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CD-Kritik

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Die Indie-Band alt-J gewann 2012 überraschend mit ihrem Albumdebüt An Awesome Wave den renommierten englischen Mercury-Preis. Das Alternative-Folk-Trio aus Leeds, Großbritannien, setzte sich dabei unter anderem gegen Michael Kiwanukas kongeniales Werk Home again durch. Die drei Kunststudenten, die 2007 alt-J gründeten, benannten ihre Formation nach dem Mac-Kurzbefehl für [Delta]. Das sogenannte Deltazeichen ist ein Symbol für die Differenz in mathematischen Gleichungen. Das gerade erschienene, nunmehr vierte Album der Briten, The Dream (2022), besticht erneut durch flirrende Details in dahingroovenden Klangcollagen. Gitarrist und Sänger Joe Newman, Keyboarder Gus Unger-Hamilton und Schlagzeuger Thom Green schufen kunstfertige arrangierte Träumereien voller Verzierungen, Loops und Tempo-Wechsel. Samples betten Spoken Words-Fetzen von allerlei Albumgästen ein. Auch Streicher, Bläser und Backgroundsänger setzen sphärisch Akzente.

The Dream beginnt mit Backgroundchoreinsätzen, die bald sanft flüsternden Sprechgesang Joe Newmans rhythmisch strukturieren („Bane“). Newman moduliert seine Stimme zwischen melancholisch nasal und lauter werdend erstarkend. Selbstironisch beichtet der Sänger hier, er sei ein Konsum- und Kapitalismusopfer, denn er habe seine Seele an Fizzy cola verkauft. Mit „U&Me“ folgt ein intimer Soundscape voll überraschend gebastelter Harmonien. In „Hard drive gold“ ergänzen Kinder- und Frauenstimmen effektvoll Newmans Leading Vocals. Der Refrain steigert sich in einander überlagernden Klangwellen. „Happier when you’re gone“ ist inspiriert vom Klassiker "Hey Joe", erzählt die Wildwest-Geschichte des Jimi Hendrix-Songs jedoch aus neuer Perspektive. Eingangs haucht Newman lasziv „Joe“, ergeht sich zum Ende hin jedoch in recht spannungsarmen Refrain-Wiederholungen.

„Get better“ erzählt in poetischen Lyrics von schmerzlichen Erinnerungen an eine Lebenspartnerin, die bei einem Autounfall verstarb. In den perkussiv treibenden Songs „Chicago“ und „Philadelphia“ verarbeitet das Trio einen erlebnisreichen Amerikatrip. „Philadelphia“ besticht durch einen mehrfach eingebundenen gesanglichen Akzent von Backgroundgastsängerin Christie Valeriano. „Walk a mile“ beginnt verspielt mit einem starken Gospel-Intro. „Losing my mind“ driftet in Bewusstseinsströme eines Serienmörders ab. Es enthält sogar deutsche Lyrics „Oh es war einfach.“ The Dream wartet auch mit weniger einprägsamen kompositorischen Leichtgewichten auf, wie die akustisch eindrückliche, mehrstimmig gedehnte Gesangsübung „Delta“ oder das formschön dahinplätschernde „Powders“. Eine insgesamt jedoch recht espritreiche, atmosphärisch stimmungsvolle, hymnische und oft leise Platte, die man auch getrost als relaxte Hintergrundbeschallung laufen lassen kann. Anspieltipp ist das hymnische „The Actor“, das sich dem Ende eines koksdealenden Hollywood-Schauspielers widmet.


Ansgar Skoda - 20. Februar 2022
ID 13474
https://www.altjband.com/


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