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Interview

Alexandra

Schmidt

im Gespräch über ihre Autobiografie


Dr. Alexandra Schmidt | Foto © Anne Smith / adeo Verlag



Wie kam es zu dem Titel Ihrer Autobiografie Und heute bin ich frei, und wovon sind Sie heute frei?

Alexandra Schmidt:
Der Titel kam vom Verlag. Ich gab meiner Autobiographie den Titel „Lebenswandel - mein langer Weg aus Missbrauch zu eigener Würde.“ 71 Jahre musste Ich werden, um mich vom Gepäck meiner Kindheit zu befreien: Nichts mehr herzeigen, beweisen, leisten zu müssen, um mich beschützt und angenommen zu wissen. Seither gehe ich anders durch die Straßen, fühle mich gesehen und bejaht, ohne etwas leisten zu müssen oder besonders zu sein. Das ist ein entspanntes, freies Gefühl. Jesuitische Exerzitien von acht bis zehn Tagen sowie dann zweimal große Exerzitien von je 30-tägigem Schweigen haben mich erst mit 70 Jahren Höllen und Fegefeuer erleben und zu mir selbst kommen lassen, sodass ich erst mit 71 Jahren bei Piet van Breemen [kürzlich im Alter von 94 Jahren gestorben, Anm.d.Red.) meine Würde empfunden habe. Er strahlte die Liebe aus und musste sie nicht erklären.


Wie waren die Reaktionen aus Ihrem Umfeld auf das Buch?

A. S.:
Viele waren sehr beeindruckt und geradezu erschrocken über all das, was ich erlebt habe. Sie mussten das Buch immer wieder weglegen, Lesepausen machen, um zu verkraften, was da stand. Andere konnten nicht aufhören zu lesen und haben es in einem Rutsch die ganze Nacht weiter- und durchgelesen. Insbesondere Männer sagten, dass sie es sehr beachtlich fanden, dass ich mich getraut habe, alles so ehrlich aufzuschreiben. Aber auch mein Schreibstil hat große Anerkennung bekommen.  


Sie sind Ärztin und Psychotherapeutin, schreiben jedoch über Ihren Lebensweg und die Missbrauchserfahrung recht unabhängig von therapeutischen Paradigmen und bedienen dabei auch nicht das Narrativ des inzwischen (glücklicherweise) etablierten Umgangs mit sexualisierter Gewalt und Missbrauch. Wie kommt es dazu?

A. S.:
Ich habe nicht als Ärztin oder Psychotherapeutin über jemanden, sondern als Betroffene alles von mir selbst Erlebte ehrlich aufgeschrieben. Da haben psychotherapeutischen Beurteilungen keinen Platz.


Ihr Vater war schon vom Kleinkindalter an die vielleicht wichtigste Bezugsperson.  Ihre Mutter starb ja recht früh an den Folgen eines Suizidversuchs.

A. S.:
Mein Vater hat mich nicht nur der Mutterbrust entzogen, weil er meinte, Alete sei besser, sondern mich auch früh zur Sauberkeit erzogen. Bei ihm durfte ich weder Angst haben, noch Schmerz empfinden. So hat er mich zum Beispiel mit zwei Jahren so lange am Handgelenk geschnipst, bis es blutete. Ich ließ es lächelnd zu, um seine Anerkennung zu bekommen.  Hingegen durfte ich in diesem Alter täglich stolz Pfeife mit ihm rauchen, ich eine kleine, er eine große. Er hat sich also sehr um mich gekümmert, wenn auch auf seine Weise. Von meiner Mutter hingegen wurde ich fast nur gemaßregelt. Später, mit acht Jahren, hat sie mich ohne Vorankündigung als fünftes Rad am Wagen bei Verwandten abgegeben und ist nach Berlin zurückgegangen, dort schizophren geworden und später an den Folgen eines Suizidversuchs gestorben, als ich zwölf Jahre alt war.


Wie sind heute Ihre Gefühle hinsichtlich des erlebten Missbrauchs?

A. S.:
Widersprüchlich. Es hat mir einerseits nach jahrelanger Entbehrung Nähe und Geborgenheit gegeben und hat mich gestärkt eine Geliebte zu sein. Andrerseits aber wurde so verhindert, dass ich mich im Laufe meiner Entwicklung vom notwendig  empfundenen Lob meines Vaters abgrenzen und eigenständig werden konnte. Diese  Problematik habe ich leider in meine Ehe genommen.


Wie war das Verhältnis zu Ihrem Vater im weiteren Verlauf?

A. S.:
Mit dem Auftreten meines Ehemanns ist der Einfluss meines Vaters wesentlich zurückgegangen. Die Tiefe der Beziehung zu meinem Vater ist mir im Moment des Abschiedsnehmens, seinem Sterben, durch die geschehene Versöhnung und des Friedenfindens unvergesslich klar geworden.


In Ihrer Autobiographie schildern Sie ein reichhaltiges Leben und einen Wandel Ihres Selbstbildes bis in das hohe Alter. Gab es Schlüsselmomente, in denen das schwere Gepäck der Kindheit aufschien?

A. S.:
Es gab ähnlichen Problematiken der Abgrenzung in meinen Liebesbeziehungen. Ein wichtiger Schritt in meiner Entwicklung ist durch den Glauben, die Auseinandersetzung mit Gott, insbesondere durch Ignatianische Exerzitien geschehen. Erst mein Glaube brachte mir meine Würde.

Was ich über Lebenssinn und Liebe verstanden habe, habe ich in 16 Lebensliedern zum Ausdruck gebracht. Zwei davon sind auf YouTube zu sehen und zu hören: Ich sage Ja zu Dir und Alle Menschen wollen tanzen.


Sehr schöne Songs, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute!

*

[ Das Gespräch mit Dr. Alexandra Schmidt wurde im August d.J. in Berlin geführt. ]
Interviewer: Ansgar Skoda - 30. Dezember 2021
ID 13337
Verlagsinfos zu Dr. Alexandra Schmidt


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