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TV-Kritik


Aus Alt mach Neu: Roche und Böhmermann gibt sich angestrengt locker und zwanghaft ungezwungen



Charlotte Roche und Jan Böhmermann - Foto (C) ZDF/Phillippe Fromage

Ein Fernsehansager, der zwar an irgendwen erinnert, aber den das junge Publikum altersbedingt nicht ganz einordnen kann, liest vor einer Kulisse, die so trist ist, dass sie trotz Farbfernsehens fast schwarz-weiß wirkt, mit Anglizismen und Vulgaritäten voll gestopfte Ankündigungen vor. Roche und Böhmermann besinnt sich auf vergangene Fernsehkultur und bricht gleichzeitig mit ihr.

Sonntag vor zwei Wochen startete bei zdf.kultur Roche und Böhmermann, eine weitere Talkshow am Fernsehhimmel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Doch irgendwas ist anders als bei Maischberger, Kerner und Co. Statt stillem Wasser gibt es Whiskey, statt Technik im Ohr kleine Karteikärtchen. Und anstatt einer fundierten Debatte gesellschaftspolitischer Themen gibt es subjektive Statements, die eher an Selbstdarstellung als an Meinungsaustausch zwecks Horizonterweiterung erinnern.

In der letzten Ausgabe lud das Moderatorenduo, bestehend aus - wie sie sich selber anpreisen - „Bumsbuchflittchen“ Charlotte Roche und „Billiganzugträger“ Jan Böhmermann, wieder fünf Gäste ein: den ehemaligen ECHT-Sänger und Teenieschwarm, nun eher mäßig-attraktiver Hornbrillenträger und Neu-Autor Kim Frank, immer noch Tomte-Frontmann und Solokünstler Thees Uhlmann, den Wirtschaftsjournalisten Thomas Friemel, die selbsternannte Expertin für Zwischenmenschliches Paula Lambert sowie Balian Buschbaum, der einst deutsche Meisterin im Stabhochsprung war und dann in einer Autobiografie über seine Geschlechtsumwandlung aufklärte. Wie genau das mit der Erektion bei einem Transmann funktioniert, ist dann auch gleich das erste Thema der gewollt schonungslos offenen Gesprächsrunde. Zwar wagen die beiden bereits preisgekrönten Moderatoren Dinge zu fragen, die sich sonst niemand traut, doch als dann auch mehr als eine halbe Stunde später immer noch wiederholt das Wort ,Penis’ fällt, wird es dann doch zu viel des Guten. Ansonsten bleibt neben den künstlich-authentischen Einspielern nicht mehr allzu viel Zeit, um ein Thema zu vertiefen. Dafür ist die Hand voll Gäste in dem monoton schwarz gehaltenen Studio doch zu bunt gemischt. Wieso ausgerechnet diese Gäste-Auswahl getroffen wurde, bleibt bei der Talkshow, die sich sonst als absolut transparent darstellt (mit sichtbar gemachtem ‚Zurückspulen’ sowie Reflektion der Moderatoren während des Abspanns), leider schleierhaft.

Man wird das Gefühl nicht los, dass Charlotte Roche sich von ihrem eigenen Image in der Öffentlichkeit eingeschüchtert vorzugsweise im Hintergrund hält. Ihr Kollege Böhmermann muss bisweilen noch austesten, wo die Grenze zwischen provokativ und unverschämt ist. Seine ungezogenen Anspielungen wirken dabei artig auswendig gelernt. Reinwachsen in die großen Fußstapfen der alteingesessenen Talkshow-Dinosaurier muss das Format noch. Ob Roche und Böhmermann das schafft (oder überhaupt anstrebt!) und nicht bald als laues Lüftchen schnell verfliegen wird, das wird erst die Zeit zeigen. Frischen Wind haben sie (besonders im Angesicht der Reaktionen aus den Medien und sozialen Netzwerken) auf jeden Fall ins zu ernster Miene erstarrte Angesicht der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gebracht. Und besser unterhalten wird man zur Sendezeit auch auf keinem anderen Kanal.

Roche und Böhmermann wird sonntags um 22 Uhr auf zdf.kultur ausgestrahlt, ist aber auch online in der Mediathek des ZDF in voller Länge zu sehen.



Roche und Böhmermann auf zdf.kultur - (C) www.roecheundboehmermann.de


Lisa Krawczyk - 21. März 2012
ID 5816

Weitere Infos siehe auch: http://www.rocheundboehmermann.de


Post an Lisa Krawczyk



 

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