Lese-Welten
der anderen
Art
|
|
Bewertung:
Ein tauber Ohrenarzt namens Dr. Pfeiff, der Pfeiff-Konzerte ohne jedes Instrument ausgerechnet für Tinnitus-Patienten schreibt? Eine Zeitschrift, die die Gedanken ihres einzigen Lesers erraten, seine Themenwünsche erfüllen und jahrelang von ihm leben kann? Ein smarter Kühlschrank mit Überwachungssoftware, der seinen Besitzer aussperrt, wenn er zu viel Bier trinkt? Sagen Sie „okay“, wenn Sie die Bedingungen akzeptieren, schnarrt der smart-cooler. Oder er geht nicht zu.
Und sagen Sie ruhig okay, wenn Sie sich auf Lese-Welten der anderen Art einlassen wollen. Warum nicht mal Science-fiction und Fantastik? Beides muss nicht unbedingt in der Zukunft oder in einer Lichtjahre entfernten Galaxie stattfinden, sondern kann auch in einem gewöhnlichen irdischen Wohnzimmer zu Hause sein. SF spielt mit unseren Möglichkeiten und denkt deren Konsequenzen weiter. Ein aufklärerischer Anspruch, der oft genug Anlass für Weltuntergangsszenarien und düstere Zukunftsprognosen bietet. Nicht aber in der ausgesprochen unterhaltsamen Kurzgeschichtensammlung Das Alien tanzt Kasatschok. Das Konzept der Herausgeberin Ellen Norten ist so einleuchtend wie einfach und erfrischend: SF und Fantastik aus einem heiteren Universum. Norten, bekennend gut gelaunt trotz Intelligenz, hat allerhand Texte gesammelt – von bekannten und weniger bekannten Autoren.
Natürlich geht da nix ohne Aliens. Mal sind sie die sprichwörtlichen kleinen grünen Männchen, mal lila Materialisierungen, mal verkleiden sie sich als wohlschmeckende Trüffel, dann wieder geben sie sich völlig formlos. Was viele der Aliens eint, die auf diesem 270 Buchseiten zusammengekommen sind? Sie lieben Musik, besonders den Rock der 1970er Jahre, der für sie schon mal eigens ins All geblasen wird. Und siehe da: Fremden Lauschposten fährt Led Zeppelin in die dünnen Beine. Entgegen den galaktischen Befehlen, unsichtbar zu bleiben, besuchen sie den alten Hippie, der die Scheibe aufgelegt hat, trinken ihm sein Bier weg und tanzen ab, was in den Katakomben der Nationalgarde mit einer Teleportation in letzter Minute endet. Denn Musik sprengt alle Grenzen. Und sie reißt sogar die winzigen Bewohner des emotionslosen Planeten 0-8-15 vom Hocker, die sich in ihrer perfekten Ordnung entsetzlich langweilen. Das ändert erst eine irdische Tanzveranstaltung.
Überhaupt scheint es so manchen Außerirdischen auf der Erde ganz gut zu gefallen. Obwohl wir Menschen nicht mal sprechdenken können und überhaupt viel zu wenig entwickelt sind, um in die Galaktische Union aufgenommen zu werden. Doch bei uns hat man Spaß, Tanz und Bier. Und wenn´s schlecht steht um die Welt, fängt sie wieder bei Adam und Eva an. Dank Aliens, die sich von unserer Bosheit nähren und sie so gierig auffressen, dass sie platzen. Was das All gelassen zur Kenntnis nimmt.
Sollten wir jedoch vor einem Neustart der Erde in aller Unschuld unser Diesel-Abgas-Problem nicht in den Griff bekommen, sollten fliegende Autos, sogenannten smart-gliders, noch mehr Dreck in die Luft pusten, bietet sich eine rettende Alternative an: die freundliche Übernahme der Welt durch eine versaute, aber technisch hochentwickelte Spezies, die nur noch in hochkonzentriertem Kohlendioxyd leben kann.
Gott allerdings hat sich dann längst auf der Flucht vor der Wissenschaft gemacht, in die DNA eines Spulwurms zurückgezogen und gibt keine Interviews.
Doch lesen Sie selbst!
|
Petra Herrmann - 11. August 2017 ID 10185
Ellen Norten (Hrsg.) | Das Alien tanzt Kasatschok
SF und Fantastik aus einem heiteren Universum
AndroSF 61
EUR 11,90
p.machinery Michael Haitel; 2017
ISBN: 9783957650832
Weitere Infos siehe auch: http://www.pmachinery.de/
Post an Petra Herrmann
petra-herrmann-kunst.de
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeige:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
AUTORENLESUNGEN
BUCHKRITIKEN
DEBATTEN
ETYMOLOGISCHES von Professor Gutknecht
INTERVIEWS
KURZGESCHICHTEN- WETTBEWERB [Archiv]
LESEN IM URLAUB
PORTRÄTS Autoren, Bibliotheken, Verlage
UNSERE NEUE GESCHICHTE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|