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Premierenkritik


29. September 2013 - Premiere an der Oper Bonn

WRITTEN ON SKIN

von George Benjamin



Eine etwas andere Dreiecksgeschichte

Es ist nicht gerade eine sichere Bank, auf die die neue Intendanz des Theaters Bonn mit der ersten Inszenierung im Opernhaus setzt. George Benjamins Oper Written on Skin wurde im Juli 2012 uraufgeführt. In Bonn erlebt sie jetzt ihre erste Neuinszenierung. Aber es ist ein Wagnis, das aufgeht. Dazu tragen verschiedene Faktoren bei: eine konzentrierte Inszenierung, in der die eher abstrakten Figuren in einer stimmigen Personenregie zusammengeführt werden. Durchweg sehr gute Sänger, die auch szenisch überzeugen. Ein Bühnenbild, das viele Schaupunkte eröffnet und ein gut aufgelegtes Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Hendrik Vestmann.

Die Handlung wird nicht sehr gradlinig erzählt, lässt sich aber doch auf den Kern einer etwas anderen Dreiecksgeschichte reduzieren: Ein reicher Landbesitzer will seine Taten in einem Buch verewigt sehen und bittet einen Jungen, dieses Buch zu schreiben. Dieser nimmt den Auftrag an und kommt dabei der Frau des Landbesitzers näher. Umrahmt wird das Ganze von einer mystischen Ebene mit Engeln und Bezügen zur Schöpfungsgeschichte. Zudem lehnt sich Written on Skin an eine Erzählung aus dem 13. Jahrhundert über den Troubadour Guillem de Cabestanh an. Dieser war der Geliebte der Seremonda, der Ehefrau eines spanischen Edelmannes. Ihr Ehemann entdeckte den Betrug und gab seiner Frau das Herz des Guillem zu essen. Als er ihr sagte, was sie gegessen hatte, stürzte sie sich aus dem Fenster.

Vor allem aber zeigt Written on Skin einen Emanzipationsprozess: Die Frau des Landbesitzers ist ihm zu Beginn völlig gehorsam, aber die Begegnung mit dem Jungen verändert sie komplett, sie leistet Widerstand und entdeckt ihre Emotionen – parallel wird aus ihrem kraftstrotzenden Ehemann ein winselnder Weichling. Zwischendurch geht es auch um brutale Herrschaft, Konsum, aber alles nebenbei, nicht mit didaktischem Zeigefinger. Die Inszenierung arbeitet mit Andeutungen, manches bleibt unklar, man muss aber auch gar nicht alles verstehen. Auch Martin Crimps Libretto – übrigens von einer literarischen Dichte und Qualität, die sich wahrlich nicht in jedem Opernlibretto findet – verweist auf biblische und apokalyptische Texte, aber eben auch auf unsere heutige Welt, und bleibt eher in einer abstrakt bildhaften Sprache als in konkret auszuagierenden Szenen.

All diese angesprochenen Bezüge werden durch die wunderbare Musik George Benjamins auf eine sinnlich unmittelbar erfahrbare Ebene gehoben. Hier ist kein Komponist am Werk, der sich unbedingt Gehör verschaffen will, sondern einer, der klug eine geschlossene Form schafft, die den Zuhörer nicht abstößt, ihn vielmehr an der einen oder anderen Stelle an der Hand nimmt. Written on Skin ist eine Oper, die tatsächlich das Potenzial hat, in den klassischen Opernkanon aufgenommen zu werden. Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy gelingt zudem eine szenische Auseinandersetzung mit der Musik, die anregt und Lust auf mehrmaliges Sehen macht, weil es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt. Ein verheißungsvoller Auftakt an der Oper Bonn.


Bewertung:    
Karoline Bendig - 1. Oktober 2013
ID 7199
WRITTEN ON SKIN (Theater Bonn, 29.09.2013)
Musikalische Leitung: Hendrik Vestmann
Inszenierung und Ausstattung: Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy
Licht: Thomas Roscher
Besetzung:
Agnès ... Miriam Clark
Protector ... Evez Abdulla
Erster Engel / Junge ... Terry Wey 
Zweiter Engel / Marie ... Susanne Blattert
Dritter Engel / John ... Tamas Tarjányi
Beethoven Orchester Bonn
Uraufführung war 2012 in Aix-en-provence
Bonner Premiere: 29. September 2013
Weitere Termine: 4., 5., 20., 26., 28. 10. 2013
In Kooperation mit dem Beethovenfest Bonn


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


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