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nachDRUCK # 2

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Roman

Fateful

shades

of black





Bewertung:    



„Das Leben war ein böser Traum, der sich in den wesentlichen Teilen immer wiederholte. Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn, aber schließlich stirbt es. Diese selbstgefälligen Leute, mit denen sie nun Umgang pflegte, fand sie wenig bewundernswert, und sie fühlte sich ihnen weit überlegen. Es waren heuchlerische, eintönige Menschen. Sie begingen, was sie Sünde nannten, mit der gleichen Glanzlosigkeit, mit der sie auch ihren Dienst taten an Gott, Familie und ihrer gesellschaftlichen Gruppe. Keiner hatte Alvas Feuer und Begeisterung und auch nicht seine Leichtlebigkeit. Ja, sie hatte endlich die »richtige Art von Leuten« kennengelernt und hatte erkannt, dass diese ganz und gar falsch lagen.
Sie übertönte ihre wachsende Unzufriedenheit mit Arbeit.“


(Wallace Thurman, The Blacker the Berry, S. 183)

*

Emma Lou Morgan, die junge, anfangs noch hoffnungsvolle und abenteuerlustige Protagonistin aus The Blacker the Berry (1929) von Wallace Thurman (1902-1934) verspürt zunehmend Bitterkeit. Aufgrund ihrer Dunkelhäutigkeit erfährt sie im New York Ende der 1920er Jahre Anfeindungen und teils versteckte Diskriminierung. Ob nun „Darkys“ (S. 153) oder „Dark meat“ (S. 215) – die Leser lernen eine ganze Bandbreite abfälliger Bezeichnungen für junge Frauen mit dunkler Hautfarbe kennen, mit denen Emma Lou konfrontiert wird. Heddi Feilhauer findet treffende Übertragungen in ihrer Übersetzung des Romans und erklärt weiterhin Begriffe im Glossar. Mit der Neuübersetzung von Thurmans Romandebüt schaffte es der Verlag ebersbach und simon, 2020 und 2021 noch mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet, 2022 auf die begehrte Hotlist der unabhängigen Verlage. The Blacker the Berry ist ein wichtiges Zeugnis über die enorme Alltagsdiskriminierung der damaligen Zeit. Es veranschaulicht insbesondere, wie Schwarze selbst Rassismus in der eigenen Community wahrnehmen, assimilieren und in gewisser Hinsicht fortführen. So spricht im Mittelteil einer erhellenden Diskussion, der Emma Lou beiwohnt, ein anderer Schwarzer ausschweifend bildhaft von einer quasi historisch eingeimpften Überlegenheit von Menschen mit hellerer Hautfarbe:


„'Wie ich schon sagte' nahm Truman seine zuvor unterbrochene Argumentation wieder auf, 'man kann es den hellhäutigen Schwarzen nicht zum Vorwurf machen, dass sie die dunkelhäutigen ausgrenzen. Wir wissen doch alle, dass die Farbe weiß nun einmal das Symbol für alles Reine und Gute ist, sei es im konkreten oder abstrakten Sinne. Ivory Seife wirbt damit, dass sie dank ihrer elfenbeinernen Weiße völlig rein wäscht. Das gilt für alle Bereiche und geht bis zur Darstellung von Tugend und Jungfräulichkeit, die immer in weißer Kleidung abgebildet werden. Und als Krönung von allem sitzt Gott, der alte weiße Patriarch, zu dem sehr viele von uns beten, auf einem weißen Thron, in einem makellosen, strahlend weißem Himmel, umgeben von weiß gewandeten Engeln, die weißen Honig essen und weiße Milch trinken.'“ (S. 130f.)


Emma Lou fällt es sichtlich schwer, diesen Vortrag, der ihr auch das eigene Schicksal vor Augen führt, auszuhalten. Der Mittzwanziger Thurman findet sich in seinem starken Romandebüt in die Sichtweise Emma Lous gut ein. In den Anmerkungen der Übersetzerin erfahren wir, dass Thurman nicht nur in Emma Lou und ihrem Liebhaber Alva, sondern auch in eben jenem Truman autobiografische Bezüge anlegte und sogar eine autobiografische Strategie des fragmentierten Selbst (S. 218) verfolgte.

Thurman arbeitet in seinem Roman chronologisch mit einfachen, literarisch recht ungeschliffenen Sätzen. Die anfangs hoffnungsvolle Ausgangssituation mit einer jungen Frau, die in dieser Zeit eigene Wege geht, wandelt sich. Emma Lou ist aufgrund ihres familiären Hintergrunds benachteiligt und wird als Schwarze diskriminiert. Die Protagonistin selbst ist vielschichtig angelegt. Sie ist nicht durchweg eine Sympathieträgerin, da sie selbst Dünkel hat und sich mit den Gegebenheiten offensichtlich nicht abzufinden vermag. Ihre Wandlung über den Romanverlauf hinweg wirkt uneinheitlich, nicht stringent und teils auch konstruiert: Obwohl sie den Weg in die Selbstständigkeit sucht, begibt sie sich in Abhängigkeiten zu männlichen Partnern.

Insbesondere die männlichen Bekanntschaften Emma Los erscheinen dabei zwielichtig, so lassen sie sich durch wechselnde Liebhaberinnen aushalten. Aus der Perspektive Alvas, der seinen Mitbewohner Braxton mit einer wohlhabenden jungen Frau, Anise, bekannt gemacht hat, heißt es:



„Alva war sehr stolz auf sich, als er sah, wie gut sich die Sache zwischen Anise und Braxton entwickelte. Sie hockten ständig zusammen, und da Anise es von Haus aus nicht unüblich fand, einem Liebhaber etwas von den Tischen der Reichen abzuzweigen, floss sehr bald einiges in Braxtons Taschen, was wesentlich zu seinem Lebensunterhalt beitrug. Sie übernahm seinen Mietanteil und nach drei Wochen musste Alva zugeben, dass sie ihren Braxten »verwöhnte wie einen König«.“ (S. 154)

Zum Ende hin bietet der Roman noch die eine oder andere witzige, nicht immer glaubwürdige Pointe. Wallace Thurman verstarb 1934 im Alter von 32 Jahren in New York an Tuberkulose. Sein Schlüsselroman der Harlem Renaissance, einer künstlerischen Bewegung afroamerikanischer Schriftsteller zwischen 1920 und 1930, lädt dank der gelungenen Neuübersetzung zum Wiederentdecken ein.



Ansgar Skoda - 28. April 2023
ID 14165
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