Versuchen Sie nie komischer zu sein als ich
„Sonnenallee“-Regisseur Leander Haußmann erscheint in seiner Biografie als Hans Dampf in allen Gassen des Glücks
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Leander Haußmann als Vorlesender im BE - Foto (C) Jamal Tuschick
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Er stammt aus einer Schauspielerfamilie. Schon der Großvater spielte am Deutschen Theater, Leander Haußmann erzählt das im Berliner Ensemble. Die Strecke zwischen den Häusern ist als Distanz eine Kleinigkeit. Haußmann stellt im BE sein Buch Buh. Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück vor. Mit dem Untertitel soll es „die Ratgeberliteratur erweitern“. Sein Verlag wirbt mit Stadelmaier. Der Kritiker nannte den Sonnenallee und Herr Lehmann-Haußmann „Deutschlands fröhlichste Regienull“.
Nimm deine Feinde bei ihren Worten und strick einen Dreh daraus. Plaudern als Nahkampf – Haußmann holt aus wie ein von hungrigen Hyänen bedrängter Christ im Kolosseum vermutlich einst ausholte. Zu seinen Verwandten zählt Haußmann Hermann Hesse und Meret Oppenheim. Aus dieser Galerie der Bedeutung habe er eine Nummer gemacht, um mit ihr so hausieren zu gehen wie man sich mit einem interessanten Tier auf der Straße zeigt. Zu der Zeit als Haußmann der heißeste Nachwuchstheatermann auf dem Planeten war, fand Botho Strauß ihn hinreichend für eine mittlere Regiearbeit. Die Kantinen hyperventilierten vor Erregung, Strauß war damals erster Vorsitzender der spielenden Intelligenz, geradezu ein Heiner Müller des Westens. Er bestand auf eine Begegnung bei Haußmann daheim und kam kaum über das weggebrochene Treppenhausgeländer hinweg. Er wollte Tee, „den hatten wir nicht vorrätig“. Der dünne Kaffee und eine dürftige Bibliothek führten Strauß an den Rand des Wahnsinns. „Seine Brauen vibrierten“, er fürchtete, Haußmann wolle „Schabernack“ treiben mit seinem Stück. Der Jungstar, verkatert und unvorbereitet nicht nur im Detail, sondern allgemein unvorbereitet auf so einen Strauß mit seiner verschiedenen Sozialisation, verursacht aus Versehen Verzweiflung. Kein Vorschlag passt. Strauß wiederholt indigniert: „Das habe ich doch gar nicht geschrieben.“
Haußmann hält dagegen: „Das macht nichts, das machen wir so und am Ende wird Brecht erschossen. Er steht aber wieder auf.“
„Wieso Brecht und wieso ersteht der Brecht wieder auf?“
„Weil er nicht tot zu kriegen ist.“
Das ist Haußmann in der Nussschale, die dicksten Faxen sind stets seine. Einen Witz aus dem Auditorium quittiert er: „Versuchen Sie nicht komischer zu sein als ich, wenn Sie sich nicht noch lächerlicher machen wollen.“
Er lüftet das Geheimnis des geschredderten Treppenhausgeländers, man habe damit einem Materialnotstand abgeholfen. Kleinere Holzarbeiten seien bis zum Prenzlauer Berg weithin Mode gewesen.
Mir gefallen diese Streiflichter. Flüchtig leuchten sie in eine improvisierende Gesellschaft. Haußmann ist ein großer Erzähler kleiner Geschichten. Er spielt seine Themen an, täuscht Banalität und Lethargie vor und gibt sich stets das beste Blatt. Ist er sich peinlich, spricht Haußmann von sich in der Dritten Person. Als junger Mann habe er immer nur mit geschlossenem Mund gelächelt, seiner schlechter Zähne wegen. Er bezichtigt sich ´„einer Sehnsucht nach Tiefe im Gespräch, dem Drang, sich fremden Leuten vollständig zu öffnen.“ Er hält Leute mit diesem Drang auf und lacht darüber.
Arglistig bemerkt Haußmann Comeback-Erwartungen älterer Kollegen, die schon im Anlauf aus dem Rahmen der Erfüllung kippen. Seine Komplimente gehen so: „Du bist eine tolle Schauspielerin, aber nicht in dieser Rolle.“ Ein Kollege changiert oder dilettiert in einem Delirium zwischen Depardieu und Kinski.
Haußmann gerät in die Theaterdiaspora von Mecklenburg. Er beschreibt Kotzpausen auf dem Weg zur Bühne. Man hatte sich „im Sibirien der Theaterlandschaft“ an eine Premiere „heran getrunken“. Auf seinem nachbarschaftlichen Misthaufen dominiert ein Hahn das Geschehen im Stadttheater Parchim, „der Gulag“ genannt. Der Chefdramaturg, ein Mann der Partei und „im Mischgewebeanzug“, dringt auf Hinrichtung des Hahns. Der Hahn wird am Hals abgeführt, die enteigneten Bauern holen vom Markt den lautesten Vogel. Das wäre doch gelacht, das Theater ist in einem Hotel untergebracht, im ursprünglichen Theater sitzt die Volkspolizei. In dieser verkehrten Welt kegeln die Mecklenburger im Theaterkeller. Die Brüder belegen seit dreiunddreißig zehn Bahnen mit Beschlag, „während es das Theater im Hotel doch erst seit dem Bitterfelder Weg gibt.“
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Buchcover zu Leander Haußmanns Buh - (C) Kiepenheuer & Witsch
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Haußmann entdeckt einen Druckfehler in Buh, er donnert Kiepenheuer & Witsch-Verlagsleiter Helge Malchow an. Malchow lächelt über seine Verhältnisse und erspart sich die Risiken eines Wortwechsels mit dem aufrauschenden Autor. Der steckt alle in die Tasche, in Parchim fehlt es an allem, sieht man ab vom Alkohol. Die Belegschaft erwirbt „eine Schlaggenehmigung“ bei dem VEB Forstwirtschaft, um Holz für einen Bühnenbau zu organisieren. Von der Nachtprobe noch betrunken und den Katerdrohungen „mit Kontergetränken“ begegnend, eilt man in den Wald. Da stellt man fest: „Holz muss liegen.“
Mit frischem Holz lässt sich wenig anfangen. Haußmann inszeniert Ibsen so, dass ein Polizist erst Ausweise kontrolliert und dann zu „Honky Tonk Woman“ strippt. Diese Unbotmäßigkeit mit Insubordinationscharakter soll sanktioniert werden. Die Stasi im Theater („Denunzianten aus Leidenschaft“) bestellt kasernierte Volkspolizei zur Premiere – „Theater auf Befehl“. Amtliche Buh-Rufer, die sich aber „in der Darstellung offensichtlich wiederfinden“. Auch der Kollegen-Strip kommt gut an und wirkt sogar animierend. Das sind so Schwänke, Buh ist voll davon und weil sie so schön sind, will ich noch einen verbreiten. Haußmann arrangiert ein Gipfeltreffen der Weimarer Klassik an einem Berliner Theater. Er bringt Don Carlos und Egmont zusammen in einem Stück, sein Vater spielt den spanischen König. In dieser Eigenschaft soll er sich bei Gelegenheit mit einer südlichen Geste seiner Männlichkeit vergewissern.
Geschwollener geht es wohl nicht? Leanders Vater erkennt keine Notwendigkeit: „Der König von Spanien ist doch kein Hafenarbeiter.“ Ein Streit entbrennt auf der Probe, nur, weil ich dein Sohn, nur, weil dein Vater ich bin: „Wer je Sohn war, möchte das nicht: mit dem Vater arbeiten.“
Der König von Spanien steht subaltern auf dem Schlauch seiner Selbstachtung: „Nenn mir einen treffenden Grund, weshalb der König das tun sollte.“ – Schließlich resigniert der Sohn. Er kapituliert mit einem Lapsus: „Da es ihn juckt.“ – „Warum hast du das nicht gleich gesagt. Da es den König juckt, kratzt er sich selbstverständlich.“ So gleicht der Griff in den Schritt einem Griff nach den Sternen. So imperial.
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Haußmann liegt im Hotelbett nicht allein, wie er sollte. Freundin Christiane ruft an und hört aus seiner Einsilbigkeit, wie ihr Hase im Pfeffer liegt: „Du bist doch nicht allein.“ - „Bin ich doch.“ - „Wenn neben dir keine Frau liegt, dann kannst du doch auch sagen: Neben mir liegt eine blöde Schlampe.“ | Foto (C) Jamal Tuschick
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Jamal Tuschick - 1. Oktober 2013 (2) ID 7201
Leander Haußmann | Buh
272 Seiten, gebunden
€ (D) 18,99 | sFr 26,80 | € (A) 19,60
Kiepenheuer & Witsch, 2013
ISBN 978-3-462-04531-4
Weitere Infos siehe auch: http://www.kiwi-verlag.de/das-programm/einzeltitel/?isbn=978-3-462-04531-4
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