Die verführerische Hexe
Die 24-jährige ALCINA-Inszenierung von Jossi Wieler, Sergio Morabito und Anna Viebrock (Ausstattung) jetzt wieder an der Staatsoper Stuttgart
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Bewertung:
Die Inszenierungen von Jossi Wieler & Sergio Morabito (Regie und Dramaturgie) und Anna Viebrock (Bühne und Kostüme) haben Operngeschichte geschrieben – schon ehe Wieler seine Stuttgarter Intendanz antrat. Zu den schönsten und originellsten Arbeiten des Teams zählt Händels Alcina. Sie ist inzwischen 24 Jahre alt und wurde nun, in neuer Besetzung, wieder aufgenommen. In der Titelrolle zaubert und bezaubert diesmal die Russin Elena Tsallagova, und sie erweist sich in jeder Hinsicht als würdige Nachfolgerin von Catherine Naglestad und Myrtò Papatanasiu. Sie ist in dieser Wiederaufnahme allerdings umgeben von einem Ensemble, das insgesamt ein Niveau erreicht, mit dem sich jedes Operhaus schmücken könnte. Und auch das zu einem aus dem Graben emporgehobenen Barockorchester mutierte Staatsorchester Stuttgart unter der Leitung von Christopher Moulds, der zugleich das zweite Cembalo neben jenem im Continuo spielt, zeigt sich in Hochform, wobei den Oboisten Ivan Danko und Nadine Bauer ein Sonderlob gebührt.
Die Insel, auf der sich dem Libretto nach die auf einer Erzählung aus Ludovico Ariosts Orlando Furioso beruhende Geschichte von der Zauberin Alcina, die ihre Liebhaber nach geleistetem Dienst in Tiere und Pflanzen verwandelt, abspielt, ist in der gerühmten Inszenierung ein schäbiges Viebrock-Zimmer mit einem effektvoll genutzten Riesenspiegel und Gerümpel in einer Ecke. Viel passiert ja nicht in dieser Oper, außer dass geliebt, betrogen und bestraft wird. Die Dialoge kommen schnell zur Sache. Kaum hat sich der Vorhang gehoben, gesteht Morgana (Claudia Muschio) der als Mann verkleideten Bradamante (Alexandra Urquiola) ihre leidenschaftliche Liebe. Wieler und Morabito verzichten auf Tiermasken und gestalten dafür höchst differenziert und einfallsreich die zahlreichen für Barockopern typischen Wiederholungen, die einer musikalischen, nicht einer dramaturgischen Logik folgen.
Dass der Sieg über Alcina kein Happy End bedeutet, versteht sich fast von selbst. Der verführerischen Hexe, wie sie im Buche der Psychoanalyse steht, der gedemütigten Frau, gehört unsere ganze Sympathie, wenn sich ihre Opfer an ihr rächen. Belämmert stehen die betrogenen Betrüger in der Gegend herum. Wie ein paar Jahre später ihre Verwandten aus Così fan tutte, scheint ihnen zu dämmern, dass sich die Verwirrungen des Lebens nicht wegzaubern lassen.
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Thomas Rothschild – 1. Mai 2022 ID 13599
ALCINA (Staatsoper Stuttgart, 30.04.2022)
Musikalische Leitung: Christopher Moulds
Regie und Dramaturgie: Jossi Wieler, Sergio Morabito
Bühne und Kostüme: Anna Viebrock
Besetzung:
Alcina Elena ... Tsallagova
Ruggiero ... Diana Haller
Morgana ... Claudia Muschio
Bradamante ... Alexandra Urquiola
Oronte ... Moritz Kallenberg
Melisso ... Andrew Bogard
Oberto ... Rowan Pierce
Astolfo ... Saša Vrabac
Staatsorchester Stuttgart
WA war am 28. April 2022.
Weitere Termine: 08., 23., 28.05.2022
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de
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