1 Megatenor,
2 Megatanten
und viel
Megatuttis
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Catherine Naglestad (als Kassandra) und der Chor der Hamburgischen Staatsoper in Les Troyens | Foto (C) Hans Jörg Michel
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Bewertung:
Les Troyens von Hector Berlioz ist schon ein megagrauenhaftes Stück (Text: Komponist), aber mit einer vielleicht doch nicht ganz so grauenhaften (Berlioz-) Musik - wovon uns Kent Nagano, der mit diesem Mega-Riesenschinken seine neue GMD-Amtszeit in Hamburg anzutreten willens war, sehr eigenwillig überzeugen wollte. Das v.a. Vielzulange dieses Machwerks (das, falls man es je original vom Blatt abspielen würde, ca. 7 Stunden dauerte) meinten der Dirigent sowie sein Dramaturg Johannes Blum wie folgt "gelöst" zu haben:
"Da wir nicht mehr mit Berlioz kommunizieren können, haben wir jemanden gesucht, der selbst Komponist ist und Berlioz-Experte, der ein Franzose ist, und sehr erfahren in seinem eigenen Opernschaffen. Wir haben den Komponisten Pascal Dusapin gefunden. Durch seine Imagination sollte eine kompakte, dichte, dramaturgisch stringente Fassung der Oper entstehen, auf die Berlioz vielleicht selbst gekommen wäre. Und es ist wirklich beeindruckend. Man hört die Striche nicht, man vermisst das andere nicht, weil die Geschichte so folgerichtig erzählt wird." (Quelle: Programmheft zur Premiere Les Troyens am 19. September 2015, Hamburgische Staatsoper)
Und hat es was genützt?
Nicht viel, denn:
Les Troyens (vom Stück her) sind unrettbar. Keiner weiß - auch nicht nach "nur" drei und dreiviertel Stunden Dauer inkl. Pause - , worum es da geht. Auch nicht wenn man den Übertiteln, und egal ob englisch oder deutsch gelesen, folgt. Die insgesamte Stückscheiße ergibt null Sinn. Gefühlte hundert Leute singen da herum, von Diesem und von Jenem, nichts erreicht Einen emotional, ja und nach hinten hin versteift sich mehr und mehr die Formel "Italy! Italy! Italy!" o.s.ä. Man sitzt da, schaut auf die Uhr und wartet fassungslos und allersehnlichst, dass die Qual dann irgendwann vorbei ist...
Ungeachtet dessen musiziert das Philharmonische Staatsorchester Hamburg hochvorzüglich; ja und auch der Chor der Hamburgischen Staatsoper (Choreinstudierung: Eberhard Friedrich), der jedoch und immer wenn er von ganz hinten vorgewalzt kommt, etwas schleppt und sozusagen nachhinkt, macht im Wesentlichen seine Sache ziemlich gut.
Catherine Naglestad sowie Elena Zhidkova verkörpern die zwei Hauptfrauen der Oper: die Kassandra und die Dido. Und die beiden anstrengenden Großpartien werden so von ihnen adäquat gesungen.
Torsten Kerl peppt mit Rienzi-hafter Attitüde den Äneas auf.
Minimalistenregisseur Michael Thalheimer tut auf die Art und Weise inszenieren, wie er das seit Jahren und Jahrzehnten insbesondere beim Sprechtheater macht; seine Berliner Orestie (DT, 2006) sah irgendwie fast ähnlich aus; also wir kennen seinen Stil und sind daher recht nüchtern und (im Falle Berlioz) erwartungslos gewesen. Dass er - Schauspielregisseure haben meistens sowieso dann keine Ahnung, wie man einen Opernchor bewegt/belebt - mit seinem artifiziellen Minimaltick hochgigantisch scheitern sollte oder musste, war daher voraussehbar.
Ausstatter Olaf Altmann hat sein hellholziges Bühnentroja mit 'nem Riesenrückwandbrett, das sich während der ganzen Zeit um seine eigne Achse vertikal nach vorne dreht, gekrönt - aus ihm regnet es ab und zu dann rotfruchtsafthaltiges Marmeladenblut. Das sieht schon stark aus, und es hört sich furchterregend an. Nicht schlecht gemacht.
Mehr gibt es zu Trojaner nicht zu sagen.
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Elena Zhidkova (als Dido) und der Chor der Hamburgischen Staatsoper in Les Troyens | Foto (C) Hans Jörg Michel
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Als Nagano vor neun Jahren seine GMD-Ära in München angetreten hatte, brachte er Rihms Oper Das Gehege zur Welturaufführung und verkoppelte sie mit Strauss' Salome. Das hatte was von einem künstlerischen Staatsakt, war demnach auch echt ein nicht nur kulturelles Staatsereignis. Und vergleicht man das jetzt mit dem etwas nördlicheren Neueinzugsgebiet von ihm und fragt sich, warum er dann überhaupt "hier hoch" geraten ist - - nein, besser erst mal nicht. Bleibt ja noch Zeit.
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Andre Sokolowski - 16. Oktober 2015 ID 8929
LES TROYENS (Hamburgische Staatsoper, 14.10.2015)
Inszenierung: Michael Thalheimer
Bühnenbild: Olaf Altmann
Kostüme: Michaela Barth
Licht: Norman Plathe
Dramaturgie: Johannes Blum
Besetzung:
Enée ... Torsten Kerl
Chorèbe ... Kartal Karagedik
Panthée ... Alin Anca
Narbal ... Petri Lindroos
Iopas ... Markus Nykänen
Ascagne ... Christina Gansch
Cassandre ... Catherine Naglestad
Didon ... Elena Zhidkova
Anna ... Katja Pieweck
Hylas ... Nicola Amodio
Priam ... Stanislav Sergeev
Un chef grec ... Zak Kariithi
L'ombre d'Hector - Mercure ... Bruno Vargas
Helenus ... Daniel Todd
Andromache ... Catrin Striebeck
Chor der Hamburgischen Staatsoper
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Premiere war am 19. September 2015
Weitere Termine: 11. + 14. 5. 2016
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-hamburg.de
http://www.andre-sokolowski.de
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