Zwischen
Schlager,
Operette
und Chanson
|
Pianist Christian Manchen bestreitet gesanglich eine Zugabe | Foto © Ansgar Skoda
|
Bewertung:
In den 2020er Jahren wird das Berlin der 1920er Jahre gefeiert. Damals hatte die deutsche Hauptstadt international eine große kulturelle Bedeutung. In unruhigen Zeiten pulsierte das Leben in einer faszinierenden Vielfalt, die wir uns heute nur schwerlich vorstellen können. Erfolgsserien wie Babylon Berlin oder Filme wie Berlin Alexanderplatz widmen sich den Zeiten der damaligen modernen Metropole.
*
Dem politischen und multikulturellen Leben sowie dessen Protagonisten in Berlin erwies das Trio Größenwahn um Sängerin Lotta Stein, Pianist Christian Manchen und Kontrabassist Christoph Kopp am vergangenen 1. Mai im Bonner Pantheon mit einer treffsicheren Revue seine Aufwartung. Stimmungsvoll, lasziv und geistreich wurden in rascher Folge Musik, Gesang, Conferencier und Bilder in der Ästhetik von Stummfilmen präsentiert. Als Instrumente kamen unter anderem neben wechselnden Sängern ein Akkordeon, Snaredrums oder eine Schreibmaschine zum Einsatz.
Zu den vorgetragenen Schlagern zählten „Schöner Gigolo!“, „Mein Bruder macht im Tonfilm die Geräusche“, „Veronika, der Lenz ist da“, „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, sowie „Die Seeräuberjenny" aus Die Dreigroschenoper. Das Besondere waren aber die simultan während der Show von Robert Nippoldt angefertigten Zeichnungen. Der Buchkünstler Nippoldt skizzierte bekannte Posen der Schauspiellegenden Louise Brooks und Marlene Dietrich, was live an die Bühnenrückwand projiziert wurde. Das Publikum konnte so wechselnden Impressionen beim Entstehen zusehen. Eingeblendete Schwarzweiß-Zeichnungen erinnerten an die Mode des Charleston, des Topfhut (Cloche) oder des Bubikopf. Andere projizierte Tableaus deuteten wiederum die Inflation, den Börsencrash an der Wall Street und die Weltwirtschaftskrise an. Unterhaltsam war auch ein Überblick über die zahlreichen kurzlebigen Kanzlerschaften der Weimarer Republik. Hier deutete sich bereits verhängnisvoll eine zersplitterte Parteienlandschaft an.
Pointiert, humorvoll und gestenreich theatralisch purzelten die Ereignisse übereinander. Als Zugabe performte das Quartett zuvor noch „Ich hab das Fräul’n Helen baden seh’n“ von Fritz Grünbaum und „Heute Nacht oder nie“ von den Comedian Harmonists. Das Publikum wurde mit einer kurzweiligen Hommage an die Goldenen 1920er nach Berlin entführt, um sich dann anschließend in der inzwischen alten Bundeshauptstadt wiederzufinden. So mancher wünschte sich in die eleganten, goldenen und zukunftsoffenen Zeiten von vor über einem Jahrhundert zurück. Am Ausgang konnte man noch das großformatige und gewichtige Liebhaber-Bilderwerk Es wird Nacht im Berlin der wilden Zwanziger (2018) von Robert Nippoldt und Boris Pofalla bewundern. Hierin waren einige während der Show vorgeführte, liebevoll gestaltete Zeichnungen enthalten.
|
Christian Manchen, Robert Nippoldt, Lotta Stein und Christoph Kopp beim Abschlussapplaus | Foto © Ansgar Skoda
|
Ansgar Skoda - 5. Mai 2022 ID 13611
Weitere Infos siehe auch: https://www.ein-raetselhafter-schimmer.de/
Post an Ansgar Skoda
skoda-webservice.de
CD-Kritiken
Konzertkritiken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|