Es gibt Länder, in denen solche Aktivitäten sehr gefährlich sind. Die Bäuerin Brigida Gonzales berichtet von ihrem Friedensdorf in San José in Urabá, Kolumbien. Seit der Gründung 1997 wurden etwa 300 Dorfbewohner umgebracht, obwohl sie nicht bewaffnet sind. Der Landraub durch multinationale Konzerne ginge in Kolumbien auch nach dem sogenannten Friedensvertrag von 2016 unvermindert weiter.

Der Dresdener Aktivist Martin Winiecki ist der Koordinator der „Defend the Sacred Alliance“ und erklärt den Begriff „Wetiko“, der von dem nordamerikanischen Stamm der Algonquin überliefert wurde: „Es bezeichnet die Entfremdung einer menschlichen Seele. Sie ist nicht mehr mit der inneren Lebenskraft verbunden und ernährt sich deswegen von der Energie anderer Wesen... Gepaart mit der chronischen Unfähigkeit, Anteilnahme für das Leben anderer Wesen zu empfinden, erscheinen dann Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung nicht nur gerechtfertigt, sondern gar logisch und rational.“ Da setzt Tamera an, indem es einen Ort gegründet hat, an dem eine innere Heilung stattfinden kann, der dann die äußere, namentlich die Heilung der Erde, folgt. Das dortige Modell des Heilungsbiotops soll „die sozialen, ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, in denen sich die Selbstheilungskräfte des Lebens entfalten und kulturbildend wirken können“, schaffen. Den zerstörerischen Auswüchsen des Kapitalismus' wird ein wachsendes planetarisches Bewusstsein entgegengestellt, das eine ebenfalls planetarische Gemeinschaft und Kultur nach sich ziehen soll.

„Wir verbinden uns mit der Macht des Lebendigen und leiten dadurch einen Systemwechsel ein, durch den die sozialen Strukturen von Vertrauen und Kooperation von selbst entstehen“, erklärt Sabine Lichtenfels, die Mitgründerin von Tamera. Es ist fast natürlich, dass solche Gruppen auch unterschiedlicher Kritik ausgesetzt sind. Gerade Spirituelles, Gemeinschaft, Bewusstsein, das Heilige, das hier verteidigt wird, sind nicht messbar und werden mitunter als unrealistisch abgetan. Angesicht des desolaten Zustands unseres Planeten sollte aber nichts unversucht bleiben, eine Verbesserung zu bewirken. Das Buch hilft zu verstehen, dass wir nicht getrennt von der Natur existieren, wir sind ein Teil von ihr und alles steht miteinander in Verbindung. Es ist die große Aufgabe unserer Zeit, uns selbst und die Erde in einen symbiotischen Urzustand zurückzuführen. Das schulden wir dem Planeten, den zukünftigen Generationen und letztendlich auch uns selbst.


Helga Fitzner - 10. April 2019
ID 11345
Link zum Buch: https://de.verlag-meiga.org/product/defend-the-sacred/


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