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Premierenkritik

Falcone

kennt

jeder



Andreas Macco als Falcone von Nicola Sani an der Staatsoper im Schiller Theater | Foto (C) Gianmarco Bresadola

Bewertung:    



Vor 25 Jahren wurde der Mafia-Jäger Giovanni Falcone und seine Frau bei einem Anschlag getötet. Der italienische Komponist und Performer Nicola Sani hat vor zehn Jahren daraus eine Oper über die Mafia, über Macht und Verrat auf die Bühne gebracht: Il tempo sospeso del volo - die angehaltene Zeit des Fluges - heißt das Stück Musiktheater bei Sani. Die Staatsoper Berlin bringt es in einer deutschen Übertragung unter dem Titel Falcone auf die Bühne. Sani steht in Tradition des politischen Musiktheaters Italiens der 1960er und 1970er Jahre eines Luigi Nonos, Sylvano Bussottis und anderen an. Er kombiniert in vielen seiner Stücke elektronische und traditionelle Instrumente.


"Ich benutze für diese Oper Geräusche in einer multifonen Situation. Das heißt: Das Icarus-Ensemble spielt live im Zuschauerraum. Der Chor singt im Hintergrund ebenfalls live. Immer wieder ist auch aufgezeichnete Musik zu hören. Auf diese Weise will ich die verschiedenen Ebenen wiedergeben, die diese Oper erzählt: Falcone im Flugzeug, die Realität, und Falcone auf dem Weg ins Verderben, die nahe Zukunft, die ihn erwartet. Ich arbeite also mit verschiedenen Klangflächen."

(Nicola Sani anlässlich der Uraufführung 2007)


Der Falcone? wird man gefragt, wenn man erzählt, dass man heute Abend in die Staatsoper geht. Giovanni Falcone, der bekannte Mafia-Untersuchungsrichter, dessen Kampf gegen das organisierte Verbrechen der sizilianischen Cosa Nostra 1986 zu einem spektakulären Massenprozess führte, bei dem über 400 Mitglieder der Organisation ihrer Verbrechen angeklagt werden konnten, ist noch sehr präsent in unserer Gesellschaft. Der Stoff hat das Zeug zu einer griechischen Tragödie.

In der Tradition griechischer Dramen stehen die Frauen auf der Empore im Hintergrund - als Kassandren, als Warnerinnen, als Seherinnen, die das Ende Falcones, seiner Frau und der drei Bodyguards herbeiflüstern. In den Szenen, wo Falcone über die Ereignisse reflektiert, werden immer wieder zwei Flugzeugsitze in den Zuschauerraum gefahren. Wenn die Richter singen, verschwinden die Sitze. Die Richter, die über den Köpfen der Bevölkerung hinweg mit den Mafiabossen kungeln - gegen Falcone, Italiens Held im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Giovanni Falcone und seine Frau starben nach vielen Mordversuchen schließlich am 23. Mai 1992. Mit einer 500-kg-Bombe wurden sie bei Palermo in die Luft gesprengt. Kurz nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen von Palermo, nach einem zweistündigen Flug von Rom. Die ganze Oper ist von der Todesahnung durchzogen. Geräuschhafte Pattern erzeugen die gruselige Atmosphäre. Schroffe Klangkaskaden in Kombination mit den eingespielten Geräuschen. Ansätze von Melodien kommen nur vom Gesang, oft wird nur gesprochen, man wird an Paul Dessaus Oper Einstein erinnert. Die unprätentiöse Inszenierung sitzt, David Robert Coleman hat seinen Klangapparat richtig gut unter Kontrolle. Tolles Thema, tolle Inszenierung und man hat was zu erzählen, weil: Den Falcone kennt jeder.




Falcone an der Staatsoper im Schiller Theater | Foto (C) Gianmarco Bresadola

Steffen Kühn - 1. Mai 2017
ID 9995
FALCONE (Werkstatt im Schiller Theater, 28.04.2017)
Musikalische Leitung: David Robert Coleman
Inszenierung: Benjamin Korn
Ausstattung: Annika Haller
Ton: Sébastien Alazet
Licht: Georgi Krüger
Dramaturgie: Benjamin Wäntig
Mit: Andreas Macco, Martin Gerke, Milcho Borovinov, Udo Samel, Klaus Christian Schreiber, Caroline Seibt, Isabelle Rejall, Friederike Harmsen und Nadia Steinhardt
Mitglieder der Staatskapelle Berlin sowie der Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin
Premiere an der Staatsoper Unter den Linden: 28. April 2017
Weitere Termine: 04, 06., 07., 12., 13.05.2017


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


Post an Steffen Kühn

http://www.hofklang.de

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