Russische
Wochen (1)
DREI SCHWESTERN von Peter Eötvös
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Bewertung:
Russische Wochen bei den SALZBURGER FESTSPIELEN: Die Drei Schwestern nach Anton Tschechow als Oper in der Regie von Evgeny Titov und der Roman Der Schneesturm von Wladimir Sorokin als Bühnenfassung in der Regie von Kirill Serebrennikov.
Den Anfang machte die 1998 uraufgeführte Oper in drei Sequenzen des 2024 gestorbenen Komponisten Peter Eötvös als Neuinszenierung in der Felsenreitschule. Eötvös orientierte sich für das von ihm und Claus H. Henneberg in Deutsch verfasste und später ins Russische übersetzte Libretto am Schauspiel von Anton Tschechow. Wie die drei Sequenzen schon andeuten, verfolgt die Oper nicht chronologisch die Handlung des Stücks, sondern gibt die Träume und Hoffnungen der beiden Schwestern Irina und Mascha sowie des Bruders Andrej wieder. Dabei wiederholen sich Handlungsstränge aus den verschieden Perspektiven heraus.
Der Idee des Komponisten, alle in der Handlung verkommenden Frauenrollen mit Männern zu besetzten, folgt die Neuinszenierung von Regisseur Titov. Dazu haben die Festspiele die drei Countertenöre Camaron Shahbazi (als Mascha), Aryeh Nussbaum Cohen (als Olga) und Kangmin Justin Kim (als Natascha) sowie den Sopranisten Dennis Orellana (als Irina) verpflichtet. Die Haushälterin Anfissa wird vom Bass Alexander Teliga gesungen. Ein insgesamt sehr international und ausgelesen besetztes Ensemble. Eine weitere interessante Eigenheit der Komposition ist der Einsatz zweier Orchester, von denen ein kleineres Ensemble vor der Bühne und ein großes Orchester hinter der Bühne agiert. Das gibt der instrumentalen Charakterisierung der Hauptfiguren, die durch verschiedene Instrumente repräsentiert werden, eine besondere Wirkung. Die musikalische Leitung hat der französische Dirigent Maxime Pascal, der auch vorn im Orchestergraben wirkt. Das Dirigat des großen Orchestern hinter Bühne erfolgt von Alphonse Cemin. Ein großartiges Zusammenspiel.
Als durchaus grandios lässt sich auch das Bühnenbild von Rufus Didwiszus bezeichnen. Er hat eine dystopische Landschaft der Zerstörung auf die breite Panoramabühne der Felsenreitschule wuchten lassen. Das hat schon filmische Qualitäten. Ein zerbombtes Gleisbett aus Beton mit geborstenen Schienen windet sich aus einem Tunnel und endet an einer Mauer. Besser kann man nicht die Vergeblichkeit der Sehnsüchte von Tschechows Figuren als totalen Stillstand beschreiben. Ein Leben, das als dauerhaft existenzielle Apokalypse empfunden wird. Dazu kommt eine gewisse Aktualität mit Kriegsbezug, den es zwar so genau bei Tschechow nicht gibt, sich aber aus dem Abzug der Garnison am Ende des Stücks herstellen lässt. Auch hier laufen einmal Soldaten (Statisterie) mit Waffen über die Bühne. Ein stummer Chor des scheinbar Unausweichlichen.
Die Düsternis der Bühne korrespondiert mit der anhaltend melancholischen Stimmung in den drei Sequenzen. Schon im Prolog geben die klagende Musik und das vorweggenommene Ende des Stücks, bei der die Schwestern ihr Unglück beklagen und in die Zukunft verweisen, die Richtung der Opernhandlung vor. Ein abgefallenes Stationsschild mit dem Sehnsuchtsort Moskau wird aus dem Schutt geborgen. Die geschlechtliche Ambivalenz der Besetzung zielt ins Allgemeingültige. Das hier aber eine nicht so starke Betonung auf der Verfremdung liegt, zeugt vom Können der Sänger.
Ansonsten werden Tschechow-affine hier durchaus auf ihre Kosten kommen. Es beginnt mit Irina, die wie auch im Stück ihren Namenstag feiert und zwischen den Kontrahenten Tusenbach (Mikołaj Trąbka) und Soljony (Anthony Robin Schneider) steht. Letzterer marschiert hier im langen Mantel wie ein SS-Mann auf, begleitet von Schlagwerk, während die Schwestern durch Holzblasinstrumente und Viola zarter akzentuiert sind. Viel Blech gibt es für die Offiziere Tusenbach, Werschinin und den dauerbetrunkenen Doktors (Jörg Schneider) der sein ständiges „Tararabumbia“ wie Granatenexplosionen ausstößt. Für etwas Aufheiterung sorgen die kurzen Auftritte von Kangmin Justin Kim als gehässige Schwägerin Natascha, die hell aufkreischend immer wieder über das Gleis zu ihren Ausfahrten mit dem Verwaltungsvorsitzenden Protopopov hüpft.
Auch das recht oft hell aufleuchtende Feuer in der Stadt spielt in den drei Sequenzen eine fast albtraumhafte Rolle. Bruder Andrej (Jacques Imbrailo) ist als zweiter dran, sein langweiliges Leben zu beklagen und versucht sich am Ende aus seinem Fatsuite zu befreien, bis er nackt an der Rampe steht. Maschas heimliche Liebe zum unglücklich verheirateten Batteriekommandanten Werschinin steht im Mittelpunkt der dritten Sequenz. Viel Raum für Bariton Ivan Ludlow. Ein großes Klangerlebnis und Highlight im sommerlichen Opernrepertoire der SALZBURGER FESTSPIELE und mit Sicherheit auch inszenatorisch ein überzeugendes Gesamtkunstwerk, das nur noch zweimal in dieser Festspielsaison auf dem Spielplan steht.
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Drei Schwestern von Peter Eötvös bei den Salzburger Festspielen 2025 | Foto (C) SF/Monika Rittershaus
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Stefan Bock - 15. August 2025 ID 15412
Drei Schwestern (Felsenreitschule, 12.08.2025)
von Peter Eötvös
Musikalische Leitung: Maxime Pascal und Alphonse Cemin
Regie: Evgeny Titov
Bühne: Rufus Didwiszus
Kostüme: Emma Ryott
Licht: Urs Schönebaum
Klangregie: Paul Jeukendrup
Dramaturgie: Christian Arseni
Mit: Dennis Orellana, Cameron Shahbazi, Aryeh Nussbaum Cohen, Kangmin Justin Kim, Mikołaj Trąbka, Ivan Ludlow, Jacques Imbrailo, Andrey Valentiy, Aleksander Teliga, Anthony Robin Schneider, Jörg Schneider, Seiyoung Kim und Kristofer Lundin
Premiere war am 8. August 2025.
Weitere Termine: 21., 24.08.2025
SALZBURGER FESTSPIELE
Weitere Infos siehe auch: https://www.salzburgerfestspiele.at
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