BAYREUTHER FESTSPIELE 2023
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2 Ereignisse (unter vielen): die Dirigentin Nathalie Stutzmann und der Tannhäuser von Klaus-Florian Vogt!!
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Klaus Florian Vogt als Tannhäuser, 2023 | Foto (C) Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
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Bewertung:
Das feuilletonistisch meist nachgeplapperte Gefasel über die aktuellen "Krisen" der BAYREUTHER FESTSPIELE sollte man nicht allzu ernst nehmen. Seit Mittwoch bin ich hier vor Ort und registrierte, nur als Beispiel, dass der Saal beim Rheingold oder der Walküre oder (gestern) bei dem Tannhäuser bis auf den letzten Platz besetzt war; von nicht ausverkauften Vorstellungen demnach keine Rede, jedenfalls bis jetzt nicht. Vor Vorstellungsbeginn sah ich am "Abendkasse"-Schalter jede Menge Leute, die nach Restkarten anstehen, und das sind wahrscheinlich dann die Karten, die beim Vorverkauf nicht weggegangen waren; zugegeben; sowas gab's die Jahre oder (besser noch:) Jahrzehnte vorher nicht, da war dann schon beim Vorverkauf alles so gut wie weg, aber egal. Die Leute kommen, Wagnerianer gibt's in Hülle und Fülle, also diese Spezies stirbt und stirbt einfach nicht aus. Ja und selbst wenn, wie aktuell, die meisten Wagnerianer den Valentin-Schwarz-Ring scheiße finden, geh'n sie trotzdem hin und sparen ihren Unmut bis zum Schlussvorhang am Montag (wenn der Regisseur dann vor den Vorhang treten wird) vorfreudig auf. Ihr Wutstress legt sich freilich irgendwann dann wieder, und vielleicht begreifen sie im Nachhinein das hochgenial Gemeinte und vielleicht nicht immer punktgenau Bewerkstelligte dieses neuen Rings, den ich z.Z. als Zweitbesten nach Castorf einzuordnen mir erlaube usw. usf.
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Gestern also die Wiederaufnahme des Tannhäuser in der grandiosen Inszenierung von Tobias Kratzer:
Der Titelheld ist Teil eines von Ekaterina Gubanova (als Venus) angeführten Gauklerquartetts, das mit seinem alten Citroën in Thüringen und Franken unterwegs ist; Manni Laudenbach (als Blechtrommel tragender und gealterter Oskar-Mazerat-Verschnitt) sowie die Drag-Queen Le Gateau Chocolat (als sie selbst) gehören mit dazu. Es kommt zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein die Truppe verfolgender Polizist zu Brei gefahren wird. Die am Steuer sitzende Venus entscheidet sich zur Fahrerflucht - das wiederum ist Anlass für den Titelhelden, bei den Gauklern auszusteigen; und wahrscheinlich war er längst der Dominanz ihrer Anführerin überdrüssig - soweit die Ausgangssituation, die uns das Video von Manuel Braun vermittelt. Alles Übrige, was Kratzers Erzählung in die ursprüngliche Handlung Wagners einzubringen resp. aufzusetzen hat, wird ebenfalls per vorgefertigtem und Live-Video auf die obere Hälfte des Bühnenbilds von Rainer Sellmaier vermittelt. Der erste und der zweite Akt, insbesondere der sog. Sängerkrieg auf der Wartburg, geraten so in eine Parallele; die ironische und humoristische Distanz des Macherteams um Kratzer zu dem Handlungshehren aus der Wagnerfeder ist gewollt und kommt beim Publikum sofort und widerstandslos an. Grandios gedacht, grandios gemacht!!
Über das Szenische hinaus muss von zwei weiteren Ereignissen als Doppel-Einzelfall berichtet sein: Die Dirigentin Nathalie Gutzmann (ein Allround-Talent der jüngeren Kapellmeisterinnen-Generation; sie selbst spielt zig Instrumente und war selbst mal Jahre lang eine der besten Kontraaltistinnen mit Spezialisierung auch auf Alte Musik) treibt "ihrer" Sängerinnen- und Sängermeinde das zumeist unartikulierte Wagnergeschrei und -gepresse, was sie zumeist unter anderen Dirigenten so "gelernt" und praktiziert haben, gänzlich aus. Es entsteht ein rundum textverständlicher Gesang, der in seinen unterschiedlichen Nuancen (laut, leise, hoch, tief, expressiv, diminutiv) technisch UND emotional funktioniert. Das Festspielorchester scheint auf jeden ihrer Fingerzeige bereitwillig zu reagieren, es gibt keine sinnlosen Überbordungen, alles hat System. Der Klang ist atemberaubend schön!
Und Klaus Florian Vogt?!
Spätestens bei seiner Romerzählung im dritten Akt, die ich so in dieser stimmlich exzessiven und zudem deklamatorisch einmaligen Dargebrachtseinsweise noch nie zuvor erlebte, ist klar, dass er derzeit der weltweit Beste für die Rolle ist. Vogt sprengte sowieso, seit Jahren schon, mit seinem lyrischen Tenor alle bisherigen Klischees zum sog. Wagnertenor; das war schon so bei seinem Lohengrin, den er noch immer beispiellos zu singen und zu artikulieren vermag, und das wird auch weiterhin bei seinem Parsifal und (aktuell auch hier in Bayreuth) bei seinem Siegmund so sein.
Nicht zu unterschlagen: seine Partnerin Elisabeth Teige (als Elisabeth) - mit ihr sang er auch vorgestern im ersten Akt von der Walküre; beide gelten als das Traumpaar dieser '23er Saison.
Ausufernde Bejubelung.
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Tannhäuser 2023 | Foto (C) Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
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Andre Sokolowski - 29. Juli 2023 ID 14311
TANNHÄUSER (Bayreuther Festspiele, 28.07.2023)
Musikalische Leitung: Nathalie Stutzmann
Regie: Tobias Kratzer
Bühne: Rainer Sellmaier
Kostüme: Rainer Sellmaier
Licht: Reinhard Traub
Video: Manuel Braun
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Besetzung:
Landgraf Hermann ... Günther Groissböck
Tannhäuser ... Klaus Florian Vogt
Wolfram von Eschenbach ... Markus Eiche
Walther von der Vogelweide ... Siyabonga Maqungo
Biterolf ... Olafur Sigurdarson
Heinrich der Schreiber ... Jorge Rodríguez-Norton
Reinmar von Zweter ... Jens-Erik Aasbø
Elisabeth, Nichte des Landgrafen ... Elisabeth Teige
Venus ... Ekaterina Gubanova
Ein junger Hirt ... Julia Grüter
Le Gateau Chocolat ... Le Gateau Chocolat
Oskar ... Manni Laudenbach
Der Festspielchor
(Einstudierung: Eberhard Friedrich)
Das Festspielorchester
Premiere war am 25. Juli 2019.
Weitere Termine: 07., 16., 20., 28.08.2023
Weitere Infos siehe auch: https://www.bayreuther-festspiele.de
https://www.andre-sokolowski.de
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