Flattern mit
weichen Schwingen
im Zeitenlauf
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Die Jahreszeiten mit dem Malandain Ballet Biarritz | Foto © Olivier Houeix
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Bewertung:
Schwarze, überdimensionale Blütenblätter an den Wänden bieten die Kulisse, vor der ein dynamischer Facettenreichtum theatraler Gesten für sich einnimmt. Etwa zwanzig klassisch ausgebildete Tänzerinnen und Tänzer agieren synchron in schwarzen Kostümen mit nach hinten verschränkten oder nach oben emporgestreckten Armen. Sie kombinieren klassische und zeitgenössische Tanzschritte durch Glissades, Gleitschritte dicht über dem Boden, Gesten aus dem Barocktanz wie einleitenden Kniebeugungen des Standbeins mit anschließender Streckung (Pas de Bourrée) oder Verbeugungen. Leichtfüßige Rückwärtsschritte gehen über in elegante Drehmomente. Eine Vielzahl schwieriger Hebefiguren beeindruckt durch Kraft und Sinnlichkeit.
Das MALANDAIN BALLET BIARRITZ, das mit Die Jahreszeiten im Bonner Opernhaus gastierte, sorgte jüngst für zwei ausverkaufte Abende in der Bundesstadt. Atmosphärische Harmonien der eingespielten Musik spiegeln sich in tänzerischen Gesten wie synchronen kurzen Schrittfolgen. Die Aufführung ist strukturiert durch temporeiche Wechsel von großformatigen Ensembletableaus zu kurzen, innigen Solos, Duetten, Terzetten und Quartetten, die jahreszeitliche Veränderungen ankündigen. Die hier vereinzelt auftretenden Tänzer tragen nun jeweils ein hautfarbenes Nackt-Kostüm und ein überlebensgroßes schwarzes Blütenblatt, das an einem Handschuh wie ein sperriger Flügel befestigt ist.
Thierry Malandains bilderreiches, etwa einstündiges Ballett wurde 2023 auf dem Tanzfestival in Cannes uraufgeführt. Als Musikvorlage sind die Vier Jahreszeiten, ein Zyklus von vier Violinkonzerten und eine Abfolge von ländlichen Naturszenen im Frühling, Sommer, Herbst und Winter von Antonio Vivaldi weltweit bekannt. Für jeden Titel gibt es drei Sätze.
Malandain bringt jedoch zwei zeitgenössische Werke der Barockzeit zusammen, die von demselben Thema inspiriert sind, indem er Vivaldis Komposition mit den im Jahr 1728 von Landsmann Giovanni Antonio Guido (1680–1729) als Hommage an Vivaldi komponierten Scherzi Armonici sopra le Quattro Stagioni dell'Anno verwebt. In Bonn wurde die Musik von Band eingespielt.
Die 1988 gegründete Kompanie präsentierte eine starke, fein choreographierte und berührende Performance voller Anmut, Leichtigkeit und Zerbrechlichkeit zu mal melancholisch-schwermütigen, oft rhythmisch getriebenen Klängen. Die Körper-Bilder erinnerten in der dunklen Farbgestaltung von Bühne und Kostümen und in den unförmigen Hand- und Armschwingen auch ein bisschen an eine gestörte menschliche Beziehung zur Natur und die existentielle Bedrohung durch die Klima-Krise.
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Die Jahreszeiten mit dem Malandain Ballet Biarritz | Foto © Olivier Houeix
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Ansgar Skoda - 9. Mai 2024 ID 14738
Weitere Infos siehe auch: https://malandainballet.com/
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Ballett | Performance | Tanztheater
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