Durchgeknallte
Jungfrau
trifft auf
Untoten und
Toten
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Bewertung:
1883 (Wagners Todesjahr) war Dvořák eingeladen worden, für das Birminghamer Festival ein schönes und v.a. dickes Chorwerk herzustellen - Dvořák, der sich zwischenzeitlich bei den Engländern sowohl als Dirigent wie auch als Komponist einer doch wachsenden Beliebtheit zu erfreuen wusste, nahm den Auftrag dankend an und schuf die schöne und v.a. dicke Chorballade von der Geisterbraut, welche zwei Jahre später mit 150 Musikern und über 400 Choristen (!) erstmals von dem Auftraggeber dargereicht wurde. Für britische Verhältnisse, was das bemühte Personal (550 Ausführende insgesamt) betrifft, wahrhaftig nichts Besonderes; bei Händel-Oratorien schlug der Zählerpegel seiner Zeit noch viel, viel höher aus...
Das hoch- bis spätromantisch anmutende Stück scheint mehr noch biedermeierische Züge in sich aufgesaugt zu haben, und es "schwebt" (von seinem urkomischen Plot her) zwischen vorsichtiger Horrorlastigkeit und zudeckelndem Hallelujah:
Jungfrauliche Vollwaise, die ihres echten Bräutigams verlustig wird, verfällt irrationalen Wahnvorstellungen. Derart in melancholische Verstrickungen geraten, sieht sie plötzlich ihren Bräutigam (quasi als Untoten) in ihr lokalbeschränktes Näherinnenleben wiedereintreten, ja und so folgt sie dieser Truggestalt, die sie doch zusehends, v.a. sexuell, bedrängt. Ihr beider Ziel ist dann ein Friedhof, wo sich die von ihrem truggestalterischen Bräutigam bedrängt fühlende Träumerin in Sicherheit zu bringen trachtet, ja und derart findet sie sich dann in einer Aufbewahrungshalle wieder, wo sie einer Männerleiche angesichtig wird - wahrscheinlich könnte das der vormals echte Bräutigam (quasi als Toter) sein; die Jungfrau betet zum Maria-Himmel, und "es wird erhört - ein Hahnenschrei kündigt den neuen Tag an, der Geisterspuk ist verflogen. Die morgendlichen Kirchengänger staunen über das offene Grab, die zerfetzten Brauthemden und die zitternde Jungfrau." endigt Detlef Giese [Autor des Programmhefts] die Geschichte.
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Bildquelle: takte-online.de | Das Bärenreiter-Magazin
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Die für Werkausgrabungen und -neuentdeckungen ganz unverwüstlich und auch immer wieder in Erscheinung tretende Berliner Singakademie ist gleichsam auch der Star der engagierten Groß-Aufführung, die - zusammen mit dem Konzerthausorchester Berlin - gestern Abend am Gendarmenmarkt über die Bühne ging. Der Chor hat sachlich-kommentierende und farblich-ausgestaltende Funktion und tritt daher so ziemlich ständig in Erscheinung. Wenn er dann mit den drei angetretenen Solisten konkuriert, fällt auf, dass insbesondere die Bassstimme des (meist "nur" rezitierenden) Erzählers Philipp Kaven von ihm deutlich überschüttet ist; es gibt kein ausgleichendes Glücksmoment, das das Lautstärkemäßige harmonisch hätte regeln können. Auch die Geisterbraut Martina Rüpings hat gewisse Mühen, in dem lauthalsigen (und v.a. orchestralen!) Klangbrei ihre Position zu finden. Allenthalben der Tenor Lothar Odinius schien mit all der komplizierten Voll-Akustik, die wohl auch dem Saal an sich geschuldet sein dürfte, einiger Maßen zurande zu kommen.
Dem Dirigenten Achim Zimmermann muss nachgerade Dank geschuldet sein, dass er sich für die Geisterbraut von Dvořák derart stark machte! Wann kriegte man schon dieses Werk jemals in Live zu Ohren?
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Nach der Konzerthaus-Aufführung von Dvořáks Die Geisterbraut mit der Berliner Singakademie | Foto (C) KE
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Andre Sokolowski - 28. Oktober 2016 ID 9643
MUSIK VON LIEBE, TOD UND GESPENSTERN (Konzerthaus Berlin, 27.10.2016)
Antonín Dvořák: Die Geisterbraut (nach der Ballade von Karel Jaromír Erben) für Soli, Chor und Orchester op. 69
Martina Rüping, Sopran
Lothar Odinus, Tenor
Philipp Kaven, Bass
Berliner Singakademie
Konzerthausorchester Berlin
Dirigent: Achim Zimmermann
Weitere Infos siehe auch: http://berliner-singakademie.de
http://www.andre-sokolowski.de
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