Christian Jost
scheitert am
Mythos Berlin,
aber Kurt Weill
rettet den Abend
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Bewertung:
"Aufregend, kreativ, dynamisch und weltoffen – so war Berlin. So ist Berlin. Wir widmen das FESTIVAL MYTHOS BERLIN dieser sich stetig verändernden und sich gerade darin selbst treu bleibenden Stadt.
Intellektuelle, Kulturschaffende und Lebenskünstler waren in Berlin schon immer willkommen. Sie fühlen sich in dieser Stadt wohl und bedanken sich für die gewährten Freiräume mit visionären Ideen und kreativer Kraft. Schon die 1920er Jahre waren für die Künstler Berlins inspirierende Zeiten. Komponisten wie Hanns Eisler, Kurt Weill, Franz Schreker und Heinz Tiessen schufen mit ihrer Tonsprache den ganz besonderen Klang der Stadt. Ihre Werke sind im Festivalprogramm genauso vertreten wie die aktuelle Antwort des in Berlin lebenden Komponisten Christian Jost, der mit seiner BerlinSymphonie ein musikalisch schillerndes Nachtbild der Stadt entwirft, die niemals schläft."
(Quelle: Konzerthaus Berlin)
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Na, das ist ja mal ein Anspruch! Mit einem riesigen Werbeauftritt platziert das Konzerthaus Berlin das FESTIVAL MYTHOS BERLIN in das Kulturleben der Hauptstadt. Klar - parallel läuft MaerzMusik, da muss man schon glotzen, auf ein Plakat wurde frech Hallo Hipster gepostet. Die Uraufführung von Christian Josts BerlinSymphonie wird als Anknüpfung an die 20ziger Jahre präsentiert:
Schon im dichten Beginn kann man Kurt Weill hören. Den Großstadtsound der 20er Jahre adaptiert Jost zu Beginn mit einer perkussiven Grundstruktur. Dann wird es virulenter, alle Stimmgruppen produzieren nervöse Cluster, nach dem ersten Orchestertutti schafft ein Saxophon mit kräftigen Farben wieder Ruhe. Nach den ersten 12 Minuten beginnen die Effekte zu verpuffen, aber nun wird es narrativer, Jazzelemente erinnern wieder an die 20er Jahre. Etwas Minimal Music in den Streichern am Ende, und man hat das Gefühl, die komplette Musikgeschichte gehört zu haben. Nein, das war nicht der große Wurf. Und wenn man dann im Programmheft Josts Bezug auf den Komponisten Pierre Monteux findet, der Wert darauf gelegt hat „dass ein Orchester in allen Spiellagen in erster Linie gut klingen muss“, findet man sich bestätigt in der Vermutung, dass es Jost in erster Linie um gutes Handwerk, aber nicht um kreatives Wagnis ging.
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Aber nun Kurt Weill:
Glück für ihn (und auch für uns), dass er nach dem Zerwürfnis mit Berthold Brecht in Georg Kaiser einen neuen genialen Librettisten fand. Der aus Magdeburg stammende Kaiser hatte utopische Vorstellungen eines neuen Menschenbildes: Menschen, die nach Überwindung aller ausbeuterischen Strukturen und moralischen Deformationen eine neue, lichte Zukunft schaffen würden, ohne Kommunisten zu sein.
In Der Silbersee verbünden sich der einfacher Dieb Severin und der Polizist Olim. Olim hat Severin bei einem Diebstahl erwischt und auf der Flucht ziemlich böse angeschossen. Als Olim merkt, dass Severin nur eine einzige Ananas gestohlen hat, beginnt er nachzudenken und Sympathie für Severin zu entwickeln. Eine komisch ironische Geschichte nimmt ihren Lauf. Weill bleibt sich in der Partitur treu, nun hört man den echten 20er Jahre Sound, satte Trompetensoli, man meint Mackie Messer zu hören.
Ivan Fischer treibt sein Orchester und die Solisten zu Höchstleistungen, heute in Doppelfunktion als Dirigent und Sprecher. Herrlich ironische Texte und mit Verve mimende Solisten lassen vergessen, dass man sich in einer konzertanten Aufführung befindet. Es gibt Texte über das Geldanlegen, Olim ist durch einen Lottogewinn zu Geld gekommen, über die böse Verwandtschaft, über die Diskrepanz innerer Werte und äußerem Schein. Das ist großes Kino, manche Stellen könnte man direkt Jan Böhmermann in den Mund legen, keiner würde das merken. Alles in allem ein toller Abend, leider ohne die beworbenen Hipster. Die ziehen es sicher vor, das Nachtleben der Stadt zwischen Tresor Berghain und RAW Gelände in Friedrichshain zu genießen. An Orten, wo der Mythos Berlin heute weiter gedacht wird und die Welt beeinflusst wie in den Zwanzigern!
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Steffen Kühn - 21. März 2015 ID 8518
FESTIVAL MYTHOS BERLIN (Konzerthaus Berlin, 20.03.2015)
Christian Jost: BerlinSymphonie (UA)
Kurt Weill: Der Silbersee
Katharina Ruckgaber (Fennimore)
Dominik Wortig (Severin)
Max Hopp (Olim)
Michael Pflumm (Lotterieagent)
Hildegard Alex (Frau von Luber)
Martin Seifert (Baron Laur)
Mirella Hagen (Erste Verkäuferin)
Anna Werle (Zweite Verkäuferin)
Sebastian Lipp (Erster Bursche)
Tsuji Masashi (Zweiter Bursche)
Clemens Heidrich (Dritter Bursche)
Matthias Lutze (Vierter Bursche)
Vocalconsort Berlin
Konzerthausorchester Berlin
Dirigent: Iván Fischer
Weitere Infos siehe auch: http://www.konzerthaus.de
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
Neue Musik
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