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Konzertbericht

Musik der

Hildegard

von Bingen



Ars Choralis Coeln in St. Severus, Boppard | Foto © Ansgar Skoda

Bewertung:    



Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin; dieser freche Spruch wurde natürlich ein Bestseller. Eine solche Einsicht hatte bereits die Universalgelehrte Hildegard von Bingen (1098-1179) vor fast 1000 Jahren. So schrieb sie nach einer ihrer Visionen: „Drei Flügel hast du: himmelhochfliegend der eine, der zweite feucht und erdenschwer: doch der dritte schwebt überallhin!“

Himmelhochfliegend lodern Harmonien beim Festival RheinVokal in der spätromanischen Kirche Sankt Severus in Boppard überallhin empor. An diesem heißen Sommerabend trägt die sechsköpfige Frauenschola Ars Choralis Coeln unter der Leitung von Maria Jonas, bodenlange, mittelalterlich anmutende Kleider in jeweils unterschiedlichen Farbtönen. Die Sängerinnen singen auch vielfarbig, weich timbriert, sensibel aufeinander abgestimmt und konzentriert. Das Konzert widmet sich im Schwerpunkt den liturgischen Gesängen der deutschen Benediktinerin, Äbtissin, Dichterin, die im 12. Jahrhundert in Bingen am Rhein einen ganzen Zyklus geistlicher Gesänge komponierte, die damals Teil täglicher Stundengebete waren. Antiphone der heiligen Hildegard werden in Boppard ergänzt durch sphärische Psalme und ein Magnificat der bedeutenden Mystikerin.

In ihren Liedern beschreibt Hildegard eine Empfängnis von Visionen. Sie deutet die Seele des Menschen sozusagen als symphonisch klingendes göttliches Abbild. Psalmverse erinnern an das Heilwirken der jungfräulichen Maria. Hildegard akzentuierte in ihren Klangerscheinungen ein Emporsteigen der Seele, das in einer sogenannten Unio Mystica [so auch der thematische Titel für das Konzert] gipfelte, einer himmlischen Vereinigung mit Gott.

Die Bopparder Basilika bietet auch für das Auge viele Eindrücke, die sich mit der Musik wunderbar vereinen. Eine aus Erlenholz gefertigte Madonna aus dem Jahr 1260 – nur 80 Jahre nach dem Tod Hildegards – wirkt mit ihrem fröhlich entrückten Blick wie eine körperliche Darstellung der glückseligen Visionen Hildegards, während im Kirchenraum Hildegards Lobgesänge auf die Muttergottes klangschön, fein ausbalanciert und souverän intoniert werden. Bei solistischen Passagen wechseln sich die Sängerinnen des Ensembles ab. Mal stehen sie während ihrer Gesänge einander zugewendet im Kreis unter dem Triumphkreuz. Die Zuschauer auf den Kirchenbänken werden dann teilweise nur ihrer Rücken ansichtig. Dann wechseln die vier Sängerinnen und zwei Musikerinnen ihre Positionen und blicken wieder in das Publikum. Der Abend wird durch zwei instrumentale Zwischenspiele aufgelockert. Das abwechslungsreiche, atmosphärisch stimmungsvolle, gut einstündige Konzert entlässt die sichtlich bewegten Konzertbesucher nach einer Zugabe weit nach 20 Uhr.



Ars Choralis Coeln in St. Severus, Boppard | Foto © Ansgar Skoda


Ansgar Skoda - 25. Juli 2024
ID 14845
https://www.ars-choralis-coeln.de/


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