SCHLOSSFESTSPIELE LUDWIGSBURG FESTIVAL 2022
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Wohlklang
der Sintflut
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Bewertung:
Das Oratorium Il diluvio universale – auf Deutsch: Die Sintflut – von Michelangelo Falvetti (1642-1692) wurde 1682 in Sizilien uraufgeführt. Die Partitur, verschollen und vergessen, wurde erst in unserem Jahrhundert wiederentdeckt und das Werk 2010 von der Cappella Mediterranea und dem belgischen Chœr de Chambre de Namur unter der Leitung des Argentiniers Leonardo García Alarcón wiederaufgeführt. Seither reist es um die Welt und ist nun, schon für 2020 geplant, bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen eingetroffen. Von den ursprünglichen Vokalsolisten ist lediglich der Bass Matteo Bellotto als Gott himself geblieben, inmitten eines Ensembles, das nichts zu wünschen übrig lässt, zumal die zeittypischen Koloraturen makellos und ohne Ausrutscher bewältigt. Allein diese Riege von Solisten, deren Namen bei uns allenfalls Fans der Alten Musik bekannt sind, setzt jene ins Unrecht, die sich bei Konzertbesuchen am Vertrauten orientieren und Neugier durch das Prinzip ersetzen: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“. Die Aufführung fand im, wenn’s hoch kommt, zu einem Viertel besetzten Saal statt. Das lässt sich auch mit den Standing Ovations der verbliebenen Happy Few am Ende nicht wettmachen.
Was es zu sehen und in erster Linie zu hören gab, ist ein Zwischending zwischen konzertanter Aufführung, die einem für den Kirchenraum bestimmten Oratorium ja angemessen wäre, und einer halbszenischen Vorstellung, wie sie seit einiger Zeit auch auf Oratorien angewendet wird. Die Solisten treten zum Teil wie der kleine Chor durch Seitentüren über den Zuschauerraum auf. Der Tod, die „komische Rolle“, dargestellt vom polnischen Countertenor Kacper Szelążek als einzigem im Kostüm, trägt eine Sense und zeigt unter der weiten Kapuze ein weiß geschminktes Gesicht mit schwarz umrandeten Augen.
Leonardo García Alarcón dirigiert den Chor, der sich zunächst unterhalb der Bühne, unmittelbar vor den Zuschauern in der ersten Reihe aufstellt und das Publikum mit Kopfbewegungen adressiert, ehe es wie üblich hinter dem Orchester Platz nimmt, hinter den Rücken der Sänger*innen, was wohl eher Schau ist als Funktion. Einzelne Instrumentalgruppen stehen auf, wenn sie an der Reihe sind, was immerhin den Vorzug hat, die Partitur sichtbar zu machen.
Begleitet wird das Ganze von einer Lightshow: der Einbruch der Disco in die Alte Musik. Wenn der Sturm tonmalerisch einsetzt – ein Vorgriff auf Beethovens Pastorale – zucken an die Wände projizierte Blitze auf.
Notwendig wären diese visuellen Zutaten nicht. Musikalisch sind Il diluvio universale und Michelangelo Falvetti eine Aufnahme ins Repertoire auf alle Fälle wert. Allein der Einsatz der Tarantella mit Harfe, Theorbe und Laute gegen Ende des Werks ist von atemberaubender Schönheit. Die Bibel wird da doch eher weltlich als spirituell verstanden, wie auch die Allegorien – das Wasser, die Menschliche Natur, die Göttliche Gerechtigkeit und eben der Tod – eher einem Märchenbuch entstiegen scheinen als der Heiligen Schrift. Und der Perkussionist Keyvan Chemirani, der schon 2010 dabei war, fasziniert auf dem Zarb, einer persischen Holztrommel. Wie kam die bloß in eine sizilianische Komposition des 17. Jahrhunderts? Eine Erinnerung an die mittelalterliche arabische Herrschaft über die Insel? Oder doch ein Einfall des Bearbeiters und Dirigenten?
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Capella Mediterranea | (C) Francois de Maleissye
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Thomas Rothschild - 27. Mai 2022 ID 13643
"Il diluvio universale" (Forum am Schlosspark, 26.05.2022)
Michelangelo Falvetti: Il diluvio universale
Dialog für fünf Stimmen und fünf Instrumente, Libretto von Vincenzo Giattini
Mariana Flores, Sopran
Valerio Contaldo, Tenor
Matteo Bellotto, Bass
Julie Roset, Sopran
Ana Vieira Leite, Sopran
Anthea Pichanick, Alt
Kacper Szelążek, Countertenor
Chœur de Chambre de Namur
Cappella Mediterranea
Dirigent: García Alarcón
Konzert zu den SCHLOSSFESTSPIELEN LUDWIGSBURG FESTIVAL 2022
Weitere Infos siehe auch: https://www.schlossfestspiele.de/
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