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Uraufführung


26. April 2013, Berliner Philharmoniker

THE LAST DAYS OF SOCRATES (UA) / A CHILD OF OUR TIME

Werke von Brett Dean (UA) / Michael Tippett


Das ist der australische Komponist, Bratscher und Dirigent Brett Dean - (Fotoquelle http://www.boosey.com)


...weiß, dass ich nichts weiß

"Vom Berliner Philharmoniker zum international geschätzten Komponisten – so lässt sich, sehr verkürzt, die Karriere von Brett Dean beschreiben. Der gebürtige Australier war von 1985 bis 1999 Bratscher der Berliner Philharmoniker. Über das Arrangieren und Improvisieren entdeckte er das Komponieren für sich. Sein Klarinettenkonzert Ariel's Music, das den International Rostrum of Composers der UNESCO erhielt, und das Ballett One of a Kind verschafften ihm internationales Renommee..." (Quelle: Stiftung Berliner Philharmoniker)


*


Brett Dean ist also als Autodidakt zum Komponieren gekommen - was nichts Anrüchiges hat; im Gegenteil! Der institutslastige angelernte oder nachgeahmte Komponierkrimskrams, womit sich meistenteils die "professionellen" Kolleginnen und Kollegen von ihm unerbittlich und zeitlebens auseinandersetzten (und die allerwenigsten von ihnen fanden dann zu einem unnachahmlich-singulären Komponierstil, was sie letzten Endes unglücklich und unzufrieden werden ließ, weswegen sie dann auch nichts wesentlich Bedeutendes geschweige Neues mehr zustande kriegten; jene Sache mit dem ausbleibenden Komponiermotivationsschub oder so) war/ist ihm gottlob fern geblieben; und so komponiert(e) er dann also irgendwie "frei Schnauze" lustig und drauf los - - so muss man es wohl machen, um nicht künstlerischen Grundschaden zu nehmen...

Sein vor ca. zwei Jahren durch den Rundfunkchor Berlin in Auftrag gegebenes dreisätziges Werk behandelt The Last Days of Socrates (Die letzten Tage des Sokrates). Es ist für Bassbariton, Chor und Orchester geschrieben und hat eine Dauer von über einer halben Stunde. Reichlich Handlung findet sich in ihm - man könnte es durchaus auch szenisch ausprobieren; eine dahingehende Versuchung wäre es mit instinktiver Sicherheit und also garantiert wohl wert:

Der das abendländische Denken sozusagen kreiert habende griechische Philosoph Sokrates, der vor ca. 2.500 Jahren lehrte und lebte, wurde durch seine sog. Hebammenkunst (seiner "philosophischen Methode eines strukturierten Dialogs", wie Wikipedia formulierte) weltberühmt. Auf dem belebten Marktplatz von Athen verwickelte er also Bürger, insbesondere sehr jugendliche Bürger, in Gespräche, die sie zu dem eigenen "Erkenntisstreben" führten und/oder ver-führten - das gefiel nicht allen Obrigen des Staates, und so kam es zu der für ihn folgenschweren Mordsintrige, die in dem Prozess gipfelte, wonach er, Sokrates, mit dem Schierlingsbecher hingerichtet worden war. / Das sind der Stoff sowie das Thema für The Last Days Of Socrates von Brett Dean.

John Tomlinson - den wir vielleicht vor ungefähr drei Jahren ganz zuletzt als Gurnemanz in Wagners Parsifal (eine seiner Paraderollen!) an der Wiener Staatsoper erlebten - hat jetzt bei der Uraufführung den Sokrates abgeleistet: eine Idealbesetzung! Tomlinson "besitzt" das Alter, die Erfahrungen und den porös-brüchigen Sound, um dieser anspruchsvollen Rolle voll gerecht zu werden. Wenn er beispielsweise dann am Schluss des Werkes, wo es um die "Existenzfrage" der Seele geht (also woher/wohin kommen und gehen wir vor oder nach dem physisch ausgelebten Leben; und Sokrates lässt uns sehr, sehr weise wissen à la 'Ich weiß, dass ich nichts weiß' oder so), sich mit den hochabseits befindlichen Damen des Rundfunkchors Berlin in stimmlich-sphärischen Überbietungskämpfen misst, wird Dieses als ein Kunst-Akt sondergleichen justament begreif- und auch erlebbar, und wir sind - ganz ohne Scham und Scheu gesprochen - fast den Tränen nah, wie wir das Alles hören...

Der Orchesterapparat ist riesig, und zugleich lässt Dean ihn transparent und also völlig unwuchtig zum Einsatz kommen; die Berliner Philharmoniker umhegen und umsorgen Chor/Bassbariton auf musikalisch raffinierte und auch delikate Art und Weise. Simon Rattle dirigiert das Werk sehr gern; das war zu sehen und zu spüren.

Neue oder zeitgenössische Musik für Herz, Verstand UND Seele - wann hat man jemals Gelegenheiten, diese Heilige Dreeinigkeit live zu erleben?!

Grandiose Uraufführung.



Der Bassist John Tomlinson, der Dirigent Simon Rattle und der Komponist Brett Dean (v. l. n . r.) beim Schlussapplaus zur Uraufführung von The Last Days of Socrates mit dem Rundfunkchor Berlin und den Berliner Philharmonikern am 25. April 2013 - Foto (C) Sebastian Hänel



* * *


Mit Michael Tippetts (1905-1998) angeblich wichtigstem und zentralem Werk A Child of Our Time, das die Berliner Philharmoniker mit vielen, vielen Chören 1959 erst- und letztmals aufgeführt hatten, sah es dann nach der Pause etwas anders aus. Mag sein, dass dieses stark am Händel'schen Messias orientierte Oratorium seinerzeit sehr zwingend nachempfunden und vom Klang her sehr beliebt gewesen war - heute ist davon sicherlich nicht allzu viel mehr übrig; schon der Saal-Rundumblick ließ ein paar Konzertbesucher, die sich eines kleinen Nickerchens so zwischendurch dann nicht erwehren wollten, auffällig erscheinen...

Doch im Ernst: Das Stück leidet in erster Linie an dem Text (vom Komponisten übrigens); der ist nicht mehr und auch nicht weniger als eine alttestatamentarisch aufbemühte Plattitüden-Sammlung für den ökumenischen Gebrauch; nicht einmal fällt das Wort vom "Juden" - und obwohl es, lt. dem Stückkonzept des Komponisten, um das Thema Holocaust hätte doch gehen sollen... / Die Musik, im Übrigen, klingt sehr sentimentalisch.

Engagierte Darbietung, natürlich.

Nicht konzeptionell-genial zu nennen, dieses und das vorherige (Uraufführungs-)Stück an einem Abend miteinander zu verkoppeln. Funktionierte einfach nicht.


Andre Sokolowski - 27. April 2013
ID 6709
BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie Berlin, 26.04.2013)
Brett Dean: The Last Days of Socrates für Bassbariton, Chor und Orchester (Text von Graeme William Ellis)
Uraufführung eines Auftragswerks des Rundfunkchors Berlin gemeinsam mit dem Los Angeles Philharmonic und dem Melbourne Symphony Orchestra
Michael Tippett: A Child of Our Time, Oratorium für Sopran, Alt, Tenor, Bass, Chor und Orchester
Sally Matthews, Sopran
Sarah Connolly, Alt
Matthew Polenzani, Tenor
Sir John Tomlinson, Bass
Rundfunkchor Berlin
(Einstudierung: Simon Halsey)
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Sir Simon Rattle


Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-philharmoniker.de


http://www.andre-sokolowski.de



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