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Die US-Folkpop-Musikerin Aimee Mann erlangte vor über 20 Jahren internationale Bekanntheit. Paul Thomas Anderson drehte damals den starbesetzten, episodischen Kinofilm Magnolia (1999) nach von ihr vorgegeben Songs. Aimee Mann stellte ihr im März 2017 veröffentlichtes Album Mental Illness auch in Köln vor. 2018 wurde der Künstlerin für Mental Illness ein Grammy für das beste Folk-Album zuerkannt. Nun brachte Mann ihr neues Konzeptalbum Queens of the Summer Hotel unter ihrem eigenen Label Super Ego Records auf den Markt. Die Singer-Songwriterin widmet sich erneut Ängsten und Gefühlen der Schwermut mit stimmungsvollen Melodien und poetischen Lyrics.
Die mittlerweile 61-Jährige schafft atmosphärisch eindringliche und sensible Akustik-Arrangements. Ihre Songs erzählen Geschichten. Aimee Mann spielt mit ihrem Albumtitel „Queens of the Summer hotel“ auf Zeilen aus Anne Sextons Gedicht You, Doctor Martin an. Die US-amerikanische Lyrikerin Anne Sexton starb 1974 im Alter von sechsundvierzig Jahren an einem Suizid. Manns Songs behandeln emotionale Zustände innerer Unruhe und des Schmerzes, sowie dramatische Folgen eines Selbstmordes für Hinterbliebene.
Als Königinnen des Sommer-Hotels porträtiert Mann Frauen in einer psychiatrischen Klinik. Queens of the Summer Hotel entstand im Zuge des Auftrags einer Musicaladaptation von Susanna Kaysens 1993 erschienener Autobiografie Girl, interruped. Die US-Amerikanerin Susanna Kaysen litt an Depressionen und einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Sie verbrachte 18 Monate in einer teuren psychiatrischen US-Privatklinik. 1999 erlangte ihre nach Eindrücken des Aufenthaltes entstandene Biografie als Hollywood-Psychiatriedrama mit Winona Ryder in der Hauptrolle weltweit Bekanntheit. Nebendarstellerin Angelina Jolie erhielt damals für die Rolle einer Soziopathin einen Oscar.
Auch Mann selbst litt unter Depressionen und spricht in Interviews offen über eigene psychische Probleme. Auf Queens of the Summer Hotel singt sie oft zurückhaltend und bedächtig mit sanfter, tiefer Stimme gefühlvoll von seelischem Unfrieden. Ihre Lyrics sind dabei oft theatralisch, subtil hintergründig und manchmal auch boshaft sarkastisch:
Das beschwingte „Give me fifteen“ porträtiert einen geistlosen und leicht misogynen Arzt, der großspurig behauptet, er könne eine Patientin in einer viertel Stunde diagnostizieren. Der Song „You’re Lost“ erzählt von einer haltsuchenden Frau. „Robert Lowell And Sylvia Plath“ widmet sich den beiden titelgebenden amerikanischen Schriftstellern, die jeweils unter einer bipolaren Störung litten. „In Mexico“ erzählt von einer Drogenabhängigen, die auf ihren Dealer aus Mexiko wartet. Leichtigkeit zeichnet das 30sekündige Reprise "Checks" aus. „Suicide Is Murder" handelt von der Verantwortung, die lebensmüde Menschen auch für die Hinterbliebenen tragen. Im letzten Titel „I See You" versichert ein Gegenüber einer verzweifelten Frau, dass es sie mit ihren Gefühlen nicht alleine lässt.
Aimee Mann wird meist am Klavier begleitet. Auch ein Streicherensemble und Holzbläser kommen zum Einsatz. Gitarren oder ein Schlagzeug bereichern seltener die stimmungsvolle Instrumentierung. Ein inhaltlich ausgefeiltes, kurzweiliges Album mit atmosphärisch perlenden Klängen, passend für den Herbst.
Ansgar Skoda - 29. November 2021 ID 13332
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