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CD-Kritik

Franz

& franz





Bewertung:    



Drei Werke des schwedischen Komponisten Franz Berwald (1797-1868) sind auf der aktuellen CD mit dem franz ensemble zu hören - und ich assoziierte spontan, als ich das Cover sichtete, dass wohl die Musikerinnen und Musiker ihrer sich so seit 2017 nennenden Kammermusikgruppe eingefleischte "Berwalder" wären, namentlich wegen des Franz & franz, aber ich irrte mich. Das franz ensemble [Kleinschreibung korrekt] bezeichnet sich ausschließlich wegen Schubert, jenem andern Franz, dessen Oktett sie einst zusammenführte, so und halt nicht anders, und auf seiner Website prononciert es sich dann außerdem wie folgt:


"Wenn junge, international gefragte Musiker zusammentreffen...

Wenn diese Musiker all ihre unterschiedlichen Wurzeln in einem Kollektiv zusammenbringen...

Wenn ihre Liebe zur Musik grenzenlos, leidenschaftlich, ehrlich und bedingungslos ist...

Wenn der Respekt voreinander und vor dem Komponisten in jedem Ton spürbar wird...

Wenn das gemeinsame Musizieren nur Bereicherung bedeutet...

Wenn die gemeinsame Vision eine Selbstverständlichkeit ist...

... dann passiert franz."



Somit wäre ich, was diese Acht betrifft, umfässlich aufgeklärt.

*

Das erste Mal, dass ich von Berwald überhaupt Notiz nahm, war in Leipzig. Herbert Blomstedt (zu der Zeit Gewandhauskapellmeister) setzte das eine oder andere Opus von ihm und Nielsen, beide Skandinavier so wie er, gelegentlich auf das Programm - ja und 2008 führte er Berwalds populärstes Werk, die Sinfonie singulière, mit dem DSO Berlin auf; und ich war von ihrer einfältigen Schönheit überrascht und überwältigt.

Bei Franz Berwald griff der Spruch, wonach der Prophet nichts im eigenen Land gelten würde. Heute gilt er als der größte Romantiker Schwedens, doch zu seiner Lebzeit war an so was nicht zu denken. Eigentlich agierte er als Geiger, der Historie nach sogar als ziemlich guter; später profilierte er sich auch als Dirigent, aber ein seinem musikalischen Talent und Können gemäßer Posten blieb ihm zeitlebens verwehrt, entweder waren Stellen schon besetzt, oder er stieß bei seinem Vorwärtskommenwollen ständig auf Granit. Das Komponistenhandwerk brachte er sich überwiegend selber bei. Mit 33 verließ er seine Heimat nach Berlin, um 20 Jahre später erst dorthin zurückzukehren. Während seiner Deutschland-Jahre arbeitete er - um seinen Lebensunterhalt (erfolgreich) zu bestreiten - als Leiter eines Instituts für orthopädische Gymnastik; in Nordschweden verdiente er sich als Geschäftsführer einer dort ansässigen Glashütte sein Geld. Ja und als Komponist (!) stellten sich erst in Berwalds letztem Lebensjahrzehnt einige Erfolge ein...

Nun also eine Stunde Kammermusik dieses alten Schweden; immerhin starb Berwald erst mit 72 (trotz der auf statista.com gezeigten durchschnittlichen Lebenserwartung schwedischer Männer von ca. 50 Jahren Ende des 19. Jahrhunderts): sein Septett (als 20jähriger komponiert), sein Quartett (von 1819) und seine wahrscheinlich mit 30 bei einem Konzert in Stora Börssalen uraufgeführte Serenade für Singstimme und Ensemble, dem etwaigen "Geheimtipp" der CD mit dem sympathischen, genialen franz ensemble!!!

Die hellleuchtende Stimme Patrick Vogels - ich erlebte den Tenor zuletzt in Lulu an der Oper Leipzig - setzt nicht eher ein, bis dass so eine ausschweifend-gewichtige Introduktion mit Klarinette, Horn, Viola, Cello, Kontrabass, Klavier die stimmungsmäßige Voraussetzung hierfür eröffnet hat - dann meint sie [lt. der deutschen Übersetzung Laura Schwabes], alles sei "nun wieder stille;/ Lasset uns mit der Serenade beginnen", um nach einem ungeahnten Stimmungsschnitt in ein ganz niedlich-liedliches "Im Kriegsgejammer" aufzugehen, das dann ungeahntermaßen hiermit endet: "Als ich aus dem Traum erwachte,/ erschien mir alles fremd./ Oh, Mensch, bedenke: als der Held in/ Fesseln lag, war es Amor,/ der ihn bezwang". Zusammenfassend könnte man das kuriose Kleinod als erzählte Mär eines Soldaten, der anstatt im Krieg viel lieber bei der Liebsten wäre, abhaken; ein Wechselbad zwischen tolldreistem Todesmut und trister Traurigkeit, verpackt mit einem selbstaufmunternden (teuflischen) Trallala.

Und sowieso bereitete es Freude und Genugtuung, der exzeptionellen Dargebrachtseinsart durch die drei Bläserinnen und Bläser (dem Klarinettisten Maximilian Krome, der Fagottistin Rie Koyama, dem Hornisten Pascal Deuber), die vier Streicherinnen und Streicher (der Geigerin Sarah Christian, der Bratschistin Yuko Hara, dem Cellisten Tristan Cornut, der Kontrabassistin Juliane Bruckmann) und die Pianistin Kiveli Dörken unter Kopfhörern teilhaftig gewesen zu sein.

Eine CD zum Staunen und daher zum unbedingten Mehrmalshören.



Andre Sokolowski - 11. Dezember 2020
ID 12645
Werke von Franz Berwald | franz ensemble
Franz Berwald: Septett B-Dur (1828)
- Klavierquartett Es-Dur
- Serenade (1825)
franz ensemble:
Maximilian Krome, Klarinette
Rie Koyama, Fagott
Pascal Deuber, Horn
Sarah Christian, Violine
Yuko Hara, Viola
Tristan Cornut, Violoncello
Juliane Bruckmann, Kontrabass
Kiveli Dörken, Klavier

Patrick Vogel, Tenor
Label: MDG (200917)
Erstveröffentlicht am 27.11.2020


https://www.franzensemble.de


http://www.andre-sokolowski.de

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