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Lesung


James Bond mit Totenkopf

Matthias Göritz liest im Berliner Aufbauhaus aus seinem eben erschienenen Roman „Träumer und Sünder“


Matthias Göritz bei einer Lesung im Berliner Aufbauhaus - Foto (C) Jamal Tuschick



„Toupiert wie ein Popstar in den 1980er Jahren“ geht die Bekanntschaft aus der mediterranen Staubhöhle Hotel Angleterre auf Reisen. Entgegenkommend zeigt sie sich vor einer schwülen Kulisse und in einer verheißungsvollen Komplikation dem Erzähler in Matthias Göritz’ Roman Träumer und Sünder. Der Titel zitiert Klopstock. Dessen Träumer und Sünder „gerät unter sein Volk, es zu segnen als Erstgeborener“ eines unglaublichen Vaters. Der Unglaubliche im Roman heißt harmlos Helmut Erlenberg. In Hollywood kennt man ihn als „The German“, das klingt nach Tank und Tiger, so martialisch. Der Deutsche als Kampfname besingt die Deformation erstklassiger Nibelungen in zweitklassigen Verfilmungen. Erlenberg selbst suggeriert dies, wenn er sagt, dass die besten Ideen ihre Ursprünge in den schlechteren Regisseuren haben. Mit solchen Finessen wird der Leser von Träumer und Sünder unterhalten.

Die Suggestion wirkt auch im Vortrag. Wie im Berliner Aufbauhaus, wo der Autor als Gast von Britta Gansebohm Licht in den August bringt. Das müssen Fans sein, auferstanden aus ihren Liegestühlen, die sich an diesem verschwitzten Abend in Gansebohms Salon geschleppt haben. Das sind Frankfurter, die sich im Vorspann über ihre Geburtskrankenhäuser austauschen – wie zur Legitimation.

Göritz lebt in Frankfurt, das weiß vielleicht nicht jeder. Er geht seine Sache in Berlin konzentriert an, er zieht ein Ticket nach Cannes. Die Begeisterung der Körper scheint da grenzenlos, nach der ersten Nacht mit der Bekanntschaft fühlt sich unser Held wie ein Gott. Sieht aber aus wie eine Leiche. Göritz ist vor allem Lyriker, das legt an dieser Stelle Hölderlin nah; jemand schüttelt Hände wie Cocktails. Den Dänen steckt der Protestantismus in den Knochen wie ein Krebs. Das münzt der sagenhafte Erlenberg auf Lars von Trier, der in Cannes Hitler versteht. Man erinnert sich an den Sturm im Stundenglas einer verlorenen Zeit. Vergessene Saison geht auch.

Der Erzähler hat hinter sich eine emotionale Übernahme, die unter dem Namen Melanie im Telefon verbleibt – Melanie als Stichwort für zügig verblassende Erinnerungen. Mit ihren Accessoires, „ein Kissen hier, ein Foto auf der Kommode“, hat Melanie ihn in seiner Wohnung an einen Rand gedrängt – und versteht jetzt noch nicht den Verlust ihrer Macht. Doch ihre Mitteilungen ploppen schon als Spam auf einem gleichgültigen Display. Engagiert ist der Erzähler im Gespräch mit Erlenberg, dem eine Gleiwitz-Verfilmung als Tanz der Walküren im Stil von Apokalypse Now und Riefenstahlharter Dekonstruktion vorschwebt.

Erlenberg zeigt sich immobil, hält aber einen Siegfried zur ergänzenden Verfügung. Der hypertrophe Knecht könnte neben Nicole Kidman eine Hauptrolle übernehmen in Erlenbergs Auffassung von Hitlers „Unternehmen Tannenberg“ – ein Polen in die Stiefel geschobener SS-Überfall auf den Radiosender Gleiwitz. So wurde dem ersten Feldzug des Zweiten Weltkriegs ein Vorwand geschaffen.

Im Gespräch nach der Lesung schwärmt der Autor für Erlenberg, „diesem Zwitter zwischen Künstler und Bankier. Plötzlich war Erlenberg für mich real.“

Das widerfuhr ihm in Los Angeles, „wo ich damals lebte.“

Auch Alfred Naujocks, seinerzeit Chef des Gleiwitzer Überfall-Kommandos, reizt Göritz als schillernde Figur und James Bond mit Totenkopf.
Jamal Tuschick - 8. August 2013
ID 7033
Matthias Göritz: Träumer und Sünder
C. H. Beck Verlag
238 Seiten
18,95 Euro
ISBN 978-3-406-65282-0


Weitere Infos siehe auch: http://www.chbeck.de/Goeritz-Traeumer-Suender/productview.aspx?product=12214650


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